ARD-Film

"Weil du mir gehörst": Rache auf Kosten des eigenen Kindes

von Wilfried Geldner

Weil ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hat, ist Julia tief verletzt. Im Sorgerechtsstreit um die gemeinsame Tochter greift sie zu allen Mitteln der psychologischen Kriegsführung.

ARD
Weil du mir gehörst
Drama • 12.02.2020 • 20:15 Uhr

Selten hat man einen härteren Einstieg in einen psychologischen Film gesehen als in Alexander Dierbachs ARD-Drama "Weil du mir gehörst": "Anni, wie ist dein Verhältnis zu deinem Vater?", fragt da ein Richter ein achtjähriges Kind. Anni antwortet darauf mit versteinerter Mine: "Nicht gut. Ich hab' Angst vor ihm", sagt sie und fügt hinzu, dass der Papa jähzornig und egoistisch sei, "das weiß ich genau." Als sei das alles noch nicht genug, fügt Klein-Anni auch noch hinzu: "Er schlägt die Mama, und mich auch."

Anni ist gebrieft, daran kann für den Zuschauer schon jetzt kein Zweifel bestehen, hier ist eine Instrumentalisierung im Gang, Anni ist eine Puppe an der Strippe ihrer Mutter. Man bekommt das später fortwährend bestätigt. Julia und Tom, gespielt von Julia Koschitz und Felix Klare, sind geschieden, Julia bekam das Sorgerecht, der Vater darf die Tochter zweimal im Monat sehen. Doch Julia kommt nicht darüber hinweg, dass Tom sie wegen einer anderen, wegen Jenny (Marie Collet) verließ. Und nun setzt sie alles daran, Tom aus Rache die Tochter wegzunehmen, sie ihm, wie es wohl im Psychologendeutsch heißt, zu entfremden.

Dass der an sich tiefschürfende Film so klar und eindeutig beginnt, darf als Fehler gewertet werden. Es gibt nämlich nach dem Insert "Ein Jahr zuvor" nur kurze Zeit ein paar glückliche Momente zwischen Vater und Töchterchen, siehe Faxen beim Selfie, ein Zoobesuch. Aber schon ist die Mutter am Telefon, hintertreibt die Wochenendbegegnung. Und, wehe, der Vater kommt ein paar Minuten zu spät zum Abholtermin. Dann brennt die Hütte, dann wird er madig gemacht: Er denkt nicht an dich, er hat anderes zu tun, sagt Julia zur Tochter. Die Eltern der Mutter tun ein Übriges, indem sie Anni die ersehnte Reitstunde schenken. Zahlreich Anrufe Annis beim Vater landen auf einer Mailbox, die Julia verwaltet, sie laufen damit ins Leere.

Die Rollen sind klar verteilt

Ach, das waren noch Zeiten, als es zwischen "Kramer und Kramer" zum Rosenkrieg kam und zum Mitleid weckenden Kampf ums Kind. Hier sprechen bald nur noch die Rechtsanwälte, die Gutachter und die Richter. Das Drehbuch (Katrin Bühlig) lässt keinen Spielraum für Annäherungen oder Versöhnung. Zunächst recht kalt, dann aber immer ergreifender lässt die Regie von Alexander Dierbach die Darsteller agieren. Das Problem sind die von Anfang an geklärten Fronten. Dabei mag stimmen, dass der Entfremdungseffekt vor Gericht kaum richtig gewürdigt wird und auch in Fernsehfilmen noch kaum zur Sprache kam. Doch die einseitige Manipulation eines Kindes reicht eben nicht für ein ergreifendes Drama, sie ist allenfalls Stoff für ein szenisches Pamphlet.

So bleiben denn die Klasseschauspieler Julia Koschitz und Felix Klare ganz ungewohnt in Verhaltensmustern hängen: hier die intrigante Rächerin im Stil einer modernen psychologisch mordenden Medea, dort der gute Papa, der sich ob der juristischen Winkelzüge und der scheinbar unumstößlichen Sorgerechtsgesetze nicht zu helfen weiß, dem allenfalls der Status eines erbärmlichen Rumpelstilzchens bleibt. Geradezu beängstigend zieht Julia Koschitz die Rolle der Bösewichtin durch, während Felix Klare den Verzweifelten gibt: "Ich bin nur noch Geldgeber, kein Vater", stellt Tom irgendwann unter Tränen fest. Wirklich Mitleid bekommt man indessen mit Lisa Marie Trense als zwischen den wütenden Erwachsenen erstaunlich professionell agierendem Scheidungskind. Es greift ans Herz, wie sie ihren Kindergeburtstag ohne Papa feiert.

Katrin Bühlig, die Drehbuchautorin, berichtet, sie habe die Geschichte anfänglich nur aus der Sicht des Kindes erzählen wollen. Der Gedanke wirkt äußerst einsichtig. Schade, dass die Umsetzung nicht möglich erschien, weil – Zitat – so "die ganzen juristischen Auseinandersetzungen der Eltern und die daran gut verdienende Scheidungsindustrie" weggefallen wäre. Die kindliche Perspektive hätte sicher für mehr Empathie gesorgt. So aber werden einem die zwielichtigen, am Gesetz orientierten Verhaltensmaßregeln und die schlauen Richtersprüche auf Dauer etwas zu viel. Dennoch ist "Weil du mir gehörst " ein wichtiger und aufrüttelnder Beitrag darüber, was Erwachsene sich – und vor allem ihren Kindern – antun können, wenn sie von ihren Gefühlen aus der Bahn geworfen werden. Das Phänomen einer Eltern-Kind-Entfremdung ("Parental Alienation Syndrom", PAS) nach einer Scheidung wird niemand, der diesen Film gesehen hat, mehr unterschätzen.

Weil du mir gehörst – Mi. 12.02. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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