Sonntag am Tatort

Irgendwie noch ein bisschen unentspannt

15.12.2017, 14.31 Uhr
von Florian Blaschke
Es wird politisch: Falke und Grosz ermitteln im radikalen Milieu.
BILDERGALERIE
Es wird politisch: Falke und Grosz ermitteln im radikalen Milieu.  Fotoquelle: NDR/Christine Schroeder

Nur wenige Wochen nach dem letzten Hamburger Tatort schickt der NDR gleich noch einmal Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) ins Quotenrennen am Sonntagabend. Dieses Mal im Fokus: die deutsche Politik und das neue rechte Spektrum.

Im Umfeld der "Neuen Patrioten", einer Partei, die überdeutlich an die AfD angelehnt ist, tauchen immer wieder Morddrohungen auf – insbesondere gerichtet an die Fraktionsvorsitzende Nina Schramm (Anja Kling). Und ausgerechnet Falke und Grosz sollen sie beschützen. Doch dann ist es nicht Schramm selbst, die Opfer eines Anschlags wird, sondern ihr Ehemann Richard (Udo Schenk), der ebenfalls in der Partei aktiv ist.

Zunächst deutet alles auf eine Tat von Linksextremisten hin. Indiz dafür: im Internet veröffentlichte Drohvideos. Doch Falke und Grosz stehen zunächst vor einem ganz anderen Problem. Denn egal, was sie auch tun: Für die "Neuen Patrioten" können sie gar nichts richtig machen. Immer beschützen sie die Falschen, immer verdächtigen Sie die Falschen. Zumindest in diesem Punkt zeigt der Tatort "Dunkle Zeit" ganz richtig das Argumentationsdilemma auf, in dem viele politische Debatten derzeit stecken.

Etwas zu holzschnittartige Charaktere

Leider aber sind bei dem Versuch, sich kurz nach der Bundestagswahl dieses so aktuellen Themas anzunehmen, die Charaktere etwas zu holzschnittartig geraten – die einen zu naiv, die anderen zu abgeklärt. Ben Braun als Benjamin Reinders gibt eher die Rosamunde-Pilcher-Variante eines Rechtspopulisten, Jordan Dwyer als Linksautonomer Vincent versucht vergeblich, einem 21-Jährigen Studenten die naive Jugendlichkeit eines Mitläufers zu geben und Patrick von Blume als ausrangiertes Parteimitglied dürfte ruhig etwas von dem Professor vermitteln, den er verkörpern soll. Tut er aber nicht.

Zumindest bei einigen Rollen aber, wie der von Anja Kling oder Sophie Pfenningstorf, die Sophie verkörpert, über die wir hier noch nicht zu viel verraten wollen, gibt es so etwas wie eine Entwicklung, was glücklicherweise auch für den Fall gilt. Nach einem erstaunlich müden Beginn, trotz des aktuellen und brisanten Themas, bekommt der nach und nach einige Facetten verpasst, die man anfangs nicht vermutet hat. Und vor allem die Beziehung zwischen Falke und Grosz, die schon in den letzten NDR-Tatorten eher unterkühlt ist, nimmt Fahrt auf. "Finden Sie nicht auch, dass das irgendwie noch ein bisschen unentspannt ist zwischen uns?", sagt Falke mittendrin und bietet seiner Kollegin das Du an. Doch aus seiner Haut kann in diesem Krimi keiner der Protagonisten. Entsprechend hölzern fällt die Antwort aus.

Hölzern ist leider auch die Musik, die Jacki Engelken für diesen Tatort komponiert hat, die aber eher an einen zweitklassigen Vorabendkrimi aus den 90ern erinnert, ebenso wie die Kamera, die sich Hänger und Längen leistet, wie man es 2017 eigentlich nicht mehr gewohnt ist. Und zu allem Überfluss leistet es sich die ARD auch noch, ausgerechnet ihre eigene Reporterin derart zu überzeichnen, dass sich in den Redaktionen des Senders einige Kollegen wohl an den Kopf fassen werden. Aber die Darstellung der Medien im Tatort ist ja schon fast traditionell ein Fall für Schablonendenken und Klischees.

Zwei Seiten

Und so hat "Dunkle Zeit" zwei Seiten. Die Hälfte des Casts macht ihre Rolle wirklich gut, und immer wieder blitzen im Drehbuch gute Ideen und interessante Tempowechsel auf. Auf der anderen Seite aber hat etlichen Beteiligten ganz offensichtlich der Mut gefehlt, das Thema Rechtspopulismus und die damit verbundene politische Debatte filmisch zeitgemäß auf die Mattscheibe zu bringen. Was für eine vertane Chance.

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