Drama im Ersten

"Eher fliegen hier UFOs": Was bleibt, wenn die Bagger anrollen?

08.11.2023, 10.15 Uhr
von Christopher Schmitt

Der Film "Eher fliegen hier UFOs" erzählt die Geschichte vom Untergang eines Dorfes und deren Bewohner. Der Ort soll dem Braunkohle-Abbau weichen. Für einige beginnt ein Kampf um die eigene Identität.

ARD
Eher fliegen hier UFOs
Drama • 08.11.2023 • 20:15 Uhr

"Denn he hällt m'r zesamme, ejaal wat och passet", heißt es im Lied "In unserem Veedel" der Kölner Mundartband Black Fööss. Dieser Titel voll rheinischem Lokalkolorits handelt von Gemeinschaft und Solidarität. Auch im niederrheinischen Örtchen Niersdorf wird er zum Karneval alkoholgeschwängert in der örtlichen Kneipe zelebriert. Eine Kneipe, die es bald nicht mehr geben wird. Wie den Metzger, die Sparkasse und den Blumenladen. Denn das Dorf soll in wenigen Jahren der Braunkohleförderung weichen. Was der pathetisch besungene Zusammenhalt noch wert ist, wenn die eigene Existenz auf der Kippe steht, zeigt das erstmals ausgestrahlte TV-Drama "Eher fliegen hier UFOs" der Regisseure Ingo Haeb und Gina Wenzel. Das Erste zeigt den feinsinnigen Film um Heimat, Familie und Neuanfang zur besten Sendezeit.

Wer geht? Wer bleibt? 

Die Baumanns sind in Niersdorf tief verwurzelt. Marita (Johanna Gastdorf) hält nach dem Tod ihres Mannes dort gemeinsam mit ihrem Schwager Klaus (Markus John), dessen Frau Irene (Petra Nadolny) und deren Tochter Natalie (Merle Wasmuth) die Familien-Bäckerei am Leben. Doch die bevorstehende Umsiedlung sorgt nicht nur für tiefe Risse innerhalb der Dorfgemeinschaft: Wer geht? Wer bleibt? Wer macht sich die Taschen voll? Sie ziehen sich auch durch den Betrieb und schließlich durch die scheinbar so gefestigte Familie Baumanns selbst.

Der Produktion von "Eher fliegen hier UFOs" ging eine jahrelange Recherche des Autors Ingo Haeb um das Örtchen Keyenberg Alt – sowie Keyenberg Neu – voraus, das Drehbuch ist teils von realen Ereignissen inspiriert. Die Geschichte von Marita und den Baumanns hangelt sich an lokal- und weltpolitischen Ereignissen entlang. Der Film startet mit dem Abriss des Immerather Doms, behandelt behutsam die fehlende menschliche Nähe nach Ausbruch der Pandemie und endet mit Flüchtenden aus der Ukraine. Strukturwandel, Corona, Energiekrise: Das Drama verhandelt die großen Probleme im Kleinen.

Ein Ziel, unterschiedliche Motive

Vermutlich gibt es für gesellschaftliche und persönliche Gräben keine besseren Symbolbilder als den Braunkohle-Abbau mit seinen riesigen Baggern, die sich immer näher ans eigene Zuhause graben. Während das liebgewonnene Dorf zunehmend zur Geisterstadt wird, entsteht eine seelenlose Neubausiedlung in der Nähe. Der Kampf um das Grab ihres Mannes, der genau hier begraben werden wollte und der nun umgebettet werden soll, ist für Marita auch ein Kampf um die eigene Identität.

Eine Szene, welche die Tragik der Situation schön herausarbeitet, ist der Besuch der Gutachterin in der Bäckerei. Stolz schwingt mit, wenn Bäcker Klaus erklärt, dass die ganze Familie in diesem Haus wohnt und wie sich der Laden im Laufe der Jahre entwickelt hat. Und die Qualität des Ofens finde man heutzutage ohnehin nicht mehr. Unterdessen schweigt die Gutachterin, kühl macht sie ihre Fotos, misst Räume aus. Unschätzbare Erinnerungen und die Familiengeschichte der Baumanns werden zur Konkursmasse. "Ist wirklich was Besonderes", stellt die Gutachterin schließlich doch fest, sie hat keine Ahnung.

Ein interessanter Aspekt wird im Verhältnis der Einwohner zu den nebenan kampierenden Klimaschützern deutlich: Beide kämpfen dafür, den Braunkohleabbau zu stoppen, doch ihre Motive unterscheiden sich. Schade, dass dieser Zwist dann doch etwas Klischee-beladen verhandelt wird: Die Aktivisten verurteilen das Wort "Heimatschutz" als Nazi-Jargon, was die Einwohner überhaupt nicht nachvollziehen können, und werfen den Dorfbewohnern vor, die deutlich größere Bedrohung – den Klimawandel – nicht begriffen zu haben. Natürlich haben sie auch Probleme, im Bäckergeschäft etwas Essbares zu finden, sie ernähren sich vegan. Andererseits werden die Klimaaktivisten argwöhnisch beäugt, die seien ja alle aus den Großstädten und "nicht von hier".

Eher fliegen hier UFOs – Mi. 08.11. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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