Zu Gast bei "Maybrit Illner"

Habeck: "Wir können der Ukraine nur mit gebundenen Händen helfen"

18.03.2022, 08.26 Uhr
von Lena Rittmann
Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.  Fotoquelle: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Maybrit Illner muss am Donnerstagabend ihrer eigenen Talk-Show fern bleiben. Der Grund: eine Corona-Infektion. Vertreten wird die Moderatorin von Journalist Theo Koll. Dieser analysiert mit seinen Gästen die aktuelle Lage des Krieges in der Ukraine. Die Runde offenbart ein Bild von zögernden Deutschen und enttäuschten Ukrainern.

Zu Gast sind die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im deutschen Bundestag Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck, Botschafter der Ukraine Andrij Melnyk, Brigadegeneral a. D. Erich Vad und Staatsminister für Europa Michael Roth.

"Berührend, verstörend, anklagend" – so beschreibt Wirtschaftsminister Robert Habeck im Interview mit Theo Koll die Rede, mit welcher sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj via Live-Schalte an den deutschen Bundestag gerichtet hat. Er wählt, wie so viele Ukrainer zurzeit, deutliche Worte. Die Anklage, Deutschland täte zu wenig, sieht Habeck aus deutscher Sicht jedenfalls nicht gerechtfertigt, "denn Deutschland tut viel". Viel, aber nicht alles, denn Deutschland müsse eine wichtige Grenze ziehen, die das Land davon abhalte, Kriegspartei zu werden. Diese Grenze erkläre somit, warum der deutsche Staat weder Nato-Truppen in die Ukraine schicken noch Flugverbotszonen über dem Kriegsland verhängen werde.

Doch ab wann ist man wirklich Kriegspartei, möchte Theo Koll von seinen Gästen wissen. Militärhistoriker Erich Vad jedenfalls will Habecks klare Abgrenzung des Westens zu einer Kriegspartei nicht vollständig teilen. Insbesondere hinsichtlich des Waffenlieferungspakets der USA im Wert von über 800 Millionen Dollar in die Ukraine stellt Vad fest: "Wenn man liefert, befindet man sich auf dem Weg dorthin (zur Kriegspartei). Was kommt nach dem 800 Millionen Dollar Paket?". Fest steht jedoch, dass Deutschland sowie der gesamte Westen die aktuelle Situation nicht eskalieren lassen wollen. Zu groß sei die Angst vor Russland als Atommacht und vor dem Kriegsführer Putin, dem aktuell jeder den Einsatz von Atomwaffen zutraue.

Andrij Melnyk: "Glaube nicht, dass Putin ein Selbstmörder ist"

Jeder, bis auf die Ukrainer selbst? Zumindest der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk glaube nicht, "dass Putin ein Selbstmörder ist". Schließlich möchte er die Geschichte angehen, und diese müsse noch von jemandem geschrieben werden. Deutlich wird, dass Melnyk vor allem das Zögern der Deutschen aus Angst vor Eskalationen leid ist. Das Abwarten und Zögern der gesamten letzten Jahre habe schließlich nicht geholfen, diesen Krieg abzuwenden. Er appelliert an alle, dass Putin nur verhandle, wenn er dazu gezwungen werde. "Man soll sich nicht von Angst leiten lassen", so der ukrainische Botschafter, "er (Putin) braucht keine weiteren Provokationen, der Krieg war nicht provoziert von uns – auch nicht von Ihnen (den Deutschen)".

Doch noch ein weiterer Punkt bremst Deutschland bekannterweise in seinen Maßnahmen gegen Russland. Der Staat ist und bleibt zunächst abhängig vom russischen Gas, auch hier zögert Deutschland zu handeln. Doch nicht nur aus rein wirtschaftlichen Gründen. "Energiepolitik ist Bestandteil nationaler Souveränität", betont Habeck im Interview. Und so fasst der Vizekanzler die gesamte Situation in einem Satz am Abend zusammen: "Wir können der Ukraine nur mit gebundenen Händen helfen, die wir uns selbst durch die Abhängigkeit verbunden haben."

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