James Ellroy

Lesermeinung
Geboren
04.03.1948 in Los Angeles, Kalifornien, USA
Alter
76 Jahre
Sternzeichen
Biografie
Realismus ist im Krimi seltener, als die meisten vermuten; vielmehr prägen Literatur und Film permanent falsche Vorstellungen: Da gibt es die Mär vom Herrn Inspektor und seinem Assistenten (den Begriff und den Posten gibt es, zumindest bei der deutschen Polizei, nicht - Derrick zum Trotze). Und da sind die zahlreichen Amateurdetektive, wie sie vor allem die englische Krimischule geprägt hat, liebenswerte Sonderlinge, die der Polizei immer einen Schritt voraus sind und mit logischer Kombinationsgabe die kompliziertesten Fälle aufklären. Ein drittes Klischee ist der wortkarge, dem Alkoholismus zugeneigte "hardboiled"-Detektiv, den Autoren wie Raymond Chandler erfanden. Auch er ist längst zum Klischee geworden.

Die Polizeiromane von James Ellroy zählen zu den härtesten auf dem Krimimarkt. Ihr ungeschönter Realismus streift oftmals die Grenze des Erträglichen, und gerade das macht sie so grandios. Sie sind keine Lektüre für die Freunde betulicher "Häkelkrimis" (abwertende Bezeichnung für den konservativen Krimi im Agatha-Christie-Stil).

Ellroy begann erst spät mit dem Schreiben. Als 1958 seine Mutter das Opfer eines Sexualmordes wurde, warf das den jungen Ellroy völlig aus der Bahn. Jahrelang trieb er sich herum, frönte dem Suff, nahm Drogen und hielt sich als Kleinkrimineller über Wasser. In dieser Zeit las er Unmengen von Kriminalromanen. Langsam reifte in ihm der Ehrgeiz und Vorsatz heran, auch Schriftsteller zu werden, und zwar nicht irgendeiner, sondern "der beste Krimi-Autor aller Zeiten".

Nach Meinung nicht weniger hat er das auch geschafft. 1979 begann er mit den Arbeiten an seinem ersten Roman, "Browns Grabgesang" (1998 mit Michael Rooker unter dem Originaltitel "Browns Requiem" verfilmt), der 1981 herauskam. Das noch recht konventionelle Werk um einen typischen Hardboiled-Detektiv mit Vorliebe für Beethoven und Brahms zeigte bereits Ellroys Talent, ist aber von der Qualität seiner späteren Meisterwerke noch weit entfernt.

Mit seinem zweiten Roman, "Heimlich" (1982), zeigt er erstmals Interesse für das Los Angeles der 50er Jahre. In diesem Frühwerk tauchen erstmals Figuren auf wie Dudley Smith, die später in seiner wichtigen L.A.-Tetralogie eine bedeutende Rolle spielen würden. Danach erwachte Ellroys Interesse an Serienkillern. Er schuf den hyperintelligenten, aber unangepassten Polizisten Lloyd Hopkins, der Jagd auf ebenso hyperintelligente Serienmörder macht. Er sollte zunächst Held von fünf Romanen werden. Es blieb dann aber bei drei, weil Ellroy das Interesse an der Figur verlor.

Der erste Lloyd-Hopkins-Roman, "Blut auf dem Mond" (1984), wurde 1985 unter dem Titel "Der Cop" mit James Woods in der Hauptrolle verfilmt. Der zweite, "In der Tiefe der Nacht" (1984) festigte Ellroys Ruf als einer der intessantesten Autoren der Gegenwart. Der dritte Teil des Hopkins-Zyklus, "Hügel der Selbstmörder" (1986), wirkt dagegen ein wenig hingeschludert, nicht alle Bezüge sind plausibel. Dem Buch ist anzumerken, dass sein Autor mit den Gedanken längst bei anderen Projekten war. 1986 folgte "Stiller Schrecken", ein stellenweise verstörendes Buch aus der Ich-Perspektive eines Serienkillers. Doch erst mit dem nächsten Buch schaffte Ellroy den Sprung in die Krimi-Oberliga.

"Die schwarze Dahlie" (1987, 2006 von Brian De Palma unter dem Originaltitel Die schwarze Dahlie verfilmt) eröffnet die L.A.-Tetralogie, vier Romane über historische Verbrechen aus den Jahren 1947 bis 1960. Der Mordfall, der Ellroys Roman zu Grunde lag, war einer der spektakulärsten der Kriminalgeschichte. Doch der Mörder der Prostituierten, die zweigeteilt und ausgeweidet auf einem unbebauten Grundstück gefunden wurde, blieb ungefasst. Ellroy bietet in seinem Roman eine mögliche Auflösung an.

