ARD-Dreiteiler

Doku zu "Ein Hauch von Amerika": die wahren Geschichten hinter der Serie

von Eric Leimann

Der ARD-Dreiteiler "Ein Hauch von Amerika" spielt in der deutschen Nachkriegszeit und behandelt u.a. das Thema Rassismus. Eine Doku zum Film erklärt die Hintergründe.

Die ARD-Miniserie "Ein Hauch von Amerika" (Teil 3 am Mittwoch, 8.12., 20.15 Uhr, alle Folgen in der Mediathek) erzählt ein bislang kaum aufgearbeitetes Stück deutscher Geschichte: Mehr als 20 Millionen Amerikaner, stationierte GIs und ihre Familien, verbrachten einen Teil ihres Lebens in Deutschland. Vor allem in den frühen Jahren ab 1950 prallten dabei Welten aufeinander.  Lesen Sie hier eine Kritik zum Dreiteiler.

Der sehr sehenswerte non-fiktionale Teil der Erzählung, "Ein Hauch von Amerika – Die Doku" (Mittwoch, 8. Dezember, 22 Uhr Uhr) zeigt, wo sich das Event-Programm seine Geschichten herholte. Zeitzeugen und Experten erzählen ebenso plastisch wie berührend von einer "Goldgräberzeit" in der Pfalz, von Liebes- und Geschäftsbeziehungen und dem unfassbaren Rassismus, der sowohl in den USA, aber auch im Nachkriegs-Deutschland herrschte.

Kaltenstein, den Handlungsort der Serie, gibt es nicht wirklich. Man hat ihn sich ausgedacht. Vielleicht deshalb, weil in "Ein Hauch von Amerika" Geschichten aus der westdeutschen Provinz erzählt werden, die man dort selbst heute noch nicht hören möchte. Geschichten über Geldgier, Rassismus und Antisemitismus sowie physische und psychische Gewalt gegen Frauen, die sich mit GIs einließen. Vor allem, wenn diese GIs schwarz waren, kannte die deutsche Gesellschaft von damals keine Gnade mit diesen Frauen und ihren Kindern, von denen einige sehr bewegend in der 45 Minuten langen Dokumentation von Sigrid Faltin aus ihrem Leben erzählen.

Zwei der Protagonisten des Films sind Rosmarie Hawner und ihr Sohn Raymond. Über Raymonds schwarzen Vater sagt sie: "Er war ein besonderer Mensch, 20 Jahre älter als ich. Er hat eine Autorität ausgeströmt." Doch mit einem schwarzen Baby war man als weiße Deutsche selbst noch in den 60er- und 70er-Jahren eine Aussätzige in der westdeutschen Provinz. "Die Oma hat Raymond erst im Alter von zwei Jahren ein kleines Weihnachtsgeschenk gemacht. Die anderen Enkel haben richtige Geschenke bekommen. Es hat furchtbar weh getan", erinnert sich Rosmarie.

Als die Amerikaner kamen, war vor allem die Westpfalz armes Bauernland. 100 Jahre zuvor sind die Leute von hier nach Amerika ausgewandert, weil es daheim nichts zu essen gab. Ab 1950 kamen die Amerikaner "zurück" und veränderten die Kultur des Zusammenlebens in der kleinen Pfälzer Welt. Zum Beispiel in Baumholder bei Kaiserslautern. 30.000 GIs wurden dort stationiert, in einem Städtchen mit zuvor nur 2.500 Einwohnern. Heute gibt es ein Museum, das an diese Zeit erinnert. Die Betreiberin erzählt im Film, dass es nicht viel Unterstützung für ihre Idee gab, offenbar erinnert man sich in Baumholder an jene Goldgräber-Jahre heute nicht mehr so gern.

"Die GIs haben gut gerochen, weil die Aftershave benutzt haben"

"Die Amerikaner haben andere Musik und andere Kleidung mitgebracht", erinnert sich eine Zeitzeugin. "Und auch ihr Benehmen war viel lockerer, als das in den 50er-Jahren hier so der Fall war. Das hat vor allem die jungen Leute angesprochen." Die Professorin Maria Höhn hat diese Zeit erforscht und auch die Miniserie beraten. Sie arbeitet am Vassar College in Poughkeepsie, New York. Warum viele deutsche Mädchen auf amerikanische Soldaten standen, erklärt sie im Film einleuchtend mit den Worten: "Die GIs haben gut gerochen, weil die Aftershave benutzt haben. Das war einfach ein lebenslustiger Trupp, der da kam. Mit einem ganz anderen Selbstwertgefühl. Die deutschen Männer waren auch nicht so höflich."

Trotzdem war es natürlich nicht so romantisch wie im Elvis-Film "Café Europa" von 1960, der im Originaltitel sehr viel besser "G.I. Blues" heißt. Darin verliebt sich Presleys Charakter, ein GI wie der King of Rock'n'Roll einst selbst, in ein deutsches Mädchen, Happy End nach einigen Wirrungen inklusive. Tatsächlich wurden die deutsch-amerikanischen Beziehungen auch von der US-Armee nicht gern gesehen. Auch, weil es Übergriffe und Vergewaltigungen gab. Überführte GIs wurden meist abgeschoben, also versetzt – aber nicht unbedingt bestraft. Oft waren die amerikanischen Soldaten zu Hause gar verheiratet und lebten in wilder Ehe, aber auch einem ständig schwelenden Konflikt mit ihren deutschen Frauen.

