Sonntag am Tatort

Drama in der Wiener Upperclass

22.01.2017, 09.07 Uhr
von Florian Blaschke
Knöpft sich den Freund seiner Tochter vor: Moritz Eisner verliert zeitweise die Kontrolle.
BILDERGALERIE
Knöpft sich den Freund seiner Tochter vor: Moritz Eisner verliert zeitweise die Kontrolle.  Fotoquelle: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican

    Der Tatort "Schock" stellt grundlegende Fragen über unsere Gesellschaft.

    Ein Video macht die Runde im Netz. Darin zu sehen: ein junger Mann, eigentlich recht sympathisch, der Hintergrund aber wirkt düster und trist. Eine Fabrikhalle? Noch düsterer: der Inhalt des Videos. Denn David Frank (Aaron Karl) kündigt einen Mord an: "Ich bin normal. Völlig normal. Mein Name ist David Frank. Ich werde meine Mutter, meinen Vater und anschließend mich selbst töten. Und ich werde mich bemühen, Ihnen zu erklären, warum." Doch ist das ist nicht das einzige Problem, mit dem Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) es in diesem Tatort zu tun bekommen.

    Ein weiteres Problem: Hans-Georg Frank (Hans Piesbergen), der Vater des jungen Mannes, ist nicht irgendwer. Er ist Professor, "einer der angesehensten Wissenschaftler der Gegenwart. Hat so ziemlich jede Auszeichnung erhalten, die man als Mathematiker erhalten kann", wie Eisner weiß. Und die Mutter (Silvia Wolmuth)? Ist Star-Anwältin. Wiener Upper class also. Klar, dass der angekündigte Mord schnell Wellen schlägt.

    Vor allem aber fragen sich nicht nur die Ermittler, was David Frank antreibt. Warum will ein Mensch, der aus gutem Hause stammt, der studiert und dem eigentlich die Welt offenstehen müsste, ein solches Verbrechen begehen? Frank zumindest liefert einen ersten Tipp:  "Ich glaube, jemand, der es erklären kann, ist Sarah Adler." Diese Universitäts-Dozentin (Mercedes Echerer) für Soziologie hat das Buch "Völlig normal" geschrieben, in dem sie den Leistungsdruck der Generation Y - der Menschen, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden - anprangert. Auf sie bezieht sich David Frank. Doch warum?

    Dieser Tatort macht kaum Fehler

    Es ist, als hätte sich Drehbuchautor und Regisseur Rupert Henning die Tatorte der vergangenen Jahre vorgeknöpft und alle Fehler notiert, die erfinden konnte. Einfach, um sie nicht noch einmal zu machen. Denn dieser Tatort, er macht kaum welche. Tempowechsel, geschliffene Dialoge, vielschichtige Charaktere - "Schock" ist von der ersten bis zur letzten Minute ein überzeugender, packender Fernsehkrimi mit nur wenigen schwachen Momenten.

    Eigentlich sagt Frank, sei das alles kein Spiel. Und doch spielt er mit Eisner und Fellner, spielt mit der Öffentlichkeit, der Aufmerksamkeit. Und Moritz Eisner, der rastet nicht nur aus, er verliert die Kontrolle. Doch dann bekommt er Hilfe, von unerwarteter Seite.

    "LSD, Haschisch, Koks? Wenigstens waren das Spaßdrogen."

    Auf der anderen Seite: der bitterer Ernst. Die Lage der Generation Y, die zwischen Leistungsdruck und den eigenen Erwartungen zerrieben wird. Aufrüttelnd deutlich wird das in einem Gespräch zwischen Eisner und seiner Tochter Claudia (beeindruckend: Tanja Raunig): "Papa, was habt Ihr genommen? Wie Du Student warst, mein ich? LSD, Haschisch, Koks? Wenigstens waren das lauter Spaßdrogen." - "Worauf willst du hinaus?" - "Diese Spaßdrogen bewirken, dass es dir irgendwie besser geht, oder? Von mir aus wirft man auch am Freitag ein paar Ecstasy ein, damit man bis Sonntag tanzen kann, auch gut. Aber was machen wir? Wir schlucken das Scheiß-Amphetamin, damit wir den Erwartungen der Leistungsgesellschaft entsprechen! Wir sind süchtig aus Vernunft! Papa, wir sind die Pflichterfüller-Generation! Ein super Konzept, oder?"

    Am Ende bleibt in diesem Tatort nicht nur die Frage, ob David Frank seine Tat wirklich umsetzt, sondern auch eine viel wichtigere: "Was geht in so einem jungen Menschen vor?" Oder, wie es Sarah Adler kurz zusammenfasst: "Warum?" Sie bleibt am Ende zwar nicht offen, aber eine Debatte darum würde unserer Gesellschaft doch gut tun. Vielleicht ist dieser Tatort ein erster Anstoß dafür.

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