Tatort am Sonntag

Die Ballade von Matteo und Miss Marple

05.10.2014, 11.10 Uhr
von Detlef Hartlap

An diesem Tatort ist schon der Titel falsch. Winternebel in seiner bleiernen Schwere ist von völlig anderer Qualität als herbstlicher Nebel. Winternebel lässt alle Konturen schwinden, Herbstnebel schleicht sich wie ein Dieb in die buntgefärbten Wälder, als wollte er sich ihrer Schönheit bemächtigen.

Im Bodensee-Tatort mit Namen Winternebel rieseln die Blätter gar allerherbstlichst, und wenn man gerade noch denkt, das könnten die Damen vom Bodensee-Tourismus nicht besser erfunden haben, kracht ein Auto die Böschung hinunter. Der Fahrer befreit sich unter sichtbar schwersten Verletzungen aus dem Wrack.

Nützen wird es ihm nicht mehr viel, denn zu seinem Entsetzen taucht ein anderes Auto an der Absturzstelle auf. Das Unfallopfer humpelt und stolpert um sein Leben, doch der Verfolger kennt kein Pardon, er schießt und trifft.

Den Todesschützen kennen wir aus zwei vorausgegangenen Bodensee-Folgen. Es handelt sich um Matteo Lüthi von der Thurgauer Kantonspolizei, der mit Sechs-Tage-Bart und Uralt-Landrover seinen Fällen nachgeht und die (völlig unangebrachte) Vermutung aufkommen lässt, das Gebaren New Yorker Underground-Cops und Winterthurer Beamter sei im Grunde nur durch das Nummernschild ihrer Wagen unterschieden.

Missachtung aller polizeilichen Gepflogenheiten

Zu seinem Glück hat Matteo Lüthi bei der bewährten Konstanzer Fachfrau Klara Blum (Eva Mattes) einen Stein im Brett. Seine Beteuerung, er habe in Notwehr geschossen, nimmt sie ihm unter souveräner Missachtung aller polizeilichen Gepflogenheiten ab.

Nun wird am selben Morgen an einem anderem Seeufer eine zweite Leiche gefunden, offenbar erschlagen und ins Wasser gestoßen. "Kann es sein", überlegt Klara Blum in bester Miss-Marple-Manier, "dass beide Morde miteinander zu tun haben?"

Darauf wäre der erfahrene Tatort-Konsument von alleine nicht gekommen.

Kai Perlmann, der "Pudel von der Blum", wie er in einer Folge treffend tituliert wurde, bemerkt dazu: "Na ja, zwei Tote bei uns an einem Tag ..."

Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt bereits, dass noch mehr Ungemach über dem Bodensee dräut. Eine junge Fau ist entführt worden und wird in einem Wohnwagen von einem hyperventilierenden Wollmützen-Menschen malträtiert.

Drei Fälle an einem Tag. Der Bodensee ist unergründlich. Und, klar, alle haben miteinander zu tun.

Wer sich nun aber auf eine zügige und spannende Aufklärung freut, wird enttäuscht. Nach krachendem Auftakt hat dieser Tatort sein Pulver verschossen. Den möglichen Erzählstrang um den dubiosen Lüthi (Roland Koch) verspielt das Drehbuch leichtfertig. Die durchaus denkbare Verstrickung der Ehefrau eines der beiden Ermordeten (Kristin Meyer in einigen besseren Szenen), wird in einer Art fallengelassen, als sei dem Autor dazu leider nichts mehr eingefallen.

Im Stil der "Sieben Samurai"

So nimmt der Winternebel zusehends komische Züge an. Bei der Beobachtung einer Geldübergabe marschiert das Konstanzer Kommissariat im Stil der "Sieben Samurai" durch die Innenstadt, woraufhin die Ergreifung des Täters misslingt. Die Gespräche mit den Eltern der Entführten (Verhöre wäre das falsche Wort) haben etwas von einem pädagogisch angelegten Jugendfunk, wie es ihn früher gab.

Am Ende jagen Buch (Jochen Greve) und Regie (Patrick Winczewski) ihr Ensemble zum Showdown noch einmal in den herbstlichen Wald. Das ist poetisch gemeint, ein Kreis soll sich schließen, doch bleibt es so holprig wie ein schlecht gereimtes Gedicht.

In drei Wochen sehen wir schon wieder einen Tatort von Patrick Winczewski. Es handelt sich um die 50. Folge mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Das könnte zusammenpassen.

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