Hollywood-Legenden vor der Kamera und auf dem Regiestuhl

Filmkritik zu „Killers of the Flower Moon“: Lohnt sich der neue Streifen von Martin Scorsese?

24.10.2023, 11.31 Uhr
von Gregor-José Moser
Kann das legendäre Hollywood-Duo erneut überzeugen?
Kann das legendäre Hollywood-Duo erneut überzeugen?  Fotoquelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Alexandra Fechete

Die Zahl 13 gilt in vielen Kulturen als Unglückszahl – mit Blick auf ein legendäres Regisseur-Schauspieler-Duo werden Filmfans jedoch bestimmt beide Augen zudrücken: Martin Scorsese und Robert De Niro. Der Genremix „The Killers of the Flower Moon“ ist nämlich bereits die dreizehnte Zusammenarbeit zwischen Regiegigant Scorsese und Schauspielgröße De Niro. Nach gefeierten Klassikern wie „Taxi Driver“ (1976), „GoodFellas“ (1990) oder auch „Casino“ (1995) wagt sich das Duo mit ihrer neuesten Kollaboration an ein äußert sensibles Kapitel der US-amerikanischen Geschichte. Ob das gelungen ist?

„Schwarzes Gold“ – Vom großen Ölrausch zu Vertreibung und Mord

Oklahoma, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die nordamerikanischen Ureinwohner der Osage Nation werden über Nacht vom Reichtum überschwemmt. Zahlreiche Funde von Erdölvorkommen macht das indigene Volk zu einem der wohlhabendsten der Welt. Der scheinbare Segen entpuppt sich jedoch rasch als Fluch, zieht er doch allerlei weiße Eindringlinge an, die sich an dem plötzlichen Reichtum selbst bereichern wollen. Zu diesem Zweck greifen sie auf Erpressung, Diebstahl und letztendlich auch Mord zurück. Über die sogenannten Osage-Morde hat der Journalist und Autor David Grann 2017 den Bestseller „Das Verbrechen – Killers of the Flower Moon“ veröffentlicht. Der wiederrum diente als Grundlage für das Drehbuch zu „Killers of the Flower Moon“. Rausgekommen ist dabei ein Mix aus Drama, Krimi und Historienfilm, der unverkennbar Scorseses Handschrift trägt.

Fesselnde Überlänge hat einen Namen – „The Killers of the Flower Moon“

Wer ein Fan von Martin Scorsese ist, der weiß auch um die oft langen Laufzeiten seiner Filme. „The Killers of the Flower Moon“ bildet da mit stattlichen 207 Minuten (drei Stunden und 27 Minuten) keine Ausnahme. Dabei ist die lange Laufzeit definitiv spürbar, wozu auch die Komplexität der Handlung beiträgt. Zwar gibt es einen klar erkennbaren roten Faden, hier und da schweift Scorsese jedoch ab und verliert den Fokus. Diverse kleinere Figuren, die nur eine kleinere Funktion für den Plot erfüllen, verlangen den Zuschauenden im Zusammenspiel mit der Laufzeit jede Menge Konzentration ab. Nicht zuletzt deswegen ist „Killers of the Flower Moon“ durch und durch ein Film, auf den man sich einlassen und für den man Zeit und Nerven mitbringen muss. Am besten gelingt das im Kino – gut abgeschirmt von den Ablenkungen in den eigenen vier Wänden.

Trotz der beachtlichen Laufzeit gelingt es Scorsese über weite Strecken sein Publikum in den Bann zu ziehen und lässt dabei nur selten nach. Einen unverkennbar großen Anteil daran hat der bombastisch aufspielende Cast um das Trio Lily Gladstone, Leonardo DiCaprio – den Scorsese damit auch schon zum achten Mal mit ins Boot geholt hat - und eben Robert De Niro. Lily Gladstone, die selbst indigene Wurzeln hat, schlüpft in die Rolle der Osage-Angehörigen Mollie. Dabei deckt sie schauspielerisch eine große Bandbreite ab: Mal ist sie stolz und stark, mal fröhlich und mal von einer ohnmächtigen Trauer erfüllt, die sie innerlich zu zerreißen droht. All diese Facetten verkörpert Lily Gladstone mehr als überzeugend.

Ein Cast, der keine Wünsche offenlässt

Auch ihre männlichen Kollegen DiCaprio und De Niro beweisen einmal mehr, warum sie zu den ganz Großen in Hollywood gehören. DiCaprio spielt Ernest Burkhart, der aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrt und fortan in Osage County für seinen Onkel William Hale (Robert De Niro) arbeitet. Dabei lernt er auch Mollie kennen, zu der er sich schon bald hingezogen fühlt. Auch DiCaprio und De Niro verleihen ihren Figuren eine überzeugende Ambivalenz: Ernst ist ein wenig dümmlich, besessen von Geld und davon, seinem erfolgreichen und beliebten Onkel zu gefallen, für den er so ziemlich alles tun würde. Gleichzeitig verehrt er auch Mollie über alles.

Währenddessen spielt De Niro den Onkel und Geschäftsmann William Hale, der nach außen hin charismatisch und selbstlos auftritt, insgeheim, aber ausschließlich an seinen eigenen Zielen arbeitet und dabei keine Skrupel kennt. Wenn eine oder mehrere dieser drei Figuren auf der Leinwand zu sehen sind, will man keine Sekunde davon verpassen. Es ist schlicht zu spannend zu beobachten, welche Entscheidungen sie an den unterschiedlichen Punkten der Handlung treffen. Dabei wird auch die ein oder andere Überraschung geboten.

Subtil statt mit dem Vorschlaghammer

Scorseses neuestes Werk punktet auch mit seiner Schonungslosigkeit, wenn es um die Ausbeutung, Täuschung und Ermordung der indigenen nordamerikanischen Bevölkerung geht. Man muss gar nicht mal so viele Jahre in die Vergangenheit zurückgehen, als das noch alles andere als selbstverständlich war. Dabei greifen Eric Roth und Martin Scorsese in ihrem Drehbuch glücklicherweise nicht zum Vorschlaghammer, um dem Publikum ihre Message einzuhämmern. Stattdessen gehen die Filmemacher deutlich subtiler vor und kritisieren unterschwellig, aber stetig. Auch auf technischer Ebene ist der Film sehr gelungen. Kameramann Rodrigo Prieto weiß mit beeindruckenden Landschafts-Panoramen zu beeindrucken und der Wildwest-Score des Rockmusikers Robbie Robertson liefert die passende musikalische Untermalung.

„The Killers of the Flower Moon“ ist ein Gangster-Historien-Epos mit Wildwest-Charme über unfassbare Verbrechen, Schuld und Sühne. Als dieser ist er vor allem allen eingefleischten Fans von Regie-Legende Martin Scorsese zu empfehlen. Aber auch all jenen, die sich für True Crime und Geschichte begeistern. Bei einem Blick auf die zahlreichen gemeinsamen Scorsese/De Niro- beziehungsweise Scorsese/DiCaprio- Projekte bleibt nur zu hoffen, dass „Killers of the Flower Moon“ noch nicht das Ende ist. Falls doch, so wäre es aber ein mehr als würdiges.

„The Killers of the Flower Moon“ startet am 19. Oktober 2023 in den deutschen Kinos.

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