30.04.2024 Musiker im Interview

Michael Kaeshammer: „Wenn man nichts zu sagen hat, kann man nichts Echtes kreieren“

Von Felix Förster
Michael Kaeshammer ist ab Mitte Mai auf Deutschland-Tournee.
Michael Kaeshammer ist ab Mitte Mai auf Deutschland-Tournee. Fotoquelle: Tine Acke

Michael Kaeshammer füllt in Nordamerika große Säle und hat im kanadischen TV sogar seine eigene Kochshow namens „Kaeshammer‘s Kitchen“. Seine Musik, natürlich vom Jazz beeinflusst, vereint Pop, Blues und Rock’n‘Roll - und überzeugt nicht zuletzt durch Kaeshammers einzigartigen und mitreißenden „Crossover Style“. Mit seinem neuen Album „Turn It Up“ möchte der gebürtige Offenburger, der in jungen Jahren ausgewandert ist, auch in Deutschland den Durchbruch schaffen. prisma hat mit dem Musiker gesprochen.

Von Ihnen stammt der Satz: „Wenn ich spiele, reagiere ich auf das, was ich höre und lasse dann die Musik entscheiden, wo die Reise hingehen soll.” Für diese Form des Songwritings ist auch Elton John berühmt geworden. Heißt das, Sie fangen an zu spielen, und die Melodie kommt dann automatisch?

Michael Kaeshammer: Ein Song diktiert immer, wo die Reise hingeht. Man darf dem nicht im Wege stehen. Ein Ton folgt dem anderen. So, wie wenn man einen Fuß vor den anderen setzt. Beim Songwriting heißt das, zu erkennen wie die Melodie sich entwickeln will. Beim Improvisieren bedeutet es, die Musik nicht vom Kopf zu lenken, sondern durch Emotionen. Auch wenn es sich vielleicht nicht so anhört, aber wenn man dieses Konzept versteht, ist Musik eine einfache Sache. Etwas, das man nicht bewusst steuert, sondern dabei erkennt, dass Musik ein eigenes Leben hat.

Ist die Musik also weniger Ratio, sondern mehr Emotion?

Michael Kaeshammer: Musik ist nur Emotion. Auch wenn man sie später analysiert oder harmonisch auseinandernimmt, am Ende zählt nur, welche Emotionen ausgedrückt werden. Welchen Weg man als Songwriter nehmen muss, um dahin zu kommen, ist dem Zuhörer am Ende egal. Deshalb ist Songwriting eine individuelle Sache. Jeder hat seine eigene Vorgehensweise.

Was kommt denn bei Ihnen zuerst, die Musik oder der Text?

Michael Kaeshammer: Bei mir kommt immer der Text zuerst. Am Anfang ist das meist nur ein Gedanke oder ein Satz. Wenn man diesen Gedanken oder Satz laut ausspricht und an verschiedenen Stellen betont, kann man meist schon eine Melodie hören, die perfekt passt. Bei instrumentalen Stücken kommt natürlich die Melodie zuerst. Diese muss genauso ausdrucksvoll sein wie ein Text mit Wörtern. In diesen Fällen ist weniger oft mehr.

Ihr Album bietet einen faszinierenden Mix aus verschiedenen Genres. Wie würden Sie Ihre Musik am ehesten beschreiben?

Michael Kaeshammer: Mein Stil ist Jazz-Pop-Crossover. Diese Einflüsse kann man wahrscheinlich am besten hören. Meine Einflüsse und mein persönlicher Geschmack für verschiedene Musikrichtungen reichen allerdings von Soul bis Hard Rock und von der Klassik bis Jazz. Wenn ich Songs schreibe oder auf der Bühne bin, denke ich nie an Genres oder Einflüsse. Sie sind unterbewusst präsent. Es ist einfach meine Musik. Ich sehe es nicht als Jazz, Pop, oder irgendetwas anderes.

Höhepunkte des neuen Albums sind für mich der Titeltack „Turn It Up“, das jazzige „Never Knew What Love Was“ und das schon klassisch anmutende „My Valentine“, ein reines Pianostück. Was mögen Sie denn selbst am liebsten?

Michael Kaeshammer: Ich spiele und singe Musik wie ich sie hören möchte. Ich werde manchmal gefragt, wer mein Lieblingsmusiker ist. Ich antworte dann schmunzelnd: „ich selbst”. Damit meine ich allerdings nicht, dass ich der Beste bin. Aber es macht doch Sinn, dass ich Musik genauso singe und spiele, wie ich sie selbst hören möchte. Etwas anderes würde für mich keinen Sinn ergeben.

Erstaunlich ist Ihr erfrischender Ansatz, den Sie für den Queen-Klassiker „Crazy Little Thing Called Love“ gewählt haben, als Swing-Nummer. Etwas ketzerische Frage: Was glauben Sie, welchen musikalischen Weg hätte Freddie Mercury eingeschlagen, wenn er nicht viel zu früh gestorben wäre?