Und noch ein weiterer Erzählstrang der Miniserie ist wahr, wie die Doku erzählt. Viele Bars in Baumholder wurden von jüdischen "Displaced Persons" geführt. Das waren Menschen ohne Heimat, die aus den KZ-Lagern befreit wurden und von dort aus der US Armee gefolgt sind. Historikerin Maria Höhn fand heraus: "Die jüdischen Barbesitzer waren (bei den Deutschen) verhasst. Man sagte ihnen nach, dass sie hohe Abfindungen für ihr Leid im KZ bekommen hatten und dass sie die Amerikaner beim Ausnutzen deutscher Mädchen unterstützen würden." Ganz alter tradierter Antisemitismus made in Germany – und das direkt nach der "Befreiung" vom Dritten Reich.

Doch zurück zu den Frauen, die sich mit den Amerikanern "einließen". Neben echter Liebe wie bei Rosmarie Hawner und anderen alten Paaren, die in der Doku ihre Geschichte vorstellen, gab es im Nachkriegsdeutschland auch viel "Business". Und trotzdem: "Einen Schwarzen zu heiraten, das hätten meine Eltern nicht erlaubt", sagen fast alle älteren deutschen Damen in der Doku. Maria Höhn bestätigt dies: "Der Amtsrichter in Baumholder war ganz streng mit diesen jungen Frauen. Wenn die mehrfach in einem Ami-Lokal, wie das damals hieß, vorgefunden wurde – die wurden dann wirklich in ein Arbeitshaus geschickt und sollten den Weg zur Anständigkeit zurückfinden. Dass das Volk sich nicht für diese Frauen schämen muss – nach diesem Motto."

Es gibt sogar Zahlen, welche die "Unmoral" von damals belegen: uneheliche Geburten in Baumholder zur Hochzeit des Amerikaner-Booms: 22 Prozent. Und der Bundesdurchschnitt? Nur 6,3 Prozent. Eine ganze Industrie von insgesamt 300 "Fräuleins" arbeitete damals in den Bars von Baumholder. Man lebte eine Doppelmoral: Die Deutschen verdienten einerseits sehr gut an den Amerikanern, und trotzdem verachtete man jene Frauen, die sich mit ihnen einließen. Vor allem, wenn bei der Armee "Payday" war, also Zahltag, reisten Frauen aus ganz Deutschland in große US-Stützpunkte wie Baumholder oder Kaiserslautern, weil dort Geld gemacht werden konnte. Darunter waren auch professionelle Prostituierte, die sich bei Bauern einmieteten. Alle haben gut verdient, aber keiner wollte dabei gewesen sein – so die Doku.

Rassentrennung in den Kneipen

Und noch ein letzter Punkt ist im Zusammenhang mit dieser Geschichte von Bedeutung: Der Rassismus in den USA der 50-er und 60-er sorgte dafür, dass 80 Prozent der schwarzen Soldaten unbedingt nach Deutschland wollten. Hier gab es keine Schilder "No negroes allowed". Man stellte selbst als schwarzer GI etwas dar. Trotzdem gab es fast immer Streit mit weißen "Kameraden", wenn schwarze GIs weiße "Fräuleins" in den Bars ansprachen, erzählt ein Zeitzeuge. Deshalb entschieden sich viele Barbesitzer freiwillig, entweder nur weiße oder schwarze GIs zu bedienen. "Rassentrennung" gab es sozusagen auch in der jungen BRD.

Mehr als 70 GIs desertieren während der 50er-Jahre in die DDR. Auch eine Geschichte, die in der Miniserie aufgegriffen wird. Manche haben sich etwas zuschulden kommen lassen. Andere waren schwarz und hatten eine weiße Freundin. Die desertierten Schwarzen wurden in der DDR übrigens gut behandelt. Man setzte sie für Propaganda-Zwecke ein, die Ex-GIs wurde direkt von der Stasi "betreut". Buchautor und Fachmann Peter Köpf erzählt: "Die sind auch in den Osten gegangen in Erwartung, es gäbe dort keinen Rassismus".

Ab 1972 endete die Goldgräber-Stimmung in Nachkriegs-Boomtowns wie Baumholder Stück für Stück. In den USA wurde eine Berufsarmee eingeführt, die Wehrpflicht endete. "Da machte eine Bar nach der anderen zu. Die neuen Soldaten, das war ein ganz anderer Schlag Menschen", klärt Professorin Höhn auf. Noch etwas später sorgten die Attentate der RAF und die Proteste der Friedensbewegung Anfang der 80-er für eine weitere Entfremdung zwischen amerikanischen Militärangehörigen und Deutschen. Aus "Ein Hauch von Amerika" wurde "Ami go home".


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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