11 Tipps für den Umgang mit Trauernden (Gastbeitrag)

11 Tipps für Trauernde Gastbeitrag

Ich freue mich, dir heute einen Gastbeitrag von Sarah Riedeberger mit sehr hilfreichen Tipps für den Umgang mit Trauernden präsentieren zu dürfen:

Ungehemmte Trauer

Mein Vater starb vor zwei Jahren. Ich war vierundzwanzig Jahre alt und wirklich auf fast alles im Leben vorbereitet, aber nicht auf das Gefühl, das der Tod mitbrachte. Eine ungehemmte Trauer, die ich weder steuern noch wegdrücken konnte.
Denn Tod ist nicht nur Tod ist nicht gleich Tod ist nicht einfach so abgetan wie das Leben, das ja permanent passiert, das wir kennen, und ob wir es glauben oder nicht, eigentlich auch ganz gut verstehen. Er ist Gefühl in tausend Nuancen. Er reibt dir die Netzhaut solange mit Chilischoten ein, bis du nicht mehr aufhören kannst zu weinen. Der Tod ist ein Verlust, er ist kompromisslos, er ist ehrlich und so irre es klingt, das Wahrhaftigste, was man je erleben wird. Und die Person die er nimmt, ist unwiederbringlich. Das ist in der Theorie schon total schmerzhaft, aber die Praxis ist erheblich schlimmer.
Die Gefühle, die mich als Hinterbliebene übermannten, wirkten sich manchmal so aus, als sei ich nicht nur die Angehörige eines Toten, sondern eine Vergessene. In meiner Nähe keine zum Greifen nahen Hände, keine Ohren, in die ich meine Worte stopfen konnte, keine Herzen, die genauso obsessiv um jemanden weinten. Oder die bemerkten, was nur ich fühlen konnte: Den Stillstand auf der Welt, ausgehend von einem Menschen, den die Welt gar nicht kennt.

11 Tipps für den Umgang mit Trauernden

Durch meinen offenen Umgang mit Tod und Trauer, werde ich häufig gefragt, wie man das denn macht, als Freund oder Bekannter, wie man denn nachfragt, oder jemanden etwas Gutes tun kann in dieser schweren Zeit. Die Antwort ist: ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht. Es gibt kein Patentrezept für den Umgang mit trauernden Personen. Und ich kannte selbst dieses Unbehagen, das schon alleine beim kondolieren, umarmen oder Hände schütteln auftaucht. Das war, bevor ich den Tod kannte.
Aber wenn ich Mails mit dieser Frage bekomme, beantworte ich sie gerne, weil es demjenigen, der sich damit auseinandersetzt, wirklich wichtig zu sein scheint und ich mich freue, dass jemandem das Wohl seiner Mitmenschen nicht am Arsch vorbei geht. Ich versuche bei der Beantwortung immer möglichst dicht an mir dran zu bleiben, denn mein Blickwinkel ist der einzige, den ich kennen kann. Mein Verlust und die damit errungene Erfahrung ist mein Kostüm, das ich nicht weiterreichen aber dennoch in Form von 11 Punkten, die mich das Trauern gelehrt haben, an Menschen, die unsicher sind, weitergeben kann.
Eines vorweg, die Trauer ist so individuell wie der Mensch selbst, aber das weiß ja sowieso jeder. Deswegen sind meine Tipps alle ohne Gewähr, und rein aus meinem subjektiven Empfinden heraus geschrieben. Ihr kennt eure Freunde und Familienangehörigen besser, deswegen solltet ihr immer danach gehen, was für sie passend ist. Aber vielleicht ist diese Liste ja als Leitfaden ein bisschen hilfreich.

1. Frag nach!

Es ist wichtig, dass Du ehrlich nachfragst, wie es der trauernden Person geht. Und dass Du dabei nicht übervorsichtig bist oder durch die Blume sprichst. Denn wir reichen hier keine heiße Kartoffel weiter, sondern reden von einem ganz krassen Gefühl, einem unabänderlichen Wesenszustand, der uns allen früher oder später passieren wird. Die trauernde Person fühlt sich in der Trauer nur ernst genommen, wenn Du sie ernst nimmst und nicht nur vorgibst, es zu tun. In dem Du Interesse an ihrem Befinden zeigst, vermittelst Du auch das Gefühl, dass Du wirklich Notiz von ihrer Trauer nimmst. Die Wichtigkeit dieses Gefühls wird oft unterschätzt.

2. Nimm Dich zurück

Die Trauer ist unbeeinflussbar und kommt in Intervallen, die die trauernde Person auch nicht abschätzen kann. Nimm Dich daher anfangs etwas zurück und achte darauf, dass Du nicht permanent versuchst, die trauernde Person mit Erzählungen aus Deinem Leben abzulenken. Das funktioniert nämlich nicht. Eine trauernde Person hat gerade etwas verloren, was sie nie wieder zurückbekommen wird: einen Menschen, und das verändert ein stückweit ihr gesamtes Leben. Eine Erzählung wie: „Gestern hatte ich richtig Spaß auf einer Party, schade, dass Du nicht dabei warst“, gibt ihr in ihrem Kummer das Gefühl, dass sie diesen Spaß nie wieder haben wird oder dass es falsch ist, dass sie es (noch) nicht geschafft hat, mitzugehen.

