Eine Boxerin stirbt im Ring, der Manager ihrer Gegnerin wird erschossen. In ihrem vorletzten Fall ermitteln die Schweizer Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) gegen eine skrupellose Doping-Szene. Und sie müssen einen Wettlauf gegen die Uhr gewinnen.
Eigentlich sollten Schweizer Uhren nicht schneller ticken als andere. Immerhin sind die Eidgenossen nicht nur für ihre präzisen Zeitzählwerke, sondern auch für Ruhe und Besonnenheit bekannt. Im vorletzten Fall des Luzerner Ermittlerduos Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) scheinen all diese Regeln außer Kraft gesetzt. "Ausgezählt" ist kein Tätersuchspiel, sondern ein Thriller mit heruntertickenden Uhren.
Profi-Boxerin Martina Oberholzer (Tabea Buser) will nach dem Herztod ihrer Gegnerin im Ring mit dem Sport aufhören – und über Doping-Praktiken auspacken. Dafür sperrt sie ihr fieser Manager (Urs Humbel) in einen Luftschutzkeller, der von einer Kamera überwacht wird. Als der diabolische Häscher von Martinas Onkel, einem Ex-Polizisten, erschossen wird, fällt auf, dass niemand weiß, wo die Boxerin eingesperrt ist. Das Kamerasignal lässt sich nicht zurückverfolgen. Da Martina wegen jahrelangem Doping einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf hat, bleiben dem Luzerner Ermittlerteam nur maximal zwei Tage, bis die Boxerin verdurstet ist. Um Kenntnis über weitere Personen zu erlangen, die vom Aufenthaltsort Martinas wissen könnten, lassen die Ermittler zu, das Manager-Mörder und Ex-Polizist Heinz Oberholzer (Peter Jecklin) in denselben Knast eingeschleust wird, in dem der Chef des Doping-Rings, Pius Küng (Pit-Arne Pietz), einsitzt. Für Flückiger und Ritschard beginnt nicht nur ein Wettlauf gegen die Zeit, sondern auch ein schwieriger Gang in die Illegalität, um ein Menschenleben zu retten. Für die besonnenen Schweizer – ein hartes Los.
Blut, Tempo, Korruption – ist das noch Luzern?
"Ausgezählt" ist der letzte neue "Tatort", bevor im Sommer-Krimiprogramm der ARD die Zeit der Wiederholungen beginnt. Gleichzeitig ist es der vorletzte Fall von Flückiger und Ritschard, die 2020 durch ein in Zürich ermittelndes Frauenduo ersetzt werden: Anna Pieri Zuercher (40, Schweizer Filmpreis 2019 für "Doppelleben") und Carol Schuler (32, Ensemblemitgleid an der Berliner Schaubühne) heißen die neuen Ermittlerinnen. Wenn das – mit Ausnahme dieses Falls – für seine ruhige Herangehensweise bekannte Duo Flückiger und Ritschard im Herbst seinen Ausstand gibt, werden sie auf 17 gemeinsame Fälle zwischen 2011 und 2019 zurückblicken. Die Quoten in Deutschland blieben dabei meist vergleichsweise bescheiden. Regelmäßig unterbot man die Sieben-Millionen-Marke und war statistisch das am schlechtesten eingeschaltere Ermittlerteam der "Tatort"-Familie. Ein Grund hierfür dürfte auch die Synchronisation der im Original auf Schwizzerdütsch gedrehten Filme sein, die beim Zuschauen schon ein wenig Distanz zu den Charakteren schaffen. Andererseits würde wohl kaum jemand in Deutschland etwas verstehen, zeigte man die Schweizer "Tatorte" im Original.
"Ausgezählt" ist ein ordentlicher Thriller, der auf einer nicht ganz neuen Plotidee reitet. Das von einer Kamera überwachte Kidnapping-Opfer würde sterben, sollten die Ermittler nicht innerhalb eines engen Zeitrahmens seinen Aufenthaltsort herausfinden. Die Idee ist ebenso kamerafreundlich wie trendy – zeigt doch der Erfolg zahlreicher real existierender "Escape Rooms" den privaten Bedarf an derlei Thrill in der Bevölkerung. Zuletzt arbeitete auch der Franken-"Tatort: Ein Tag wie jeder andere" (Februar 2019) mit einem vergleichbaren "Escape Room"-Suchspiel, nur dass es die Schweizer mehr ins Zentrum des Geschehens rücken. Ganz auf den Wettlauf gegen die Uhr wollen sich die Drehbuchautoren Urs Bühler ("Tatort: Ihr werdet gerichtet") und Michael Herzig sowie Regisseurin Katalin Gödrös ("Der Bestatter") nicht verlassen. Ein zweiter Handlungsstrang zeigt die Welt des Gefängnisses und ihre archaischen Regeln. Auch dort geht es ziemlich heftig zur Sache. Eine dritte Erzähl-Komponente des vorletzten Luzern-Krimis Ist das moralische Dilemma von Flückiger und Ritschard, die in diesem Fall soviel Unerlaubtes tun müssen, wie wohl in all ihren anderen Fällen zusammen. Kein Wunder, dass sich einem Schweizer Gewissen dabei der virtuelle Magen umdreht. Villeicht ist es dann auch wirklich Zeit zu gehen.