Dokumentarfilm im Ersten

"Verhängnisvolle Versprechen": leichtes Spiel für Menschenhändler

27.07.2022, 08.32 Uhr
von Martina Maier

Ahnungslose Nigerianerinnen werden mit großen Versprechungen nach Europa gelockt. Doch im "gelobten Land" warten häufig Zwangsprostitution auf sie. Eine Doku im Ersten klärt auf.

ARD
Dokumentarfilm im Ersten: Verhängnisvolle Versprechen
Dokumentation • 27.07.2022 • 22:50 Uhr

"Ich sprach dem Yuyu-Priester nach: 'Wenn ich das Geld nicht zurückzahle, sterbe ich'", berichtet Victory (18). Zwei Jahre zuvor war sie aus Nigeria nach Italien gekommen, allein, dem Versprechen folgend, dass sie in Europa eine sichere Zukunft habe. Doch die junge Frau wurde zwangsprostituiert. Das Geld für die "Überfahrt" müsse sie abstottern, sagte man ihr. So wie Victory geht es jährlich unzähligen nigerianischen Frauen, die von Menschenhändlern nach Europa gelockt und psychisch so unter Druck gesetzt werden, dass sie nicht wagen, vor ihren Peinigern zu fliehen.

Der Dokumentarfilm "Verhängnisvolle Versprechen", der nun im Ersten zu sehen ist, deckt die Vorgehensweise der Menschenhändler auf. Durch den Film begleiten dabei unter anderem ein deutscher Ermittler, eine italienische Staatsanwältin und eine nigerianische Sozialarbeiterin.

Autorin Chiara Sambuchi erzählt in ausführlichen, unaufgeregten Bildern von den monströsen Machenschaften der Mafiabanden. Da ist zum einen Princess Inyang Okokon, zweifache Mutter, die selbst zur Prostitution gezwungen wurde, bis ihr die Flucht gelang. Heute hilft sie den verschleppten Mädchen in Italien beim Ausstieg und dem großen Schritt in die Selbstständigkeit, unter anderem mit einem Mikro-Kredit aus der von ihr gegründeten Genossenschaft. Außerdem reist sie in ihre Heimat und versucht, die Bevölkerung darüber aufzuklären, was hinter den so verlockenden Angeboten der Menschenhändler steckt.

"Wir waren 18 Personen zu Hause", erinnert sich Victory. "Es war sehr schwierig, und ich wollte nur noch weg." Da hatten die Kriminellen leichtes Spiel. Das häufig angewandte "Yuyu-Ritual" sorgte auch bei der damals 16-Jährigen für Gehorsam aus Angst. "Ich wurde mit dem Blut eines Huhns bespritzt und musste dem Priester nachsprechen, dass ich sterbe, wenn ich zu fliehen versuche. Es war ekelhaft." Ein Yuyu-Priester, den Princess aufsucht, weiß von dem Schicksal der Mädchen, die zu ihm gebracht werden. "Gäbe es nur eine Möglichkeit, sie zu überzeugen, dass der Schwur ihnen nicht schaden kann. Ich bete für sie", sagt er schlicht.

Reichlich Kundschaft im Duisburger Rotlichtmilieu

Vom Yuyu-Ritual berichtet im Film auch der Duisburger Ermittler Colin B. Nierenz von der Ermittlungskommission "Aid", der immer wieder bei seiner Arbeit zu sehen ist und die Hintergründe der Machenschaften darlegt. "Mit dem Geisterzauber hat man die Frauen verpflichtet, ihre Schulden abzubezahlen und den Menschen, die sich hier um sie kümmern, gehorsam zu sein. Das hat diese jungen Frauen unglaublich beeindruckt." Der Polizist zeigt sich erschüttert darüber, dass es im Duisburger Rotlichtmilieu offenbar reichlich Kundschaft für die wehrlosen Afrikanerinnen gibt. Von einem der Opfer legt er die Finanzen offen und errechnet, dass beim Durchschnittsverdienst von 30 Euro pro "Verrichtung" die Frau in der Woche rund 66 Mal habe aktiv sein müssen. Das erbeutete Geld wird häufig nach Nigeria zurückgeschmuggelt und dort in Immobilien angelegt.

Auch die italienische Staatsanwältin Lina Trovato kommt im Film immer wieder zu Wort. Sie ist unter anderem bei einer Gerichtsverhandlung gegen eine sogenannte "Madame" zu sehen, wie die Aufsichtspersonen der Zwangsprostituierten genannt werden. Wie auch der deutsche Ermittler teilt sie Einblicke in den Stand der Ermittlungen. Dazu gibt es nachgesprochene Telefonmitschnitte sowohl von den Tätern als auch von den Opfern und ihren Familien, die die unterschiedlichen Blickwinkel verdeutlichen. – "Verhängnisvolle Versprechen" ist ein sehenswerter, informativer Film, der ohne Effekthascherei auskommt und trotzdem auf bewegende Schicksale aufmerksam macht.

Dokumentarfilm im Ersten: Verhängnisvolle Versprechen – Mi. 27.07. – ARD: 22.50 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren