Tatort am Sonntag

Mossad ist der dritte Mann

04.01.2015, 07.50 Uhr
von Detlef Hartlap

Das Wien, in dem Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer einem Fenstersturz und seiner Aufklärung nachjagen, ist natürlich nicht mehr das Wien aus dem Filmklassiker "Der dritte Mann" oder aus der wunderbaren Spionage-Komödie "Charly Muffin". Beide Filme wurden seinerzeit von britischen Regisseuren gedreht, von Carol Reed und Jack Gold.

Vielleicht täte es dem Tatort-Schauplatz Wien gut, wenn zur Abwechslung mal ein Brite engagiert würde.

Im neuen Tatort mit dem Titel Deckname Kidon fehlt der Blick auf Wien, obwohl Adele Neuhauser zu einer täppischen Verfolgungsjagd durch die Stadt genötigt wird. Es ist ein gesichtsloses Wien, das nicht mehr weiß, wer und was es ist, Metropole oder Nebengleis. Der neue Hauptbahnhof sollte den Namen "Europa Mitte" bekommen, was etwas aussagt über späthabsburgische Minderwertigkeitskomplexe.

"Deckname Kidon" beginnt mit einem Schock

Einer alten Holly wood- Maxime zufolge sollte ein Film mit einer Explosion beginnen und sich dann langsam steigern. "Deckname Kidon" beginnt mit einem Schock und lässt dann stark nach. Ein Mann stürzt aus seinem Hotelfenster auf ein Taxi, dessen Unverwüstlichkeit gerade noch gerühmt wurde.

Dass der Mann, ein Diplomat aus dem Iran, als Materialbeschaffer für die iranischen Atom anlagen unterwegs gewesen sein soll, deutet auf einen Fall von Gewicht und Verwicklungen hin: Kann der Bau der iranischen Atombombe von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer vereitelt werden?

Doch die Steilvorlage, wenigstens einen minimalen Anklang an "Der dritte Mann" zu erzielen, bei dem es um Schwarzmarktschiebereien ging, was damals, 1949, fast noch schwerer wog als die Atombauteile-Schiebereien von heute, bleibt ungenutzt. Auch von der Pfiffigkeit, die "Charly Muffin" (David Hemmings) an den Tag legte, als er es 1979 im Wien des Kalten Krieges zum Showdown zwischen KGB und britischem Geheimdienst kommen ließ, ist nichts zu spüren.

"Moritz und Bibi Bond"

"Moritz und Bibi Bond", wie sich Krassnitzer/Neuhauser selbst verulken, sind immer hektisch unterwegs, müssen das Feld aber einem Unbekannten überlassen, dem israelischen Geheimdienst Mossad. Er dient hier quasi als dritter Mann. Statt Orson Welles im dunklen Hauseingang sollen maskierte Motorradfahrer für Schrecken sorgen.

Einmal versucht Krassnitzer, einen Güterzug zu stoppen, wozu ihm das Drehbuch die absurdesten Faxen aufzwingt: Er muss einen in großer Entfernung dahinrauschenden Zug aus dem Auto anhupen; und er muss sich auf die Gleise stellen und winken. In einem Abenteuerfilm für Kinder sähe das nicht anders aus.

Dann ist da noch der starke "Franz Schubert": Udo Samel, der einst in der Serie "Mit meinen heißen Tränen" zu ebensolchen rührte. Er sieht immer noch aus wie Schubert, nur fett geworden, und vereinigt in wenigen Szenen und Mienen die ganze Malaise großen Geldes in sich: Gier, Bonhomie, Korrumpiertheit, Allmachtgelüste.

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