Wassili Grossmans Stalingrad-Epos "Leben und Schicksal" wurde 1961 noch vor jeglicher Veröffentlichung vom sowjetischen Geheimdienst KGB konfisziert. Der Roman kritisiert heftig die Stalin-Diktatur. Erst nach seinem Tode konnte die vollständige Fassung des Werks veröffentlicht werden.
"Warum hat man mein Buch verboten, das weder Lügen noch Verleumdung enthält? Sondern nur Wahrheit, Schmerz und Menschenliebe. Warum wurde es mit behördlicher Gewalt weggenommen? Warum wurde es eingesperrt, als wäre es ein Verbrecher, ein Mörder?" Diese Zeilen richtete Wassili Grossman in einem Brief an den damaligen Regierungschef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow. Zuvor, im Oktober 1961, hatte der russische Geheimdienst Grossmans Stalingrad-Epos "Leben und Schicksal" noch vor jeglicher Veröffentlichung beschlagnahmt. Der Roman beschreibt den Niedergang der Ideale der Revolution von 1917, den Totalitarismus Stalins und Hitlers. Die Vernichtung der Juden, Stalingrad und das Getöse des Zweiten Weltkriegs. Dass das Werk des russischen Schriftstellers die Freiheit zum höchsten Ideal erhob, empfand der Kreml als Gefahr.
Der im September 1964 in Moskau verstorbene Grossman erlebte die Veröffentlichung seines Buches nicht mehr. Es sollte mindestens 200 Jahre unter Verschluss gehalten werden, wie sich der Schriftsteller von dem damaligen Chefideologen des Politbüros, Michail Suslow, anhören musste. Die Dokumentation von Priscilla Pizzato zeichnet nun bei ARTE nach, wie "Leben und Schicksal" doch seine Leser fand. Die Geschichte gleicht der eines Krimis.
Teile des Manuskripts konnten 1980 aus der damals noch vehement abgeschotteten ehemaligen Sowjetunion geschmuggelt werden. Der Dissident Andrei Sacharow hatte heimlich Seiten des Entwurfs abfotografiert. Dem Schriftsteller Wladimir Woinowitsch gelang es schließlich, das brisante Material außer Landes zu bringen. Als im Zuge der Glasnost-Entspannungspolitik Michail Gorbatschows das Buch veröffentlicht werden konnte, erschütterte es unter anderem den tief in Russland verankerten Glauben an vermeintliche Heldentaten der Roten Armee während des Zweiten Weltkrieges. Grossman zeichnete beispielsweise eine Parallele zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus und ging damit weiter als je ein sowjetischer Schriftsteller zuvor.
Stärker als der KGB – Mi. 27.05. – ARTE: 22.20 Uhr