14.05.2024 Astrophysiker und Wissenschaftsjouralist im Interview

Harald Lesch: "Ein kapitalistisches Weltbild hingegen gefährdet unsere Lebensbedingungen"

Von Anne Richter
Harald Lesch im Interview.
Harald Lesch im Interview. Fotoquelle: Anne Orthen

Harald Lesch bringt seit Jahren dem TV-Publikum unsere faszinierende Welt und wissenschaftliche Erkenntnisse näher. Im Interview spricht der Astrophysiker unter anderem über kommende Generationen, seine Lehrtätigkeit in München und wie Religion und Wissenschaft für ihn zusammenpassen. 

Aus „Leschs Kosmos“ wird künftig „Terra X Harald Lesch“. Können Sie bitte erklären, was sich außer dem Namen der Sendung noch alles ändern wird?

Harald Lesch: Die Bekanntheit von „Terra X“ wird genutzt, um verschiedene Sendungen unter einem Dach zusammenzuführen. Wir haben uns vorgenommen, mit unseren Inhalten noch aktueller zu werden, noch näher dran zu sein, an dem, was gerade passiert und was uns alle betrifft. Auch der Erzählstil wird ein bisschen geändert, dabei wollen wir weiterhin gut und seriös informieren. Ich bin nun seit etwa 16 Jahren beim ZDF, und in dieser Zeit hat sich für uns alle viel verändert im Hinblick darauf, wie Wissenschaft und Technik unseren Alltag bestimmen – ich denke beispielsweise an Digitalisierung und KI. In der Sendung möchten wir darauf eingehen, was das mit uns im täglichen Leben macht.

In den ersten beiden Folgen geht es um die Verkehrswende beziehungsweise die Mobilität der Zukunft. Warum haben Sie gerade diesen Themenkomplex ausgesucht?

Die Frage nach der Mobilität ist eine konkrete, aktuelle Sachfrage von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Es betrifft viele Menschen, wie sich die Mobilität zum Beispiel in urbanen Siedlungsräumen verändert. Dazu führen wir Gespräche, stellen unterschiedliche Perspektiven vor. Es soll ein wenig wie beim Presseclub sein, wo verschiedene Ansätze diskutiert werden. Mir ist wichtig, dass bei den Zuschauern nicht der Eindruck entsteht: „Diejenigen, die die Sendung machen, glauben, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen.“ Es kommen aber natürlich nur die Ansätze vor, die wissenschaftlich seriös sind. Es geht nicht um Meinung, sondern um Messung, also um wissenschaftlich überprüfbare Fakten. Wir wollen dazu beitragen, aufzuklären – im besten Sinne des Wortes.

In der Ankündigung des ZDF ist von Reisen die Rede, die Sie für die Sendung unternehmen werden. Wohin reisen Sie?

Ich bin vor allem in Deutschland unterwegs, manchmal auch in anderen Ländern Europas. Für den Rest der Welt gibt es viele weitere „Terra X“-Formate (lacht). Mit meinen Reisen komme ich näher an die aktuellen Themen heran. So können wir den Zuschauern zeigen, dass die Dinge direkt mit ihnen und ihrem Leben zu tun haben.

Wie gelingt es, komplexe Themen verständlich herüberzubringen?

Es ist wichtig, immer mal wieder die Basics zu erklären. Beispiel Atomkraft: Ein Kernkraftwerk macht am Ende des Tages Wasser heiß, der entstehende Dampf treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. Das ist vielen gar nicht bewusst, sie denken an komplizierte Prozesse. Manchmal muss man die Bedeutung von Begriffen klarmachen. Ich möchte, dass auch diejenigen, die an einem Thema interessiert sind, sich nach der Sendung fragen: „Warum wusste ich das noch nicht?“ Mich freut es immer sehr, wenn wir über YouTube junge Zuschauer erreichen. Wenn von Schülern die Rückmeldung kommt „Dir glauben wir, du bist ein Ehrenmann“ hat man offenbar etwas richtig gemacht.

Welche weiteren Themen können Sie sich für die nächsten Sendungen vorstellen?

Es sollen immer Themen sein, bei denen wir die wissenschaftliche Komponente zeigen können. Neben der Mobilität sind das zum Beispiel KI, der Klimawandel, die Pharmaindustrie und ihre neuen Entwicklungen, aber auch die Kernenergie und das mit ihr verbundene Endlagerproblem. Da muss man die Wissenschaft auch mal politischen Feststellungen entgegensetzen, denn wie kann man zum Beispiel behaupten, dass es nirgendwo in Bayern eine geeignete Stelle für ein Endlager gibt? Sind das alles Geologen?

Im „normalen“ Leben sind Sie Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Philosophie München. Wie bekommen Sie das mit Ihrer Fernsehtätigkeit unter einen Hut?

Die Lehre findet in München statt und ein guter Teil der Aufnahmen auch. Inzwischen gibt es eine Ablaufroutine, die in den Lehrbetrieb eingewebt ist. Oft überschneiden sich auch die Themen aus Lehre und Sendungen, dann gibt es Synergieeffekte. Und ich habe natürlich eine grandiose Redaktion, die mich unterstützt!

Sie sind Physiker, Philosoph und sagen über sich selbst, dass Sie religiös sind. Wie passt das zusammen?

Ich würde eher fragen: Wie geht es ohne einen spirituellen Ansatz? Die Art, wie wir Natur bewerten, ist eine andere mit einem religiösen Verständnis. Das gibt der Natur eine Würde und uns den Auftrag, sie unangetastet zu lassen. Es geht nicht darum, sich die Erde untertan zu machen, sondern sie als etwas zu betrachten, das uns anvertraut ist. Ein kapitalistisches Weltbild hingegen gefährdet unsere Lebensbedingungen. Kinder und Enkel zu haben, ändert auch noch einmal alles. Ich bin Großvater, meine Enkeltochter ist jetzt zwei Jahre alt. Was sollen wir den Kindern irgendwann sagen, wenn sie uns vorhalten: „Wie konntet ihr nur, ihr wusstet doch...“? Zukünftige Generationen haben mit dem Internet ein ganz anderes historisches Instrumentarium. Es ist alles gespeichert, da wird sich keiner herausreden können.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die kommenden Generationen für die Zukunft gut gerüstet sind?

Wir müssen vor allem als Gesellschaft zusammenhalten, die Generationen müssen miteinander im Gespräch bleiben. Und dann sollten wir all die Dinge angehen, die wir eigentlich schon längst wissen: die Umwelt und das Klima schützen, die erneuerbaren Energien weiter vorantreiben, Tempolimits, keine weiteren Gifte in die Umwelt kippen, mit Abfällen anders umgehen… die Liste ist lang. Vielleicht können wir mit „Terra X Harald Lesch“ einen kleinen Beitrag leisten.

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