Im Drei-Personen-Film "Der neue Freund" besucht Johanna (Karin Hanczewski) ihre reiche Mutter (Corinna Harfouch) in deren Designerhaus am See. Dort wird ihr der 25 Jahre jüngere, blendend aussehende Freund vorgestellt. Ein Heiratsschwindler? Es beginnt ein großartiges Wortgefecht und Verwirrspiel.
Manchmal braucht es nicht viele Zutaten, um einen großartigen Film zu erschaffen. Im Falle des SWR-Fernsehspiels "Der neue Freund" sind es gerade mal drei starke Schauspieler, das tolle Drehbuch und eine schmucke Location am See – fertig ist eines der besten Fernsehspiele der Saison.
Die alleinstehende Ärztin Johanna (die scheidende Dresdner "Tatort"-Kommissarin Karin Hanczewski) besucht ihre wohlhabende Mutter Henriette (die neue Berliner "Tatort"-Kommissarin Corinna Harfouch). Die lebt nach dem Tod von Johannas Vater noch immer im stimmungsvollen Designerhaus am See.
Doch die Frauen sind, überraschend für Johanna, nicht zu zweit. Henriette stellt der Tochter ihren neuen Freund Philipp (Louis Nitsche) vor, mit dem sie noch nicht lange zusammen ist. Dass sich das Paar – er ist locker 25 oder 30 Jahre jünger als sie – so verliebt wie Teenager gibt, stört Johanna. Sie vermutet Kalkül hinter dem Verhalten des jungen Mannes – obwohl die Verliebten betonen, sie wären Seelenverwandte und ihre Gefühle echt.
Dass Johanna und Henriette auch schon ohne Philipp ein offenbar nicht unbelastetes Verhältnis miteinander pflegten, macht die Verdächtigungen der Tochter nicht minder kompliziert. Ist die Liebe der Mutter echt – oder handelt es sich beim neuen Mann im Haus um einen Heiratsschwindler?
In großartigen Dialogen und mit fantastischem Schauspiel der drei Darsteller entspinnt sich ein Spiel um Schein und Sein, das zu den unterhaltsamsten Psycho- und Liebesscharmützeln der jüngeren deutschen TV-Geschichte zählt. Es sollte einen nicht wundern, wenn "Der neue Freund" demnächst auf deutschen Boulevardtheater-Bühnen rauf- und runtergespielt würde, denn der Stoff ist geradezu für die Theaterbühne gemacht. Regisseur Dustin Loose ("ZERV – Zeit der Abrechnung") genügen ein Schauplatz und drei Personen, um ein Feuerwerk an Beziehungsdynamik auf engsten Raum zu inszenieren, welches einem Herz und Hirn aufgehen lässt.
Wobei sich jeder Zuschauende die Frage stellen darf, wie eng es um den eigenen Horizont bestellt ist. Kann es sein, dass auch wir unserem Glück nicht trauen, wenn es uns über den Weg läuft? Ist das Leben am Ende doch so, dass wir alle nur den eigenen Vorteil in Beziehungen suchen – und gemeinsames Glück nur die Herstellung einer Situation ist, von der jeder einzeln profitiert?
Abseits von solch tiefer gehendem Gedankenwerk kann man das von Frédéric Hambalek geschriebene Drehbuch aber auch ganz ohne philosophische Betrachtungen über Liebes- und Eltern-Kind-Beziehungen als Wortfeuerwerk und fantastisches Schauspielstück genießen.
Drehbuchautor Hambalek (37) hat in den letzten Jahren schon mindestens zwei herausragende Fernsehfilme geschrieben, die mit ihrer Qualität herausragen: den Psychokrimi "Der Polizist und das Mädchen" (2018) mit Albrecht Schuch sowie den ebenso fantasievollen wie schmutzigen kleinen Thriller "Jackpot" mit Rosalie Thomass aus dem Jahr 2020. "Der neue Freund" ist nun der dritte Geniestreich des immer noch vergleichswiese jungen Autors in Folge.
Der neue Freund – Mi. 25.10. – ARD: 20.15 Uhr