Noch komplexer als der ohnehin schon verschachtelte "Die schwarze Dahlie" wurden die Fortsetzungen "Blutschatten" (1988) und "Stadt der Teufel" (1990). Vor allem in "Stadt der Teufel" nimmt das Personal der auftretenden Figuren Divisionsstärke an. Dies sind nicht allein brillante Kriminalromane, sondern umfassende Gesellschaftsporträts von beinahe tolstoischem Ausmaß. Nicht zufällig nennt Ellroy die großen Russen des 19. Jahrhunderts als wichtige Vorbilder.

Mit "Blutschatten" und vor allem "Stadt der Teufel" zeigte sich Ellroy auf der Höhe seiner Kunst. Als 1997 die Verfilmung von "Stadt der Teufel" unter dem Originaltitel "L.A. Confidential" (Regie: Curtis Hanson) in die Kinos kam, konnte sich im Vorfeld kaum jemand vorstellen, dass ein derart komplexes Werk in gut zwei Stunden adäquat auf die Leinwand gebracht werden kann. Das Resultat wischte alle Bedenken beiseite; Hanson war ein Meisterwerk gelungen. Selbst Ellroy zeigte sich von der geschickten Verknappung seines Buches begeistert.

Der nächste Roman, "White Jazz" (1992), war dagegen ein enttäuschender Abschluss der L.A.-Tetralogie, obgleich er von vielen Ellroy-Fans sehr geschätzt wird. Wieder war dem Werk anzumerken, dass der Autor sich für die begonnene Thematik nicht mehr wirklich interessierte. Auch "Ein amerikanischer Thriller" (1995) konnte nicht an die Qualität der besten Ellroys anschließen. Wieder bedient er sich des in "Stadt der Teufel" bewährten Konstrukts, dass drei Männer im Strudel des Geschehens mal miteinander, mal gegeneinander arbeiten müssen, ob sie wollen oder nicht. Auch "Ein amerikanischer Thriller" ist ein historischer Kriminalroman; er endet mit der Ermordung Kennedys im Jahre 1963. Geschrieben ist das in einem abgehackten Staccatostil, der zunächst fasziniert, mit der Zeit aber ermüdet.

Mit dem Buch "Die Rothaarige" (1996) arbeitet Ellroy den ungeklärten Sexualmord an seiner Mutter auf, verzettelt sich aber in endlosen Nebensächlichkeiten, die für ihn sicherlich interessant sind, den Leser aber schlicht langweilt. Danach erschienen "Crime Wave. Auf der Nachtseite von L. A." (1999) und "Hollywood, Nachtstücke" (2000). Mit "Ein amerikanischer Albtraum" spinnt Ellroy dann 2001 die komplexe Geschichte aus "Ein amerikanischer Thriller" weiter. Ellroy war auch Gegenstand des österreichischen Dokumentarfilms "James Ellroy - Demon Dog of American Crime Fiction" (1993, Regie: Reinhard Jud) und der kanadischen Produktion "Feast of Death" (2001). Daneben taucht er etwa auch in dem TV-Feature "Bestie Mensch: Serienkiller - Ein amerikanisches Trauma" (1992) von Peter Arends auf. Außerdem gibt es ein hervorragendes Radio-Feature von Jürgen M. Thie: "Die dunklen Orte - Die schrecklichen Seiten des James Ellroy" (WDR-Produktion).

Weitere Filme nach Vorlagen von James Ellroy: Eine Episode der Reihe "Gefallene Engel" (1993, Regie: Jonathan Kaplan), "L.A. Sheriff's Homicide" (2000, TV), "Stay Clean" (2002, Kurzfilm, der auf "Stiller Schrecken" basiert und Ellroy einen Gastauftritt beschert), "Dark Blue" (2002) und "Street Kings" (2008). Außerdem hat er einen Gastauftritt als Partygast in Hansons "Die Wonder Boys" (2000) und produziert und trat selbst auf in der Dokumentation "James Ellroy Presents Bazaar Bizarre" (2004), in der es um die Taten des Serien-Täters Bob Berdella geht.

Filme mit James Ellroy

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