ZDF-Talkrunde

Ranga Yogeshwar überrascht Markus Lanz: Werden Indien und China die Zentren der Ökonomie werden?

20.04.2023, 09.44 Uhr
von Natascha Wittmann

In der ZDF-Talkrunde von Markus Lanz überraschten Wissenschafts-Moderator Ranga Yogeshwar und die Südasienexpertin Britta Petersen mit ihren Prognosen zu den "neuen Supermächten". "Sind wir vorbereitet auf eine Welt, in der Indien und China die Zentren der Ökonomie werden?"

Indien ist auf dem besten Wege zur neuen Supermacht. Zumindest stellte dies ZDF-Moderator Markus Lanz am Mittwochabend in den Raum, als er verkündete, dass Indien mit rund 1,4 Milliarden Menschen nun die weltweit bevölkerungsreichste Nation ist und damit laut jüngsten Einschätzungen China überholt hat. Während der amerikanische Konflikt mit China immer mehr zu eskalieren droht, versuchen daher einige Politiker – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – aktuell die Beziehung zu Indien zu stärken. Laut Moderator Ranga Yogeshwar, der in Luxemburg als Sohn eines indischen Ingenieurs geboren wurde und im indischen Bangalore aufwuchs, sei dies jedoch aussichtslos, denn: "Indien war schon immer blockfrei und nie ein Land, das 'pro-Amerika' oder 'pro-Sowjetunion' war. Indien möchte unabhängig bleiben."

Yogeshwar über den "knisternden Konflikt" zwischen China und USA

Gleichzeitig gab Yogeshwar offen zu: "Global-politisch knistert ein Konflikt, der sich immer mehr verstärkt zwischen den USA und China. Irgendwie will man sich da jetzt in Stellung bringen." Dafür spricht auch die jüngste Entscheidung von Apple-Chef Tim Cook, der in Mumbai den ersten indischen Apple-Store eröffnete. Ein Zeichen, dass der indische Markt immer mehr an globaler Wichtigkeit gewinnt? Ranga Yogeshwar sagte dazu nüchtern: "Apple überlegt natürlich jetzt strategisch, weil 90 Prozent der iPhone-Fertigung immer noch in China stattfindet." Südasien-Expertin Britta Petersen stimmte dem zwar zu, erklärte aber auch: "Es zeigt, dass es sich inzwischen für Apple lohnt, im indischen Markt größer einzusteigen."

Markus Lanz verblüfft über Prognose

Die langjährige Neu-Delhi-Korrespondentin der "Financial Times" fügte im Gespräch mit Markus Lanz hinzu, wie massiv der indische Markt über die letzten Jahre gewachsen ist: "Die konservativen Schätzungen gehen davon, aus, dass die Mittelklasse rund 350 Millionen Menschen sind. Zur unteren Mittelklasse gehören 600 Millionen Menschen. Das ist ein Markt, der noch nicht so beackert wurde wie China. Indien ist die einzige große Alternative zu China." Markus Lanz reagierte verblüfft: "Wir reden da gerade über einen Riesen, der da gerade erwacht." Ranga Yogeshwar nickte zustimmend: "Sind wir vorbereitet auf eine Welt, in der Indien und China die Zentren der Ökonomie der Zukunft werden?"

Lanz wollte daraufhin wissen, wie sich der Aufstieg Indiens erklären lässt. Britta Petersen erklärte daraufhin, dass die Entwicklung nicht über Nacht kam: "Indien ist schon seit Längerem als Apotheke der Welt bekannt. Indien produziert auch für seinen eigenen Markt sehr viel. Auch im Rüstungsbereich möchte sich Indien sehr stark unabhängig machen." Gleichzeitig sprach sie den indischen Premierminister Modi an, der seit 2014 an der Macht ist: "Modi ist interessant, weil er für den Aufstiegswillen der unteren Klassen steht. Er hat sich nach oben gearbeitet und verkörpert damit das Versprechen, dass es jeder schaffen kann."

Warnung vor "deutscher Ignoranz"

Mittlerweile gibt es laut Schätzungen von Ranga Yogeshwar rund 5.000 vielversprechende Start-ups in Indien. Der Moderator stellte dazu klar: "Das ist eine neue Haltung, die sich da entwickelt." Er fügte mit Blick auf Markus Lanz hinzu: "Nach 400 Jahren Kolonialisierung und Demütigung gibt es jetzt eine Phase des Erwachens des Selbstbewusstseins. Die Chinesen sagen ja inzwischen selbstbewusst: 'Wir wissen, was wir können und sind in vielen Bereichen Weltspitze und lassen uns nicht mehr herumkommandieren'. In Indien fängt das jetzt allmählich auch an."

Gleichzeitig warnte Ranga Yogeshwar vor einer deutschen Ignoranz mit Blick auf Indien, denn "wir Europäer laufen immer noch mit dem alten Narrativ herum, dass wir der Nabel der Welt sind. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, zu sagen, dass der Nullmeridian durch Beijing oder bald durch Delhi gehen muss. Denn die Zeit, in der man Vasall war, ist vorbei." Südasien-Expertin Britta Peterson fügte abschließend hinzu: "Man muss die Art und Weise, wie wir auf Indien schauen, korrigieren. Es ist zweifellos so, dass Indien in zehn bis 15 Jahren eine der größten Volkswirtschaften der Welt sein wird." Eine Prognose, die den ZDF-Moderator zum Abschied erneut verblüffte: "Das ist ein Thema, über das wir noch häufiger reden werden!"


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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