Bei "Hart aber fair"

CDU-Politiker Mario Voigt erklärt Aufbackdöner zum Beispiel für "gelebte Integration"

03.04.2024, 08.13 Uhr
von Doris Neubauer

Was soll eine "deutsche Leitkultur" sein? Bratwurst und Aufbackdöner? Tut es Deutschland gut, konservativer zu werden? Über diese Fragen wurde in der ersten "Hart aber fair"-Ausgabe nach der Pause diskutiert. 

Interview mit Markus Söder

Einen Machtkampf mit Friedrich Merz um die Kanzlerkandidatur werde es nicht geben – so oft es Markus Söder im Interview in der Münchner Staatskanzlei betonte, Glauben schenkte ihm Louis Klamroth nicht. "Will er noch oder hat er den Kampf aufgegeben?", diese Frage richtete der Moderator im Anschluss an das Söder-Interview an die Gäste im "Hart aber fair"-Studio.

"Beides", antwortete Robin Alexander (stellvertretender Chefredakteur von "Welt" und "Welt am Sonntag"). "Sobald Merz einen schweren Fehler machen würde, wäre er da – in genau drei Sekunden." Das Gleiche gelte auch, wenn die CDU-Brandmauer im Osten anfangen würde einzureißen.

Dass der CDU-Bundesvorsitzende die Pole-Position innehätte, wunderte den Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer (SPD): Merz hätte nicht nur "so viel Regierungserfahrung wie ich, nämlich null". Er wäre aufgrund seines "extrem rückwärtsgewandten Konservatismus (...) unwählbar". Der Meinung wäre nicht nur er, sah er sich ausgerechnet durch die Alt-Bundeskanzlerin selbst bestätigt: Angela Merkel vermeide nicht umsonst "fast schon krampfhaft" Auftritte mit Merz. "Wenn Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union wird, wird Angela Merkel SPD wählen", wagte er eine kühne Prognose, die ihm Lacher aus dem Publikum einbrachten.

Debatten aus der Vergangenheit lässt CDU Neuaufleben

"Die Beschwörung funktioniere im JUSO-Basiscamp", fand Mario Voigt (CDU, Parteivorsitzender in Thüringen) das hingegen nicht witzig. Die CDU sei "die einzige bürgerlich-konservative Partei in Europa mit 30 Prozent". Darin sah der Ministerpräsidenten-Kandidat den Beweis: "Die CDU ist zurück."

Klamroth war anderer Ansicht: "Die CDU ringt um eine eigene Position beim Islam", lenkte er auf ein kontroverses Thema. Die Passage "Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland" im geplanten CDU-Grundsatzprogramm hatte zuletzt für Debatten gesorgt. Mittlerweile wurde die Stelle abgeändert: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland", heißt es nun im Grundsatzprogramm, über das am CDU-Parteitag vom 6. bis 8. Mai abgestimmt wird.

"Mich erinnert das an ewig gestrige Debatten, die wir schon 20 Jahre lang geführt haben", kritisierte Khola Maryam Hübsch (Journalistin und Publizistin). Sie würden Muslime zum Hals raushängen. Nur "0.5 Prozent der 6 Prozent Muslime gelten als islamistische Gefährder", warnte sie vor einer Verallgemeinerung und Ausgrenzung derjenigen, die sich im Islam für Frieden einsetzen.

"Mit solchen Thesen tun Sie sich keinen Gefallen", verwies Sahra Wagenknecht auf das Problem der gescheiterten Integration. Die BSW-Vorsitzende zitierte das Ergebnis einer Umfrage des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen unter 300 muslimischen Jugendlichen, nach der zwei Drittel den Koran wichtiger empfänden als das Bundesgesetzbuch. "Wen lieben Sie mehr: Ihre Mutter oder die Bundeskanzlerin?", nahm Hübsch in der Fragestellung die illegitime Vermischung unterschiedlicher Ebenen wahr.

Das Triggerwort "Leitkultur"

Auch Juso-Chef Türmer betonte, dass Integration auf breiter Linie gelinge und mahnte, durch solche Aussagen "islamistischen Menschenfängern arme junge Muslime in die Arme zu treiben". Enissa Amani (Künstlerin und Aktivistin) wiederum fühlte sich von der Diskussion getriggert: "Ich wünsche mir, dass wir mit gleicher Effektivität darüber sprechen, dass Milliardäre mit zwei Prozent Steuern davonkommen."

"Heute sprechen wir über etwas anderes", musste sie Klamroth enttäuschen. "Leitkultur, was soll das sein?", nannte er ein weiteres Triggerwort aus dem Grundprogramm. Voigt wollte sie als "Einladung für diejenigen, die nach Deutschland kommen", verstanden wissen. Als Maßstab für Kultur, Werte, Prinzipien und Bräuche. "Welche Bräuche muss ich kennen?", hakte Klamroth nach. Voigt zählte etwa das Beherrschen der Nationalhymne auf. Dazu gäbe es länderspezifische Brauchtümer wie die Thüringer Bratwurst, erklärte der CDU-Spitzenkandidat.

Bräuchtümer könnten sich zudem erweitern. So wäre der Döner zum Aufbacken, den ein Thüringer Türke entwickelt hatte, Beispiel für "gelebte Integration." Das wollte der JUSO-Vorsitzende nicht unkommentiert lassen: "Sie wurden gefragt, 'Was stellen Sie sich unter Leitkultur vor?' – da kam Bratwurst und Aufbackdöner. Das ist intellektueller Tiefflug", warf er der CDU vor, keine Antworten auf die wirklichen Probleme der Menschen zu haben. "Als Ablenkungen führen sie rechte Kulturkämpfe, die ins Nichts führen", kritisierte er. "Die Idee, dass (Leitkultur) etwas AfD-mäßiges wäre, ist Quatsch", widersprach Robin Alexander.

Wagenknecht empört sich über Klamroth: "Ich finde es unmöglich"

Einigkeit herrschte hingegen darin, dass die CDU als Brandmauer gegen die AfD stehen müsste. "Gerade in Thüringen" hätte Türmer darin "jedoch begründete Zweifel". Er hatte Beispiele gesammelt, wo die CDU in den letzten Jahren mit der AfD im Landtag kooperiert hätte. "Nirgendwo", negierte das Voigt. Bevor die Liste durchgegangen werden konnte, brachte Klamroth Sahra Wagenknecht ins Spiel. Im Interview mit Markus Söder hatte der eine Zusammenarbeit mit BSW für möglich gehalten. "Wagenknecht ist nach jetzigem Stand nicht die AfD", meinte Söder. Entscheiden müsse das aber die Bundesspitze.

Auch die BSW-Vorsitzende wird ein Wort mitzureden haben. Als Klamroth von ihr wissen wollte, ob sie einen Ministerpräsidenten Voigt oder Hoecke unterstützen würde, konnte sie damit wenig anfangen: "Das ist die falsche Fragestellung", betonte sie: "Wir treten an in Thüringen, weil wir etwas verändern wollen."

Als sie ausholte, um die Ampel-Regierung und die CDU für das Erstarken der Rechtspartei verantwortlich zu machen, unterbrach sie Klamroth: "Sie finden die Frage doof, ich würde gerne eine Antwort bekommen." Letztere blieb sie ihm jedoch so lange schuldig, bis es dem Moderator zu bunt wurde: "Dann frage ich Herrn Alexander", meinte er und wandte ihr den Rücken zu. "Ich finde es unmöglich, dass Sie mich ständig abwürgen", empörte sich Wagenknecht, "das machen Sie mit anderen nicht so".

Klamroth lenkte ein: "Ich gebe Ihnen noch eine Chance", meinte er großmütig. "Jetzt nicht weich werden!", sprach ihm Alexander Mut schelmisch zu und erntete dafür Lachen aus dem Publikum. Den Wagenknecht'scher Redeschwall konnte auch das nicht ersticken: "Man kann das nur an Inhalten festmachen und nicht pauschal", zählte sie Veränderungen im Lehrplan als Bedingungen der Zusammenarbeit auf.

"Das sind Punkte von mir", wunderte sich Voigt (Klamroth: "Dann passt das doch") und verwies Wagenknecht in ihre Schranken: "In Thüringen wird jede Woche eine neue Partei gegründet. Deshalb ist es meine Aufgabe als CDU-Frontmann, die CDU stark zu machen. Ich stelle die Bedingungen, wenn ich stark bin."

Für die Live-Zuschauer von "hart aber fair" hatte Voigt damit das Schlusswort. Im Studio selbst wurde noch weiter diskutiert. Die Aufzeichnung dieser Verlängerung steht in der Mediathek zur Verfügung.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH