Erster "Tatort" nach der Sommerpause

"Tatort: Gold": Der Ring des Nibelungen

03.09.2023, 11.31 Uhr
von Eric Leimann

In ihrem neuen Fall tauchen die Ludwigshafener "Tatort"-Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) ab in die weltbekannte Legende um den Schatz der Nibelungen. 

ARD
Tatort: Gold
Kriminalfilm • 03.09.2023 • 20:15 Uhr

Jäger verlorener Schätze, ein vielleicht nur scheinbar überholtes Konzept der Fernseh- und Kinounterhaltung, waren mit der Wiederkehr des 80-jährigen Indiana Jones zuletzt in aller Munde. Und auch im "Tatort: Gold", dem ersten nach der Sommerpause 2023, jagen die Ludwigshafener Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) einer Kostbarkeit hinterher. Sie kann mit den bei "Indy" bespielten Kinomythen mithalten: Es ist der legendäre Schatz der Nibelungen. Einst soll er durch Hagen von Tronje im Rhein versenkt worden sein, und tatsächlich nahmen und nehmen einige Forscher an, dass dieser Schatz real existiert. Auf eine Spur führt die Ermittlerinnen der verschwundene Filialleiter einer Bank, zudem ein Mittelalter-Fan, in dessen zurückgelassenem Wagen sich Goldmünzen befinden, die zum "Rheingold" gehören könnten.

Abkehr von der Liebe und Hinwendung zu Mordideen

Das Ludwigshafener Team, in dem diesmal auch die 2024 scheidenden Gerichtsmediziner Becker (Peter Espeloer) und Mitarbeiterin Edith Keller (Annalena Schmidt) einiges an Spielzeit erhalten, findet heraus, dass der Verschwundene seinen letzten Abend offenbar im Deidesheimer Weingebiet verbrachte. Dort hat auch Susanne Bartholomae (Ulrike C. Tscharre), die sich mit dem später Verschwundenen in einem Hotel traf, ihr Weingut. Albert Dürr (Heino Ferch), Direktor des Wormser Nibelungen-Museums, ist sich fast sicher: Die Sage rund um das im Rhein versenkte, mystische Gold könnte zu neuem Leben erweckt werden. Vielleicht hat jemand den im Wortsinne sagenumwobenen Nibelungenschatz gefunden – was jedoch, wie im Nibelungenlied beschrieben, zur Abkehr von der Liebe und Hinwendung zu Mordideen geführt haben könnte.

Tatsächlich tritt bald eine Schmuckhändlerin (Marie Bonnet) auf den Plan, die ebenfalls über die Maßen an einem "Schatz" interessiert ist. Und dann wäre da noch die abgestürzte Ex-Frau des Verschwundenen (Pheline Roggan), die ebenfalls eine wichtige Rolle in dieser mit Humor unterfütterten Krimi-TV-Oper spielen könnte ...

Weltbekannte Mythen aus Rheinland-Pfalz

Auf der Suche nach Mythen ist man in der Nordostregion des SWR-Sendegebietes nun beim "Ring des Nibelungen" angekommen – dem aus vier Teilen bestehenden Opernzyklus Richard Wagners. Die Adaption der deutschen Volkssage geriet ihm zwischen 1848 und 1874 zu einem 16-stündigen Gesamtwerk. "Tatort: Gold" (Drehbuch: Fred Breinersdorfer und Katja Röder, Regie: Esther Wenger) übernimmt nun erzählerische Motive des Nibelungenliedes aus dem frühen 13. Jahrhundert und nutzt zudem Kapitelunterteilungen wie "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung", um auf Ähnlichkeiten zwischen Sage, Oper und Krimiplot hinzuweisen.

Wer nun aber glaubt, das Ganze ergäbe einen anspruchsvollen Kunstkrimi im Sinne des legendären Ulrich Tukur-Falles "Tatort: Im Schmerz geboren", der vor Kulturzitaten fast platzte, irrt. "Gold" ist ein leichter, manchmal sogar reichlich alberner Sommerkrimi, der mehr Münster als Murot atmet und der in vielen Figuren und Erzählsträngen auch nicht wirklich geglückt ist. Dafür baut er zu wenig Spannung auf und auch der Plot wirkt nicht wirklich rund.

Trotzdem sollte es vor allem für Nibelungen- und Wagner-Fachleute eine Freude sein, Parallelen und Motive von Sage und Oper im Krimi wiederzuerkennen und sich über ihre "moderne" Interpretation Gedanken zu machen. Schließlich fasziniert die Idee unermesslichen Reichtums die Menschheit bis heute. Und noch immer fahnden Glücksjäger nach Überresten des vielleicht größten beschriebenen Schatzes der Menschheit, von dem die Sage erzählt, dass zwölf Leiterwagen vier Tage lang dreimal hin- und herfuhren, um all das Gold fortzuschaffen.

Warum nicht mal ein Musical-"Tatort"?

Natürlich sind auch Liebe, Hass und Mordlust bis heute noch nicht ausgestorben, was die Bande zwischen Sage, Opernzyklus und Krimi nochmals enger knüpft. Liebevoll ist zudem der Soundtrack des SWR-Films, für den die Komponisten Robert Schulte Hemming und Jens Langbein einen Score mit klassischen Musikern einspielen ließen, der die Wagner-Opern zwar nicht direkt nutzt, aber ihre Motive an den passenden Stellen zitiert.

Mit Humor im Ludwigshafener "Tatort"-Revier ist es bekanntlich so eine Sache. Ulrike Folkerts, dienstälteste "Tatort"-Ermittlerin und seit 1989 aktiv, und ihre jetzige Partnerin Lisa Bitter sind nicht unbedingt für ihre komischen Auftritte bekannt. Dennoch probierte sich der produzierende SWR in Ludwigshafen immer wieder mal an lustigen Ideen. Impro-Regisseur Axel Ranisch produzierte bislang zwei "Tatorte", von denen das Mundartstück "Babbeldasch" 2017 die Nerven der Zuschauer mit Laiendarstellern arg strapazierte, während man zuletzt mit der wirklich starken und lustigen Folge "Lenas Tante" subtil-trockene Humorspitzen durchaus gekonnt in die Krimihandlung integrierte. "Gold" wirkt abseits der musikalischen Finesse nun ein wenig gequält im Versuch, sowohl Klassiker-Fraktion wie auch ein an Münsteraner Possen geschultes Publikum gleichermaßen zu erreichen.

Ein künstlerisches Meisterwerk ist eben nicht alles, wo "Der Ring des Nibelungen" draufsteht. Und wenn man ehrlich ist, war ja schon die Original-Sage ziemlich sperrig und erfüllte nicht alle Kriterien des klassischen "Page Turners". Vielleicht hätte man auch diesen Krimi besser singen sollen.

Tatort: Gold – So. 03.09. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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