1939 musste die damals 12-jährige Angelika Schrobsdorff mit ihrer jüdischen Mutter vor den Nazis aus Berlin nach Bulgarien fliehen. 1947 kehrte sie nach Berlin zurück. Nach ihrer Heirat mit Claude Lanzmann, dessen "Shoah-Dokumentation" zur bedeutendsten filmischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust wurde, lebte sie in Paris und beschloß 1983, nach Israel überzusiedeln. Aber es dauerte lange, bis sie dort ankam - zwischen den Fronten der Israelis und der Palästinenser. Wieder stand sie mit ihrer ganzen Person im Prozess der Verständigung. Nach Jahren der Flucht und inneren Heimatlosigkeit ließ sich Schrobsdorff 1983 in Israel nieder. Doch auch in Jerusalem hielt es die Bestsellerautorin ("Wenn ich dich je vergesse, oh Jerusalem") nicht bis zum Ende ihrer Tage aus, heute lebt Schrobsdorff wieder in Berlin...
Über fünf Jahre arbeitete der bulgarische Dokumentarfilmer Christo Bakalski an dieser ganz privaten Geschichte der Familie Schrobsdorff, die exemplarisch für die Entwicklung und den Zustand der Gesellschaft steht, in der sie stattfand und stattfindet. Die zurückhaltende Aufmerksamkeit des Fragenden, der seinen Protagonisten nie zu nahe tritt, und die diskrete Kameraführung erlauben einen Blick in die innere und äußere Problematik einer Familie, die alles Vertraute und Gewohnte hinter sich lassen musste, um das nackte Leben zu retten. Der Film führt einmal mehr vor Augen, wie tief die Begebenheiten der großen Geschichte in das Leben des Einzelnen eingreifen und wie lange die Erschütterungen nachwirken. Behandelt wird auch eine Seite des Verhältnisses zwischen den beiden Völkern, die hierzulande nahezu in Vergessenheit geraten ist. Bulgarien, obwohl im Zweiten Weltkrieg lange auf der Seite Deutschlands, hat sich der Deportation und Ermordung seiner jüdischen Bürger widersetzt. Dass es auch Verfolgten von außen Zuflucht bot, erfahren wir durch die Erzählungen der Protagonisten. Und ganz nebenbei bringt der Film dem Zuschauer ein Land näher, das seit kurzem Mitglied der EU, vielen aber nur von den Urlaubsorten an der Schwarzmeerküste bekannt ist.
Foto: Freunde d. dt. Kinemathek