Michael Kaeshammer: Eine tolle Frage, die ich noch nie gefragt wurde. Freddie Mercury war immer am Puls der Zeit. Eben ein echter Künstler, der immer nach vorn schaute. Seit Freddie gestorben ist hat sich die Art, wie man Musik im Studio kreiert, drastisch verändert. Ich bin mir sicher, dass Freddie Mercury heute auch Musik machen würde, die aktuell relevant und bahnbrechend wäre. Wenn ich die Augen schließe, kann ich da schon Ansätze von Songs in meinem Kopf hören.

Er hat seine Songs auch meist am Klavier geschrieben. Warum ist dieses Instrument so prädestiniert dafür?

Michael Kaeshammer: Jedes Instrument hat seine Vor- und Nachteile. Vom Sound, aber auch von der Form jedes Instrumentes und wie man damit physisch verbunden ist. Ich finde, das Klavier ist eines der einfacheren Instrumente, auch wenn nicht jeder mit diesem Statement übereinstimmen würde. Aber wie Bach schon sagte: Man muss nur die richtige Taste zur richtigen Zeit drücken. Wenn man am Klavier sitzt, hat man die ganze Musiktheorie direkt vor sich. Dadurch ist es sehr einfach, einen Song am Klavier zu schreiben. Ich kenne viele Künstler, deren Hauptinstrument nicht das Klavier ist, die aber trotzdem ihre Songs am Klavier schreiben.

Mit „Turn It Up“ möchten Sie nun auch den Durchbruch in Deutschland schaffen, nachdem Sie in Kanada längst ein erfolgreicher Künstler sind. Was gab den Impuls, es jetzt auch in der alten Heimat schaffen zu wollen?

Michael Kaeshammer: Ich habe mich in den letzten drei Jahrzehnten meiner Karriere hauptsächlich auf Nordamerika und Asien konzentriert. Grund dafür war, dass ich mich in der nordamerikanischen Musikszene von Anfang an zuhause gefühlt habe. Durch den Ansporn meiner Managerin und Partnerin Josephine kam die Idee, nach Deutschland zu bringen, was in Nordamerika schon so erfolgreich funktioniert hat. Ich freue mich sehr, nun mit meinem neuen Album „Turn It Up” in der alten Heimat durchzustarten und bin gespannt auf das, was kommt.

Wo kann man Sie überall live sehen, und was kann das Publikum bei Ihren Auftritten erwarten?

Michael Kaeshammer: Wir waren die letzten Wochen schon öfters in Deutschland für PR und Fernsehauftritte, aber die offizielle Tournee startet am 17. Mai. Meine kanadische Band und ich freuen uns auf das deutsche Publikum. Wir werden quer durch Deutschland reisen und Konzerte in Offenburg, München, Stuttgart, Köln, Berlin, Leipzig, Hamburg, und Frankfurt spielen. Die Band ist eingespielt durch die vielen Tourneen in Nordamerika. Dadurch entsteht eine gewisse Gelassenheit auf der Bühne, die viel dazu beiträgt, dass sich jedes Konzert um die Connection mit dem Publikum dreht und weniger um den Gedanken, ein mitreißendes Konzert abzuliefern. Das passiert dann sowieso. Die Show ist High-Energy und wir können es kaum erwarten, das deutsche Publikum auf unsere musikalische Reise mitzunehmen.

Wie sind Sie mit der Musik in Kontakt gekommen?

Michael Kaeshammer: Durch meinen Vater. Er hat viel Klavier gespielt als ich ein Kind war und mir in jungen Jahren schon die Grundlagen des Blues und Jazz beigebracht. Auch seine Plattensammlung hatte einen großen Einfluss auf mich. Ich habe als Kind eine Schallplatte nach der anderen in den Keller mitgenommen, wo das Klavier stand. Dadurch habe ich alles gelernt, was mich inspirierte. Diese prägende Zeit ist heute noch in meiner Musik verankert.

Sie wurden in Offenburg geboren, sind dann als Teenager nach Kanada umgezogen. Wie war das damals für Sie?

Michael Kaeshammer: Wir wussten schon viele Jahre vor dem Umzug, dass wir nach Kanada auswandern werden. Ich konnte mich also gut darauf einstellen und freute mich auf Nordamerika. Die Musikszene in Vancouver hat mich mit offenen Armen empfangen und zu dem gemacht, der ich heute bin. Ich weiß nicht, ob ich denselben Karrieregang verfolgt hätte, wenn meine Familie nicht nach Kanada gezogen wäre.

Ihre Tour startet in Ihrer Heimatstadt. Haben Sie noch Familie und Freunde in Deutschland, die zur Premiere kommen?

 Michael Kaeshammer: Ja, einige Familienmitglieder wohnen in der Nähe und werden definitiv bei den Konzerten präsent sein. Es gibt da auch noch ein paar Lehrer aus meiner Schulzeit, die auch kommen werden. Das freut mich natürlich immer ganz besonders. Die Kindheit in Offenburg war schön, und das Kind, das in Offenburg aufwuchs, ist auch immer noch in mir drin.

Freuen Sie sich besonders auf diese beiden Abende?

