Ein Au-pair-Mädchen wurde ermordet. Gibt es Verbindungen zu einer vor 15 Jahren verschwundenen Frau? Im "Polizeiruf 110" wollen die Ermittler aus Frankfurt/Oder den "Fall Sikorska" lösen.
Das deutsch-polnische Verhältnis war nie einfach. Die Geschichte ist dafür ebenso verantwortlich wie das Aufeinanderprallen zweier Kulturkreise zwischen Mittel- und Osteuropa. Kaum eine Reihe im deutschen Fernsehen verdeutlicht diesen Umstand regelmäßig so sehr wie der "Polizeiruf 110" aus Frankfurt an der Oder; dort, wo die polnischen Nachbarn nur eine Brücke entfernt leben. Kommen dann auch noch, wie im Krimi nun einmal üblich, die niederen Beweggründe des Menschen hinzu, ergibt sich eine explosive Mischung. Eindrücklich zusammengerührt wird diese in der aktuellen Folge, in der die Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) den grenzüberschreitenden "Fall Sikorska" lösen müssen. Der Mord an einem Au-pair-Mädchen führt ruhig erzählt und in düsteren Bildern nicht nur nach Polen, sondern auch in die Vergangenheit.
Besonders sei dieses Drehbuch für ihn, weil wir "Einblicke in die sehr unterschiedlichen Lebensentwürfe der Menschen bekommen, die nur einen Steinwurf voneinander entfernt leben", sagt Autor Bernd Lange über das Skript, das er gemeinsam mit seinem langjährigen Kollegen Hans-Christian Schmid entwickelte. Für den "Fall Sikorska" legte das prämierte Autorenduo den Fokus auf das "Ressentiment und das sich gegenseitige Beäugen" zweier unterschiedlicher Männer – dem deutschen Arzt Gerd Heise (Götz Schubert), dessen Stieftochter Julia vor 15 Jahren spurlos verschwand, und Pawel Sikorski (Krzysztof Franieczek), dem polnischen leiblichen Vater der Vermissten.
Doch der in dunklen Bildern mit einer gewissen Schwere erzählte Fall beginnt in der Gegenwart mit dem Tod eines Mädchens, dessen Leiche aus der Oder gefischt wird. Paula heißt das Opfer, als Au pair angestellt bei Leo (Jan Krauter), dem alleinerziehenden Sohn von Gerd Heise. Ihre Aufgaben im Haushalt vernachlässigte die junge Frau, der ganz im 50er-Jahre-Stil verschämt und anklagend eine "gewisse Kontaktfreudigkeit" unterstellt wird. So auch mit dem Studenten Marcin Zielinski (Filip Januchowski), der die Affäre vor seiner Freundin Milena (Amanda Mincewicz) geheimhalten will und bald ins Visier gerät.
Doch die Vergangenheit holt die Ermittler schneller ein als die Liebeleien junger Studenten: Sie stoßen auf das Rätsel der verschwundenen Stieftochter Gerd Heises, die nie gefunden wurde. Hat der mysteriöse, jahrealte Fall Julia etwas mit dem Tod von Paula zu tun? Zumindest Julias Vater, Pawel Sikorski, ist sich sicher: Gerd Heise hat damals seine Tochter vergewaltigt und ermordet. Seine Ex Katarzyna (Lina Wendel), Julias Mutter und jetzige Ehefrau von Heise, will nichts davon hören. Möglicherweise zu Recht: Sie verließ den mittlerweile trockenen Alkoholiker einst, weil sich dieser nicht unter Kontrolle hatte.
Während der angesehene Arzt Gerd Heise um seine Reputation fürchtet, konfrontiert ihn Pawel immer wieder mit den Vorwürfen. "Wenn das alles in Polen passiert wäre, hätte man ihm schon längst den Prozess gemacht", so der wütende Vater. Es ist eine ruhig erzählte und dennoch psychologisch spannungsreich inszenierte Konstellation, die "Der Fall Sikorska" ausschmückt: Der moralisch integere polnische Ex-Alki trifft auf den deutschen Akademiker mit gutem Ruf. "Sehen Sie nicht, was Sie hier anrichten: Sie zerstören meine Familie!", kritisiert Heise die Ermittlungen. Es ist ein sehenswertes Minenfeld zwischen Klischee und Realität, in dem die Frankfurter Kommissare mit Hilfe der polnischen Kollegen ermitteln müssen.