Sonntag am Tatort

"Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden" - Ein Besuch auf dem Müllplatz

29.03.2015, 07.15 Uhr
von Detlef Hartlap
In seinem 25. Einsatz verschlägt es Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine jüngere Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) nach "Gaarden", einen sozialen Brennpunkt Kiels.
BILDERGALERIE
In seinem 25. Einsatz verschlägt es Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine jüngere Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) nach "Gaarden", einen sozialen Brennpunkt Kiels.  Fotoquelle: NDR/Christine Schroeder

Seit mehr als 20 Folgen stolpert Axel Milberg als Klaus Borowski durch Kiel. Seine Rolle hat er immer noch nicht gefunden.

Was muss er sich diesmal anhören, der gute Axel Milberg (58) alias Klaus Borowski. Der olle "Stahlnetz"-Kopp Borowski von 2002, den man in einen namensgebenden Kieler Tatort-Kommissar verwandelt hat, bekommt es mit einer Clique von verwahrlosten, verkommenen, aber auf ihre Weise durchaus aufgeweckten Bürschchen zu tun, die ihm das Portemonnaie klauen, ihn als "alter Mann" abkanzeln und als "völlig ahnungslos" bezeichnen. Nicht ganz zu Unrecht.

Wie bürgerliche Touristen

Diese Jungs, sie mögen 12 bis 14 Jahre alt sein und heißen Bojan, Timo und Kevin, wissen genau, dass sie kaum je die Grenzen ihres Problemviertels Gaarden verlassen werden. Aber sie wissen so viel von Leben & Überleben und liederlichen frühreifen Freuden, dass Kripoleute wie Borowski und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) nicht wie Kenner der Szene, sondern wie bürgerliche Touristen auf diesen Müllplatz unserer Wohlstandsgesellschaft hinabsteigen.

Kurzum, Borowskis Blick ist der des spießigen Tatortguckers. Das erleichtert die Wahrnehmung von Gaarden als Ausnahme. Von der Existenz solcher Viertel weiß die Tatort-Zuschauerschaft natürlich, aber so ganz allein, ohne Borowski und Brandt, würde sie sich nie in diese Gegend trauen.

Wie "Pferdeflüsterer" Monty Roberts

Trotzdem bleibt dies ein konservativer Tatort, die altbewährte Mischung aus Mord und Tätersuche, sozialem Elend und emotionalen Momenten sowie vielen, vielen Anleihen bei amerikanischen Filmen (Drehbuch Eva und Volker A. Zahn) und anderen Legenden. Einmal lässt sich Borowski mit den eingangs erwähnten Bürschchen auf einem Bolzplatz einschließen. So wie sich "Pferdeflüsterer" Monty Roberts mit Problempferden in einen vergitterten Käfig einschließen ließ. Bis die Pferde auf ihn zugingen und mit ihm zu kommunizieren anfingen. Auch die Jungs kommen endlich zu Borowski und werden ein klein wenig zahm.

Dem Kieler Tatort, der nie ein wirkliches Profil entwickelt hat, tut dieser Hauch von normalem Krimi sogar gut. Man hat viel experimentiert in den vergangenen Jahren, hat Henning Mankell höchstselbst zwei Drehbücher schreiben lassen –, ohne dass aus Borowski ein neuer Wallander geworden wäre.

Man hat den Kommissar im Anzug durchs finnische Unterholz tapsen lassen –, ohne dass sich der für andere Kommissare übliche Popularitätsschub eingestellt hätte.

Mehrmals durfte sich Borowski in dänische oder schwedische Kolleginnen vergucken, aber am Ende stieg er doch nur mit seiner psychologischen Begleiterin Frieda Jung (Maren Eggert) ins Bett, was in öffentlich-rechtlicher Verklemmtheit vorgeführt wurde.

Hohes Maß an Unwahrscheinlichkeit

Der Berliner Autor Sascha Arango schrieb zwei (von der Kritik gelobte) Fälle, die durch ihr hohes Maß an Unwahrscheinlichkeit bestechen und eigentlich in das Genre Fantasyfilm gehören: Ein Paketzusteller als verbrecherisches Superhirn mit elaborierten technischen Fähigkeiten ("Borowski und der stille Gast") sowie eine aufstrebende Krankenschwester, die sich mithilfe eines perfekt organisierten Unfalls in bessere Kreise einschleicht ("Borowski und der Engel").

Zur Profilschärfung Borowskis taugten beide Fälle nicht; er blieb neben den Tätern blass.

Zuletzt stolperte er, ratlos und fremdelnd, durch einen Fall von allgemeiner Crystal-Meth-Verseuchung. In Erinnerung bleibt einzig die Leistung von Elisa Schlott, die Milberg und Kekilli an die Wand spielte.

Für die Computerrecherche und zum Anschnauzen da

Unter Borowskis wechselnden Kripokollegen scheint die Kommissaranwärterin Brandt die am wenigsten ausgearbeitete zu sein. Sie begann als Zeugin in einem minderschweren Fall, hatte dann, plötzlich zur Polizei gewechselt, Probleme mit einer epileptischen Erkrankung und ist seither vor allem für die Computerrecherche und zum Anschnauzen da.

Diesmal immerhin gelangt sie dank emotionaler Vorgehensweise genauso rasch ans Ziel wie Borowski selbst, der ihre Art zu ermitteln trotzdem nicht gutheißen mag. Borowski bleibt ein Stiesel, ein bisschen ungehobelt, ein bisschen hilflos, dann wieder allzu sehr von oben herab. "Sie mit ihrer Scheiß-Arroganz!", schnauzt ihn der Kollege Rausch von der Schutzpolizei an. 

Es fehlt das schlüssige Konzept für Axel Milberg, für Sibel Kekilli, für den Kieler Tatort. Demnächst kommt wieder ein Borowski aus der Feder von Sascha Arango, die Fortsetzung der Geschichte vom talentierten "stillen Gast". Mit Wundern muss gerechnet werden.

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