Spätwestern im Krimi-Gewand

"Alt, aber Polt": Er wird der TV-Krimilandschaft fehlen

von Markus Schu

Ein junges Mädchen ertrinkt. Mord? Suizid? Ein Unfall? Der pensionierte Polizist Simon Polt hilft bei den Ermittlungen und blickt tief in die Seele seines Dorfes hinein.

ARTE
Alt, aber Polt
Kriminalfilm • 02.02.2018 • 20:15 Uhr

"Mon cher Polt, was sagen Sie zu meinem schwerelosen Auftritt?" – "Äh, I hab nit so richtig hing'schaut!" – Es treffen Welten aufeinander, wenn die alternde Theaterdiva Mira Martell (Iris Berben) mit dem pensionierten Polizisten Simon Polt (Erwin Steinhauer) spricht. Und auch sonst geht es in der sechsten und letzten Verfilmung der beliebten Kriminalromane von Alfred Komarek rund um den moralisch integren Ex-Beamten darum, dass die Menschen einander und die Welt nicht (mehr) verstehen. ARTE zeigt Polts Abschiedsvorstellung jetzt als TV-Premiere.

Ein selbstbestimmtes Leben schien Laura Eichinger (Johanna Egger) nicht vergönnt zu sein. Nie begehrte sie auf, immer fügte sie sich dem Willen anderer. Jetzt ist sie tot. Ertrunken. Ein Unfall, Mord oder etwa Suizid? Polt wird in die Ermittlungen hineingezogen, eher unfreiwillig. Aber es braucht diesen einen moralischen Anker in dem äußerlich und innerlich verfallenden österreichischen Dorf, das zum Spiegel menschlicher Abgründe wird.

"Alt, aber Polt" atmet Westernluft, ohne tatsächlich einer zu sein. Doch die vom Weinbau geprägte Gegend braucht einen lakonischen Western-Helden. Simon Polt ist so einer. Einer, der für Recht und Ordnung sorgte, als die Polizei noch Gendarmerie hieß. Einer, der seine Weisheiten im Dialekt preisgibt. Alte Schule – im besten Sinne. Doch auch er muss lernen, mit der Zeit zu gehen, um nicht mit der Zeit zu gehen, wie einer seiner Kumpels bemerkt. So sattelt dann auch Polt um, vom normalen Drahtesel zum E-Bike. Ein Spätwestern im Krimi-Gewand.

Undurchdringlich und aus der Zeit gefallen

Die Diva Martell konfrontiert Polt ständig mit Hochkultur, indem sie Shakespeare rezitiert und japanische Gedichte performt. Sie war es auch, die Laura am Abend ihres Todes zum Verlassen ihrer ausgetretenen Pfade riet und sich nun schuldig fühlt. Auch eine Jugendgang scheint etwas mit dem Tod der jungen Frau zu tun zu haben. Regisseur und Drehbuchautor Julian Roman Pölsler, der alle Polt-Adaptionen inszeniert hat, begnügt sich nicht mit simplen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, seine Figuren gestalten sich vielschichtig.

Alles wirkt undurchdringlich und aus der Zeit gefallen, der nächtliche Nebel betont dies stets. Volkstümlich-fröhliche Blasmusik bricht das Geschehen immer wieder ironisch. Das ist ungewöhnlich und manchmal unangebracht, aber zu verschmerzen. "Alt, aber Polt" ist langsam erzählt und vermeidet übertriebene Hektik oder Dramatik. Der Blick hinter die bürgerlichen Fassaden ist eine Milieustudie mit pointierten Dialogen und interessanten Figuren, die alle ihr Päckchen zu tragen haben. Allen voran der zynische und selbstzerstörerische Polizist Ernst Zlabinger (Florian Teichtmeister), der mit seiner Vergangenheit hadert.

Wenn am Ende der Fall dann gelöst ist, bleibt man fassungslos zurück. Die Schuld an Lauras Tod lastet auf vielen Schultern. "Gesetze sind a Sach', aber Gerechtigkeit schaut oftmals anders aus. So einfach ist das nicht", sagt Polt. Er wird der TV-Krimilandschaft fehlen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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