Nackt-Dating bei RTL

"Adam sucht Eva": Die Vertreibung aus dem Paradies

29.07.2015, 07.45 Uhr
von Jörg Isringhaus
"Adam sucht Eva" setzt perfide auf den FKK-Effekt.
"Adam sucht Eva" setzt perfide auf den FKK-Effekt.  Fotoquelle: RTL

In der RTL-Show "Adam sucht Eva" flirten Nackte auf einer Insel. Wie man per Fernbedienung zufällig ins Grauen gerät.

Es gibt Momente, da ist das Privatfernsehen ganz bei sich, nackt sozusagen. Immer dann, wenn eine Show nicht mehr sein will als sie ist, nämlich ein unmoralisches Angebot an die niedrigsten Instinkte, frei von jeglichem intellektuellem Überbau. "Tutti frutti" war so eine Geschichte, "Big Brother" sicher auch, und jetzt ist es "Adam sucht Eva". Entblößte Menschen starren sich auf einer Insel gegenseitig auf die Genitalien, sprechen über wenig anderes und wählen am Ende den Partner, dessen Vorzüge ins Auge stechen.

Der Zuschauer, dem das gefällt, bekommt genau das, was er erwartet, ein fairer Deal also. Heikel wird es nur, wenn er es nicht erwartet. Wenn er beim Zappen durch die Kanäle vom "Quiz der Tiere" oder dem Magazin "Kontrovers" zufällig zu "Adam sucht Eva" gerät. Und flugs in einen Spanner verwandelt wird.

Ist es doch schwierig bis unmöglich, sich der Faszination des Grauens zu entziehen, diesem dummdreisten Angriff auf den gesunden Menschenverstand. "Adam sucht Eva" setzt perfide auf den FKK-Effekt - wer jemals über einen Strand mit Nackten gelaufen ist und versucht hat, nicht auf Körperlichkeiten zu achten, weiß, wovon die Rede ist. Die Show zwingt, wenn man die Kraft zum Wegschalten nicht aufgebracht hat, zum (temporären) Hingucken, und allein das wäre schon grausam genug.

In der US-Version wird übrigens jedes Geschlechtsmerkmal gepixelt, was dem Wahnsinn noch eine groteskere Note verleiht. Leider aber sprechen die Nackten auch und sagen Sätze wie: "Wir sind normalerweise nackt, wenn wir nicht Kleidung tragen."

Derart philosophische Anwandlungen mögen das RTL-Stammpublikum verschrecken, irritieren aber den unvorbelasteten Besucher: Sind dort vielleicht doch Meta-Ebenen eingezogen? Soll hier vielleicht nicht nur die Kandidatenschar, sondern auch die Show entblößt werden, etwa als realistische Persiflage in Olli-Dittrich-Manier? So bleibt man dran und stellt bald fest: Nein, die Dialoge sind zwar geschrieben, aber ernst gemeint. Also ernst im Sinne von lustig. Er sagt: "Da kann man eigentlich gleich sehen, was man hat." Sie sagt: "Wenn Sexysein ein Verbrechen ist, dann bin ich schuldig." Selten so gelacht. Adam und Eva im Paradies, und sie reden Bullshit. Da möchte man sofort den Programmpunkt Vertreibung vorziehen - wenn die wahren Schlangen nicht im Off sitzen würden.

Denn von dort wird so schmierig-schmuddelig kommentiert, dass der Finger auf der Fernbedienung zwar zuckt, aber nicht zudrückt. "Ist die wahre Liebe entflammt - oder ist es doch nur ein Sonnenbrand?" flötet eine Stimme, oder, nach einer etwas fummeligen Nacht: "Guten Morgen im Paradies, wo man von Vögeln geweckt wird!" Das schlägt dann doch kurzzeitig auf den Atem, nebenbei lernt man Synonyme für weibliche und männliche Geschlechtsorgane, die man niemals wissen wollte. Weil man sie nie mehr vergessen kann.

Am Ende klebt einem der Überdruss über diese Art Fernsehen wie Sand auf schweißnasser Haut - schwer wieder loszuwerden. Natürlich ist das letztendlich harmlos, aber eben auch unterirdisch doof. Es zeigt, wie wenig es braucht, um Aufmerksamkeit zu heischen. Ein Trüppchen Nackte, ein bisschen Sex, ein paar schlüpfrige Witze. In dieser Hinsicht hat sich das Privatfernsehen in den vergangenen 30 Jahren kaum entwickelt, es setzt immer noch auf die alten Rezepte. Anspruch, Substanz, Qualität, alles versenkt im Ozean der Belanglosigkeit. "Adam sucht Eva" zu sehen, und vielleicht starrt man deshalb so fasziniert wie abgestoßen hin, das ist so etwas wie die neuerliche Vertreibung aus dem TV-Paradies.

In Kooperation mit RP ONLINE.

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