ARD-Krimi

"Tatort: Ein mörderisches Märchen" – zwischen Grimm und Hitchcock

von Eric Leimann

Der Münchner "Tatort: Ein mörderisches Märchen" war 2002 für den Grimmepreis nominiert. In dem düsteren Thriller tötet ein tief traumatisierter Märchenonkel. Die ARD zeigt während der Sommerpause am Freitagabend ausgewählte Klassiker der "Tatort"-Geschichte.

ARD
Tatort: Ein mörderisches Märchen
Kriminalfilm • 26.06.2020 • 22:15 Uhr

Neben Wunsch-"Tatorten", die während der Sommerpause 2020 für den Primetime-Sendeplatz sonntags, um 20.15 Uhr, von den Zuschauern selbst ausgesucht werden (alle Infos dazu hier), zeigt das Erste im Rahmen des 50. Geburtstags der Krimireihe ab diesem Freitag auch eine redaktionelle Auswahl besonderer Folgen. Den Auftakt macht ein Film der Münchner Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl), die in einer frühen Szene noch mit "junger Mann" angesprochen werden. Das bisweilen expressionistische Gruselstück "Ein mörderisches Märchen" war 2002 für einen Grimmepreis nominiert. Es zeigt den großen, 2016 verstorbenen DDR-Schauspieler Hilmar Thate als getriebenen, tief traumatisierten Märchenmörder.

Tatsächlich ist er ziemlich düster, dieser "Tatort" von Manuel Siebenmann (Buch: Daniel Martin Eckhart), der in der Nachbarschaft von Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) beginnt. Hier lebt der geheimnisvolle Schreiner Gruber (Thate), der die Kinder im Viertel gerne mit Märchen unterhält. Furchteinflößend sehen schon die ersten Aufnahmen in dessen Holzpuppen-Werkstatt aus. Kurz darauf ist derselbe Mann zu sehen, wie er einen Postbeamten erschlägt, weil dieser ihm ein Paket nach Dienstschluss nicht mehr aushändigen will – so scheint es wenigstens. Eine Frau wird zusehen, wie Gruber eine sargähnliche Holzkiste im Park verscharrt. Komischerweise an einem Ort, an dem man ihn gut beobachten kann. Kurze Zeit später wird das kleine Nachbarsmädchen Anna entführt. Märchenonkel Gruber steht zu einem sehr frühen Zeitpunkt als Täter fest – was 2001 im "Tatort" noch durchaus unüblich war. Dennoch bleiben Fragen offen, die die Spannung bis zum Schluss hochhalten.

Mit Zitaten aus Grimms Märchen scheint Gruber die Kommissare Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl) zur entführten Anna führen zu wollen. Mal böse-dämonisch, mal hilflos und ängstlich sitzt der offensichtlich kranke Mann in seiner Zelle. Für die Münchner Polizisten gilt es, der Vergangenheit ins Gesicht zu sehen, genauso wie für Ludwig Gruber selbst. Daraus ergibt sich ein psychoanalytisches Spannungsstück, das seine besondere Atmosphäre auch aus dem großartig krautrockigen Sounddesign und dem verstörenden Score des Komponisten Andreas Hoge (früher Gitarrist bei der DDR-Rockband Joker und beim Rock´n Roll Orchester Magdeburg) bezieht. Regisseur Manuel Siebenmann entführt die Zuschauer mit diesem knapp 20 Jahre alten "Tatort" in eine andere Welt und spielt nicht nur mit gruseligen Märchenmotiven, sondern auch Elementen der psychoanalytischen Filme Alfred Hitchcocks wie "Spellbound" mit Ingrid Bergmann. Da passt es, dass Siebenmann 2011 tatsächlich ein Grimmsches Märchen, "Der Eisenhans", fürs ZDF verfilmte. Ein Werk, aus dem in diesem "Tatort" übrigens zitiert wird.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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