Realfilm über die wohl berühmteste Puppe der Welt

Ein Meisterinnenwerk in rosarot – Filmkritik zu „Barbie“

19.07.2023, 10.43 Uhr
von Gregor-José Moser
Um Barbieland und sich selbst zu retten, reist Barbie (Margot Robbie) in "die echte Welt". Begleitet wird sie von Ken (Ryan Gosling).
Um Barbieland und sich selbst zu retten, reist Barbie (Margot Robbie) in "die echte Welt". Begleitet wird sie von Ken (Ryan Gosling).  Fotoquelle: 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Wegen diesem Film „ist der Welt das Pink ausgegangen“, scherzte die Produktionsdesignerin von „Barbie“, Sarah Greenwood, kürzlich in einem Interview. Ganz der Wahrheit entspricht dieser Satz zwar nicht, allerdings ist er auch nicht allzu weit von ihr entfernt. Der Farbhersteller Rosco, der das „Barbie“-Set mit der Farbe belieferte, klagte tatsächlich über eine Knappheit.

Dafür war dem Unternehmen zufolge aber nicht nur der Film verantwortlich, sondern auch Probleme mit den internationalen Lieferketten infolge der Coronapandemie sowie ein heftiger Frost in Texas. Der habe Grundstoffe zerstört, die für die Produktion der Farbe notwendig seien. Wer sich „Barbie“ ansieht, der merkt sofort, wohin die Farbe geflossen ist. Badeanzüge ebenso wie Alltagskleidung, Autos und natürlich die Barbie-Traumhäuser mitsamt Inneneinrichtung: Regisseurin Greta Gerwig („Lady Bird“ und „Little Women“) entführt ihr Publikum in eine Hochglanz-Welt, die in Rosarot und Pink zu ertrinken scheint – in das perfekt anmutende Barbieland.

„Barbie“: Feministisches Paradies trifft auf das Patriarchat der realen Welt

Im Barbieland ist für jede Barbie jeder einzelne Tag der schönste in ihrem Leben. Völlig unabhängig von Körperformen, Hautfarbe oder sonstigen Merkmalen – im Barbieland sind alle Frauen wunderschön. Und noch wichtiger: Sie können alles sein, was sie wollen: Präsidentin, Pilotin, Bauarbeiterin, Nobelpreisträgerin.

Nach einer kurzen Einführung in die Welt kommt die Handlung schnell zur Sache. Das Leben der „stereotypen“ Barbie (blond, schlank, lange Beine) gespielt von Margot Robbie gerät plötzlich ins Wanken. Ihr makelloser Körper beginnt sich zu verändern und anstatt anmutig vom Dach ihres Traumhauses in ihr Cabrio hinabzugleiten, stürzt sie unsanft hinunter. Schnell wird ihr klar: Die Ursache für das Problem liegt in der echten Welt und muss dort gelöst werden.

In der Realität angekommen wird Barbie mit den zahlreichen Unterschieden zum Barbieland konfrontiert. Frauen sind nicht nur nicht gleichberechtigt, sondern durch das Patriarchat Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt. Männer regieren die Welt, Frauen spielen meist nur eine Nebenrolle. Hier hätte das Drehbuch von Greta Gerwig und ihrem Partner Noah Baumbach vielleicht noch etwas mehr wagen und die Wirklichkeit, in der Frauen und Mädchen leben, in ihrer Schonungslosigkeit noch umfassender darstellen können. Die Ansätze in diese Richtung sind dennoch mehr als gelungen und ein Film hat schließlich nur eine begrenzte Laufzeit.

Gelungene Satire mit brillantem Schauspiel

Noch besser umgesetzt ist die Darstellung von toxischer Männlichkeit/traditionellen Vorstellungen davon, was „Männlichkeit“ bedeutet. „Barbie“ entpuppt sich hierbei als eine intelligente Parodie und Satire, die wegen ihres Witzes ebenso wie wegen ihres ernüchternden Wahrheitsgehalts eine enorme Wucht entwickelt. Das funktioniert nicht zuletzt wegen der Leistung der Darstellenden so grandios – allen voran Ryan Gosling mit seiner vielleicht besten Darbietung überhaupt. Er verkörpert Barbies Freund Ken, der sie in die echte Welt begleitet. Eine Reise, die beide auf unterschiedliche Weise beeinflusst. Auch Margot Robbie glänzt in ihrer Rolle. Ihre Figurenentwicklung ist dabei emotionaler und tiefsinniger. Für Greta Gerwigs Vision eines unterhaltsamen wie auch gesellschaftskritischen „Barbie“-Films sind Margot Robbie und Ryan Gosling wie geschaffen. Der Film hat ein hohes Erzähltempo und lässt einem nahezu keine Atempause. Das kann beim ersten Ansehen womöglich etwas überfordern, sorgt aber auch für ein sehr kurzweiliges Kinoerlebnis. Im Minutentakt wird ein starker Gag nach dem anderen abgefeuert. Nicht nur in Richtung des Patriarchats wird scharf und mit rosaroten Patronen geschossen, auch „Barbie“-Hersteller Mattel und der Filmverleiher Warner Bros. bekommen selbstironisch ihr Fett weg.

Ein Film für alle die Barbie lieben – und für die, die sie hassen

Die Erwartungen an „Barbie“ waren im Vorfeld gigantisch. Wer hätte geahnt, dass sich im Jahr 2023 ein Realfilm über die doch eigentlich aus der Zeit gefallene Barbie-Puppe zu dem vielleicht meisterwarteten Streifen des Jahres mausert. Und das trotz der Konkurrenz in Form von Blockbustern wie Christopher Nolans „Oppenheimer“, Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ oder Denis Villeneuves „Dune: Teil 2“.

Wird „Barbie“ den hohen Erwartungen also gerecht? Ja! Greta Gerwig, Co-Drehbuchautor Noah Baumbach, Cast sowie Crew von „Barbie“ haben einen quasi perfekten Film geschaffen. „Barbie“ ist von seiner grandiosen Anfangssequenz bis zum Ende witzig und kreativ, funktioniert aber auch in ruhigeren und tiefsinnigeren Momenten und hat gleich mehr als nur eine starke Message.

Kostüm- und Set-Design sind ein wahrer Augenschmaus, Schauspielerinnen und Schauspieler haben sichtlich Spaß und die Musical-Einlagen setzen dem Ganzen noch einmal die Krone auf. Im Trailer zum Film heißt es „Wenn du Barbie liebst, ist dieser Film für dich. Wenn du Barbie hasst, ist dieser Film für dich.“ Damit ist eigentlich alles gesagt.

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