Michael Kaeshammer: Ich freue mich sehr auf die beiden Konzerte in Offenburg. Es ist der perfekte Start für die Tournee. Aber ich freue mich auch auf die größeren Städte. Ich habe während meiner letzten PR-Tour viele neue Freundschaften geschlossen, und kann es kaum erwarten zu zeigen, was ich und meine Band live draufhaben. Wir werden jeden Tag auf der Tournee genießen.

Ihr erstes Album heißt „Blue Keys“ in Anlehnung an „Blue Note“, das berühmte Jazz-Label?

Michael Kaeshammer: Mit dem Jazzlabel hat der Titel eigentlich nichts zu tun, aber beide Namen haben im weiteren Sinne dieselbe Bedeutung. Ich nannte das Album damals „Blue Keys”, um dem Käufer klar zu machen, dass die Musik (gespielt durch die Klaviertasten oder „Piano Keys”) einen „Blues Flair” haben. Eben, dass die Songs viele „Blue Keys” beinhalten.

Jazz und Blues hängen ja auch zusammen. Was bedeutet Ihnen denn der reine Jazz? Welche Künstler haben Sie am meisten geprägt und inspiriert?

Michael Kaeshammer: Ich war schon immer inspiriert von Musikern, die es verstanden haben, Emotionen durch Musik zu vermitteln, ohne dabei den Entertainment-Faktor zu vergessen. Im Jazz faszinieren mich Künstler wie Louis Armstrong, Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Nina Simone, Count Basie, Big Joe Turner und viele andere. In Nordamerika sagt man, dass sich die Art wie man Jazz spielt geändert hat, nachdem er an Universitäten als Fach unterrichtet wurde. Das ist natürlich eine andere Lehrweise, als wenn man direkt mit den Künstlern auf der Bühne steht, die diesen Musikstil erfunden und geprägt haben. Was ich in meiner Zeit in Vancouver, Toronto, und New Orleans von legendären Musikern gelernt habe, kann man in keiner Universität lernen. Ich bin unendlich dankbar, dass ich dies erleben durfte. Wenn man heute in Städten wie New Orleans ein Jazzkonzert besucht, dann hat das immer noch denselben Ansatz wie zu Louis Armstrongs Zeiten.

Sie gehen seit Jahren schon regelmäßig in China auf Tour. Wie kam es dazu?

Michael Kaeshammer: Ich wurde 2008 vom Vancouver Olympic Committee eingeladen, in Peking aufzutreten – 2010 in Vancouver waren die darauffolgenden Olympischen Winterspiele, bei denen ich dann bei der Eröffnungsfeier der Paralympics auftrat. Diese Einladung war meine erste Reise nach China. Ich war bis dahin noch nie in einem Land aufgetreten, das so anders war als die nordamerikanische und europäische Welt. Es war faszinierend, dies zu erleben. Dann wurde ich von einem chinesischen Promoter für eine längere Tour eingeladen. Das chinesische Publikum liebte meine Musik, und ich war seitdem für neun weitere Tourneen dort. Die nächste Tournee ist für den Herbst 2024 geplant. Alle Tourneen umfassen zwischen 15 und 20 Städten, vom südchinesischen Meer bis in die Mongolei.

Musik schlägt Brücken, wie man an Ihnen und Ihren Reisen nach China sehen kann. Müssten wir uns also viel mehr von unseren Gefühlen leiten lassen, die durch Musik so einzigartig transportiert werden?

Michael Kaeshammer: Kunst in allen Formen ist ein Ausdruck von Emotionen und Gefühlen. Wenn man nichts zu sagen hat, kann man nichts Echtes kreieren. Das muss nicht immer etwas Tiefgründiges sein. Es kann auch eine leichte und lockere Emotion sein. Die Tatsache, dass ich singe und Klavier spiele, ist nur der Träger, das Vehikel, um meine Ansichten und Gefühle zu vermitteln. Marva Wright, die New Orleans Gospel Queen, hat mir damals in New Orleans genau diese Lehre erteilt: Die Musik bringt uns alle nur in denselben Raum. Was du damit machst, ist der eigentliche Grund, warum wir da sind. Wenn zwei Menschen nicht dieselbe Sprache sprechen oder nicht dieselben Ansichten haben, können Kunst und Musik eine emotionale Verbindung herstellen, die Brücken baut. „Music is a powerful weapon.“

Letzte Frage: In Kanada sind Sie neben der Musik auch eine bekannte TV-Persönlichkeit mit einer eigenen Koch- und Musikshow namens Kaeshammer's Kitchen. Sind Musizieren und Kochen für Sie vergleichbar?

Michael Kaeshammer: Absolut. Mein Motto in beiden Fällen ist dasselbe: Nimm die richtigen Zutaten und zaubere etwas Schönes daraus. Ich kann mit schlechten Zutaten kein gutes Essen kochen, genauso wie meine Musik sich nicht gut anhören wird, wenn mein Schlagzeuger nicht gut ist. „You are only as strong as your weakest link.“ Beim Kochen als auch bei der Musik kann man improvisieren und seiner Fantasie freien Lauf lassen.

Das könnte Sie auch interessieren