"Professor T."-Darsteller Matschke im Interview

"Ich finde alles sexy – das ist mein Problem"

05.05.2020, 09.28 Uhr
von Marcus Italiani
Matthias Matschke spielt in der gleichnamigen ZDF-Serie "Professor T.".
Matthias Matschke spielt in der gleichnamigen ZDF-Serie "Professor T.".  Fotoquelle: Willi Weber / ZDF

Fast geschafft: Ab dem 15. Mai läuft die finale Staffel von "Professor T." im ZDF an. Warum jemand wie der ebenso kauzige wie geniale Kriminalist eigentlich viel öfter ins deutsche Fernsehen gehört, besprachen wir mit Hauptdarsteller Matthias Matschke im Homeoffice.

Herr Matschke, wie fühlt sich ein Schauspieler, der auf Heimarbeit reduziert wird?

Ich habe das Glück, oftmals in die Entstehungsarbeiten von Filmproduktionen eingebunden zu sein. Entweder ich denke mir selbst etwas aus oder arbeite mit dem Team daran, Szenen zu redigieren oder Ähnliches. Ich bin das Homeoffice also gewohnt. Recherche ist ein großer Teil der Arbeit eines Schauspielers – da sind wir Schauspieler den Journalisten ziemlich ähnlich.

Welche Folgen hat der aktuelle Zustand auf Ihre weiteren Planungen?

Ich habe fest damit gerechnet, im nächsten halben Jahr Geld zu verdienen, doch nach allem, was ich aktuell weiß, wird daraus wohl nichts, solange meine Projekte abgesagt oder ins Ungewisse verschoben werden. Damit bin ich in Deutschland derzeit einer von fast allen.

Keinen Aufschub erhielt hingegen das "Professor-T."-Finale. Warum sollte eine Serie auf absehbare Zeit enden?

Jede gute Geschichte – außer die "Unendliche Geschichte" – sollte ein Ende haben. Das gehört dazu. Drehbuchautor Thomas Jahn, die Redaktion und ich waren uns alle von Beginn an einig, das Ganze auf ein Finale zuzuführen. Also haben wir früh einen Handlungsbogen entworfen, wussten aber nicht genau, wie wir vom Anfang zum Ende gelangen. Es gibt halt immer wieder Veränderungen in der Geschichte. Dass beispielsweise Frauen im Leben von "Professor T." so eine wichtige Rolle einnehmen würden, war anfangs nicht klar. Zudem wollten wir herausarbeiten, was T. ausmacht, woher seine Dämonen kommen. Ursprünglich haben wir uns sehr am belgischen Original der Serie orientiert, dann aber schrittweise ein Eigenleben entwickelt. Dafür dann den richtigen Abschluss zu finden, war ausgesprochen spannend.

In "Professor T." ist manches anders als in anderen Krimi-Serien. Hauptfiguren sterben, die Charaktere nehmen seltsame Wendungen. Ist dieses "unzuverlässige Erzählen" mittlerweile ein Muss, um Aufmerksamkeit zu erregen?

Gute Frage. Für mich als Theaterschauspieler ist es nur folgerichtig, die Figuren der absoluten Gefahr auszusetzen. Die Erzählung ist eben genauso unzuverlässig wie das Leben selbst. Es ist in dieser Serie nicht so, dass man als Zuschauer sagt: Professor T., der Bruder von Derrick, löst mal eben den Fall und dann kann der Freitagabend kommen. Das wäre mir zu wenig. Wir wollten von Beginn an, dass alle Figuren sich jeder möglichen Gefährdung aussetzen. Man muss in einem solchen Format ungewöhnliche Themen ansprechen und ungewöhnliche Wege gehen, damit man verschiedene Zuschauergruppen erreicht. Ich höre immer wieder, dass sich zwei Generationen vor dem Bildschirm versammeln, um die Serie zu schauen. Die tollen Zugriffszahlen in der Mediathek zeigen: "Professor T." interessiert Ältere wie Jüngere. Das ist eine der schönsten Seiten daran.

