Ein "Tatort"-Highlight aus Franken: In Bayreuth geht ein Killer um, der zu jeder vollen Stunde einen Menschen erschießt. Die Kommissare Voss (Fabian Hinrichs) und Ringelhahn (Dagmar Manzel) starten einen furiosen Wettlauf gegen die Zeit.
Rechtsanwalt Thomas Peters (Thorsten Merten) erschießt einen Bayreuther Richter mitten in der Verhandlung. Das Motiv des Täters, der aus dem Gerichtssaal entkommen kann, ist völlig unklar. Kurz darauf bringt Peters eine Universitätsmitarbeiterin um. Die eilig herbeigeeilten Kommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) erkennen das Muster der Morde und versuchen, die nächste Tat zu verhindern. Der bieder wirkende Jedermann-Killer tötet nämlich zu jeder vollen Stunde. Dem famosen Kreativgespann Erol Yesilkaya (Drehbuch) und Sebastian Marka (Regie) geriet der fünfte Franken-"Tatort" zu einem enorm spannenden, aber auch klugen Thriller der Extraklasse.
Des 1976 geborene Erol Yesilkaya, der bereits legendäre "Tatort"-Folgen wie "Das Haus am Ende der Straße", "Die Wahrheit" oder "Es lebe der Tod" schrieb, baut seinen Film nach einer guten halben Stunde noch einmal um. Dann nämlich erfindet er einfach noch einen zweiten Thriller, der nicht minder perfide und zum Zunge schnalzend spannend ist. Die Verknüpfung und Auflösung der beiden Fälle haben mit dem Familienvater in spe, Martin Kessler (Stephan Grossmann, "Weissensee"), zu tun. Als dieser eine familiäre Tragödie erlebt, mutiert er ebenso wie der stündlich tötende Rechtsanwalt Peters zu einer offenbar völlig anderen Person. Eine, die es offenbar auf Unternehmer Rolf Koch (Jürgen Tarrach) abgesehen hat.
Erol Yesilkaya, der seine Bücher in der Regel mit seinem Regiepartner Sebastian Marka umsetzt, darf man getrost als einen der spannendsten Stammautoren der gegenwärtigen "Tatort"-Kultur bezeichnen. Markas und Yesilkayas Geschäft ist dabei weniger das realistische Sozialdrama denn Larger-Than-Life-Erzählungen, die mit großen Bildern auf Kinoniveau eher dem Thrillergeschäft eines David Fincher ("Sieben") nacheifern als sich in der Tradition deutscher TV-Krimikultur zu verorten. Auch im Film "Ein Tag wie jeder andere", der das Festspielhaus Bayreuth samt einer Opernaufführung zum Set werden ließ, kommt die Vorliebe der "Tatort"-Macher für große Thriller der Kinogeschichte zum Vorschein. Dass Jonathan Demmes Klassiker "Das Schweigen der Lämmer" für einige Szenen Pate stand, dürfte offensichtlich sein. Ebenfalls erwähnenswert im filmischen Hochglanz-Gebinde des Franken-"Tatorts", ist die klassisch orchestrierte Musik Thomas Mehlhorns, dessen Score mit der Handlung in einen Dialog tritt, anstatt sie lediglich zu untermalen. Dass in "Tatorten" der jüngeren Vergangenheit öfter als früher mit dem kreativen Element ungewöhnlicher Musik gespielt wird – so wie im verstörenden Stuttgarter Beitrag "Der Mann, der lügt" – darf positiv festgehalten werden.
Doch wie schlagen sich die Kommissare in diesem Fall? Immerhin hat Franken mit Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel zwei mitunter sperrig denkende, ambitionierte Mimen an vorderster Ermittlungsfront. Diesmal treten die beiden ein wenig in den Hintergrund, auch wenn Kommissarin Ringelhahn in der Mitte des Films ein Schockerlebnis erleidet und Kollege Voss wieder einmal zum ein oder anderen echauffierten Monolog ansetzt – fast schon ein Markenzeichen des Schauspielers Fabian Hinrichs, der so ein wenig das Stilmittel der ironischen Entfremdung von der Bühne des deutschen Gegenwartstheaters in den Fernsehkrimi hineinholt. In "Ein Tag wie jeder andere" spielen jene Kommissare, die durchaus viele Szenen haben, dennoch ein wenig die zweite Festspiel-Geige.
Der eigentliche Hauptdarsteller des Bayreuth-Falles ist der grandiose Plot und seine filmisch extrem hochwertige Umsetzung. Eigentlich könnte man dieses Drehbuch eins zu eins nach Hollywood verkaufen – sollte dort neben Superhelden-Sequels überhaupt noch Interesse an richtig guten Filmen bestehen.