3. Der Tod ist keine ansteckende Krankheit

Am besten hörst Du sofort auf, dem Gespräch über den Tod aus dem Weg zu gehen. Er ist keine ansteckende Krankheit, sondern etwas ganz Normales. Und nur weil Du Muffe davor hast, Dich dem zu stellen, heißt das nicht, dass es der trauernden Person genauso geht. Überleg doch mal, wer wirklich was verloren hat und Du bist es in dem Fall nicht. Außerdem ist reden schließlich wichtig, das sagst Du doch sonst auch immer, oder? Probiere es einfach aus, dann wirst Du bemerken, dass es gar nicht so schlimm ist, wie Du dachtest. Hinterher sitzt ihr vielleicht sogar im Schlafanzug gemeinsam vor der Glotze und heult, weil ihr einen traurigen Film gesehen habt und Du verstehst, was die Person neben Dir wirklich fühlt. Aber diese Intimität lässt die trauernde Person erst zu, wenn sie das Gefühl hat, dass Du es auch tust!

4. Es darf auch mal gelacht werden

Ja, der Tod ist traurig. Aber der Tote war das ja nicht immer, er hatte vielleicht sogar jede Menge Humor oder es gab einen Gesichtsausdruck, eine Angewohnheit, an die ihr euch gemeinsam erinnern könnt. Wieso solltet ihr nicht auch mal darüber lachen, was er zu Lebzeiten für Unfug gemacht hat? Tut bitte nicht so, als dürfte man dem Tod nicht manchmal auch einen kleinen Witz abgewinnen. Mein Vater, zum Beispiel, hätte sehr laut darüber gelacht, dass er gestorben ist. Das kann ich mit Gewissheit sagen, weil ich ihn gut kannte und weiß, dass er sich für unsterblich hielt.

5. Du musst nicht unbedingt was schenken

Aufmunternde oder lustige Postkarten oder Süßigkeiten zwingen die trauernde Person dazu, sich aus ihrem Gefühlssumpf aufzuraffen, weil sie sich darüber freuen muss, denn die trauernde Person hat ihren Anstand nicht verloren, und möchte dankbar sein. Nur bringt ihr die Tafel Schokolade nichts, wenn sie vielleicht keinen Happen herunter bekommt. Und der Schriftzug „Keep Smiling“ entlockt ihr vielleicht erst wieder ein Lächeln, wenn ein bisschen Zeit vergangen ist. Ich habe mich über solche Dinge nicht gefreut, aber vielleicht weißt Du ja, ob sich Dein/e Schwester/Bruder/Freund_In darüber freut. Das musst Du dann abschätzen können. Aber ich glaube, in der ersten Phase zählt die menschliche Nähe und nicht der materielle Wert von „Dingen“. Möglicherweise sind Aufmerksamkeiten auch nur eine Ausrede, um am Ende sagen zu können: ich habe mich gekümmert. Aber ich möchte niemandem etwas unterstellen.

6. Sei da

Egal wie weit Du weg wohnst, wenn Du es irgendwie möglich machen kannst, Dir kurzfristig mal freizunehmen, dann mach das und zeig der trauernden Person, dass sie Dir wichtig ist und dass Du da bist, weil ihre Trauer über den Verlust Dir genauso wichtig ist. Seien es auch nur ein paar Stunden, aber überleg Dir keine faulen Ausreden, weshalb es nicht geht. Irgendwie geht das nämlich immer. Und eine trauernde Person ist nicht blöd, sondern traurig und manchmal sogar sehr wütend auf die Ungerechtigkeit des Schicksals. Wenn Du die Wut nicht verschlimmern möchtest und der trauernden Person das Gefühl, plötzlich ganz schrecklich einsam zu sein, nehmen möchtest, dann nimm Dir die Zeit! Das wird eure Freundschaft vielleicht sogar verfestigen.

7. Vermeide Hektik

Bitte mach der trauernden Person keinen Druck, in dem Du glaubst, dass nach drei Monaten das Leben wie gewohnt weiter gehen muss. Der Verlust ist manchmal so plötzlich und unerwartet wie ein Schluckauf wieder da und erschüttert die trauernde Person sowieso total, so dass die Aufforderung „jetzt muss aber langsam wieder alles gut sein“ eher kontraproduktiv wirkt. Vielleicht isoliert sie sich deswegen sogar, weil sie sich dem Druck nicht aussetzen möchte. Nur für den Fall: Zeit bedeutet eine Weile vielleicht sogar, nicht zu wissen, welcher Wochentag ist. (Aber das trifft mit Sicherheit nicht auf die Mehrheit der trauernden Personen zu.)