Welche schauspielerische Herausforderung war die Figur des Professors Jasper Thalheim?

Es gibt ja die Vorlage aus Belgien. Ich habe mir zwei Folgen als informatives Treffen zwischen der Figur und mir angeschaut und zudem auch den belgischen "Professor T."-Darsteller Koen De Bouw getroffen. Ein super Typ. Das hat mich sehr beruhigt und große Freude auf die Figur in mir geweckt. Jasper Thalheim hat große Angst vor Ansteckungen. Er sieht alle Menschen als Virenherde, denen er entgehen muss. Warum ist das so? Ein Schlüssel, um dieser Frage auf den Grund zu gehen, war die Arroganz des Professors, die ja entweder ein Zeichen für Narzissmus oder eine tiefliegende Unsicherheit ist. Das hat mich an der Figur fasziniert. Warum macht er das? Das wollte ich herausfinden.

In der neuen Staffel erfährt der Zuschauer passend dazu viele Dinge aus dem Privatleben des Professors. Was ändert sich dadurch in der Art, wie Sie den Charakter verkörpern?

Die Nähe zu einer Figur zuzulassen, die eigentlich in Granit gehämmert wurde, ist das Herausfordernde an der Umsetzung der Rolle. Denn die harte Schale weicht stückweise auf. Als Stichpunkte fallen mir hier die Beziehungen zu Thalheims Kollegen Daniel Winter oder zu seiner Mutter ein. Aber ich wusste ja von vornherein, wohin die Reise geht. Wir haben das portionsweise Zulassen von Nähe von Beginn an provoziert. Somit konnte ich mich auch vorbereiten und mit der Figur entwickeln.

Gibt es Seiten an Jasper Thalheim, die so nicht im Drehbuch standen und die die Figur Ihnen zu verdanken hat?

Alles, was im Drehbuch stand, hat auch so stattgefunden, weil ich das große Privileg hatte, bei der Entwicklung der Bücher dabei zu sein. Zwischendurch denkt man immer mal, dass die Szene nicht vorankommt oder spricht den für Schauspieler verbotenen Satz aus "Das würde meine Figur nie machen". Aber dann schaltet sich der Verstand ein, und letztlich ist alles das, was man sieht, genau das, was ich auch machen wollte.

Die Mischung aus "Monk", "Mentalist" und "The Good Doctor" wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Mittlerweile sind gerade Sendungen über Soziopathen absolute Publikumsrenner. Was steckt dahinter?

Ich glaube, dass diese Figuren etwas für uns alle tun. Sie sagen oder tun Dinge, die man sich normalerweise nicht trauen würde, weil man ein wohlerzogener Mensch ist – und dagegen ist ja auch nichts zu sagen. Aber dieses wirkliche Fokussieren auf etwas – die Entscheidung, im richtigen Moment gegen Konventionen zu handeln und damit das Richtige zu tun, auch wenn es Leute vor den Kopf stößt: Das ist eine große Genugtuung für jeden von uns. Und das ist eben der Mechanismus, der solche Figuren sympathisch werden lässt.

Die Serie ist in ihrem Ursprungsland Belgien preisgekrönt und wird in vielen anderen Ländern adaptiert. Verändert sie das TV-Format in Deutschland?

Ich bin wirklich zu nah dran, um das zu entscheiden. Aber das war schon unsere Intention, denn wir wollten wirklich etwas anderes mit der Figur und der Erzählstruktur tun. Je mehr man sich traut, solche Figuren als Gedankenspiele zu akzeptieren, desto mehr öffnet sich auch die Gesellschaft.

Sie sind dem deutschen TV-Publikum vor allem als Vertreter des eher satirischen Schauspiels bekannt. Wo sehen Sie sich und warum?

Ich finde alles sexy – das ist mein Problem. Die Möglichkeit, sich an allem zu erfreuen, ist doch super. Ich habe schon viel Mist gemacht. Und zwar in allen Richtungen. Das gehört aber zum Job. Ich bin Komiker und Schauspieler in einem. Ich könnte gar nicht anders.

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