8. Trenne das Berufliche vom Privaten

Wenn Du in einem Beruf arbeitest, in dem häufig gestorben wird, wie im Krankenhaus oder im Hospiz, dann sag nicht, dass Du den Tod ständig erlebst, sondern biete Hilfestellungen. Wenn Du das nicht kannst, dann lass Deine Erfahrungen weg und sei einfach nur ein Freund, wie jeder andere. Der trauernden Person ist bewusst, dass du den Tod besser kennst als sie, aber vielleicht nicht den einer nahestehenden Person. Außerdem weiß sie, dass Du manchmal darüber meckerst, wenn in Deiner Nachtschicht mal wieder jemand gestorben ist und Du in Deinem Beruf den Tod anders wahrnimmst, als sie gerade.

9. Nimm Deine Probleme nicht zu wichtig

Gestalte Dein Leben kurz ein bisschen um, und versuche, Deinen Stress nicht in die episodische Trauerzeit eines anderen mit einzufügen, irgendwann ist es vorbei und dann wird es wieder mehr um Dich gehen, versprochen. Und sieh es mal so: es ist doch auch mal okay, wenn man seine Probleme minimieren kann, weil man Protagonist in einem schaurigen Film der Endlichkeit ist, oder? Sei kurz einfach froh darüber, dass Dir der Tod keine nahestehende Person genommen hat und stütze die Person, die es gerade wirklich am dringlichsten braucht. Oder rede derweil mit anderen Freunden von dem vermasselten Bewerbungsgespräch. Nichts ist für eine trauernde Person schlimmer, wie das Gefühl, der Verstorbene sei vergessen und ihre Trauer eine Nebensache oder sogar unwichtig.

10. Vergleiche sind eine schlechte Idee

Versuch bitte den Satz zu vermeiden „Als sich Peter von mir trennte, habe ich mich auch so gefühlt.“ Ja, eine Trennung ist schlimm, aber der Tod ist anders schlimm. Für gewöhnlich hinken Vergleiche sowieso immer, vielleicht fragst Du am besten die trauernde Person, ob es etwas vergleichbares gibt, und wenn sie nein sagt, akzeptiere das und gib zu, dass Du Dir den Verlust eines Menschen einfach nicht vorstellen kannst. Ehrlichkeit währt immer noch am längsten. Und niemand möchte neben dem Tod noch einen echten Freund verlieren.

11. Frag wieder nach

Auch ein Jahr später bedeutet es nicht, dass die Trauer vorüber ist. Frag einfach gelegentlich nochmal nach, vielleicht möchte die trauernde Person sogar erzählen, wie es ihr inzwischen geht und wie sich der Tod auf das Leben ausgewirkt hat. Du lernst dadurch ja nur. Das ist quasi eine Win-Win-Situation.
11 Tipps ohnmacht

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Sarah Riedeberger wurde 1990 als sechstes und letztes Kind einer Großfamilie geboren und schreibt über Tod, Trauer und die Missstände im (Innen-)Leben. Ihren Blog findest du hier.

Illustrationen: Julia Feller

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7 Antworten

  1. Meine Mutter ist im September 2015 verstorben. Langes Leiden. Ich habe eine Anfrage an aesthetischerziehung geschickt.

    Beste Grüße, Matthias

    1. Lieber Matthias,

      Die Ästhetische Erziehung ist gerade schon auf dem Weg ins Wochenende und praktisch fast von Internet und somit von der Zivilisation abgeschnitten. Ich melde mich sobald ich kann!

      Liebe Grüße

      Julie Feller

  2. Sorry, aber mir hat dieser Artikel ganz und gar nicht gefallen. Die Ratschläge mögen ja teilweise passen, aber der flapsige Stil (irre, Netzhaut & Chilischoten, am Arsch vorbei, krasses Gefühl, Spaß auf einer Party, Muffe haben, Glotze, episodische Trauerzeit) und die orthographischen Fehler haben mir irgendwie gezeigt, dass ich anscheinend nicht mehr zur Zielgruppe dieses Artikels gehöre. Eines stimmt zumindest: eine trauernde Person ist nicht blöd.

    1. Hallo Alex,
      schade, dass dir der Artikel nicht gefallen hat und du dich nicht zur Zielgruppe dafür zählen kannst. Gerade deshalb finde ich es schön, wenn hier auch mal andere Stimmen als meine zu Wort kommen durch Gastbeiträge. Nicht, weil dir der konkrete Artikel jetzt nicht gefallen hat, sondern weil Trauer und der Ausdruck davon so unterschiedlich sind. Vielleicht gefällt dir der nächste Artikel ja wieder besser. Danke jedenfalls für dein sehr ehrliches Feedback!
      Liebe Grüße
      Silke

  3. Sehr guter Artikel, gute Homepage. Auch wenn man professionell Trauerarbeit leistet, kann man noch das eine oder andere hier mitnehmen. Generell denke ich aber, dass man mit einem gesunden Menschenverstand und ein bisschen Empathie Trauernden schon sehr gut helfen kann. Also ich denke viele Menschen können schon mit einfachen Dingen helfen. 🙂

    1. Danke dir, lieber Alexander, für deinen Kommentar und dein Feedback! Ja, ich stimme dir zu, man kann definitiv schon mit ganz einfachen Dingen helfen, wenn man offen dafür ist und aufeinander zugeht. 🙂

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