06.12.2016 Interview mit Plácido Domingo

"In Verdis Zeit wäre das ein Sakrileg gewesen!"

Inszeniert Verdis Erfolgsoper neu: Star-Tenor Plácido Domingo.
Inszeniert Verdis Erfolgsoper neu: Star-Tenor Plácido Domingo. Fotoquelle: 360b / Shutterstock.com

Mit "Aida" bringt Star-Tenor Plácido Domingo 2017 die wohl berühmteste Oper der Welt in Stadien in ganz Europa. Ein Massenspektakel, das nicht nur auf Gegenliebe stößt. Wir haben Domingo in Wien getroffen und mit ihm über das Projekt gesprochen.

Herr Domingo, bei einem großen Projekt wie der „Aida Stadium World Tour“ bewegen Sie sich auf einem schmalen Grat zwischen Kunst und Event, zwischen Opern-Genuss und Spektakel. Wie wollen Sie diese beiden Welten miteinander verbinden?

Nun, ich glaube, es wird hier zwei Zuschauergruppen geben: auf der einen Seite das Publikum, das Oper liebt, das deshalb zu den Aufführungen kommt, weil es die Künstler kennt. Und auf der anderen Seite das Publikum, das genau wegen des Spektakels kommt. Und wir müssen beide Gruppen glücklich machen. Ich glaube, ein großer Teil der Besucher wird aus der breiten Bevölkerung kommen, und das ist toll, das ist ja auch die Idee hinter der Tour. In ein klassisches Opernhaus passt ja nur ein Bruchteil der Zuschauer, die in ein Fußballstadion passen.

Sie dirigieren einige der Shows ja auch selbst. Wie wollen Sie bei einem so großen Event und einer so großen Bühne Kontakt zu den Darstellern und Musikern halten?

Das ist unter anderem eine Frage der Proben. Und: Bei so großen Stadien brauchen wir natürlich Technik, wir brauchen Lautsprecher und Verstärker. Wichtig ist, dass der Sound perfekt ist, das ist für uns sogar eines der wichtigsten Details, ohne das wären wir verloren, da könnten wir das größte Spektakel bieten und die berühmtesten Sänger engagieren.

Sie sagen, dass es gar nicht anders ging, als mit Aida zu starten, weil es die berühmteste Oper der Welt ist. Das klingt so, als hätten Sie den Wunsch oder sogar Pläne, weitere Opern auf diese Art zu inszenieren?

Man hat mich für dieses Projekt engagiert und durchaus durchklingen lassen, dass man weitere Ideen im Kopf hat. Aber erst einmal haben wir jetzt unsere zehn Aufführungen vor uns. Ob es weitere Projekte gibt, hängt natürlich von vielen Dingen ab, davon, ob die Zuschauer unsere Aida mögen oder nicht, davon, wo weitere Projekte stattfinden würden und so weiter. Vielleicht spielen wir Aida aber erst einmal auch noch sehr lange und an sehr vielen weiteren Orten. Das hier ist der Anfang einer großen Lotterie: Niemand weiß, wie das Ergebnis aussehen wird.

Aida werden sie unter anderem auch in vier deutschen Städten aufführen. Wie würden Sie das deutsche Opern-Publikum beschreiben?

Es ist eines der kultiviertesten der Welt, würde ich sagen. Die Deutschen lieben die Opern wirklich! Sehen Sie nur, wie viele Städte ein eigenes Opernhaus haben – von den großen wie München, Hamburg, Köln, Frankfurt oder Berlin bis hin zu Städten wie Kassel, Hannover, Düsseldorf oder Bonn. Das heißt, in diesem Land hat die Oper einen hohen Stellenwert. Aber: Im Sommer sind die Häuser mehr oder weniger geschlossen. Und wenn wir dem Publikum da etwas anbieten können, wird es das hoffentlich annehmen und ebenfalls lieben.

Die Geschichte von Verdi und seiner Aida ist sehr speziell, die ersten Aufführungen hat er selbst dirigiert und die Oper wurde schnell ein Erfolg. Glauben Sie, er hätte Ihr Projekt gemocht?

Ich bin nicht sicher. Wenn er heutzutage leben würde, dann mit Sicherheit, ja. Aber in Verdis Zeit wäre das ein Sakrileg gewesen! Da standen die besten Stimmen auf der Bühne, aber natürlich ohne technische Verstärkung. Aber wenn er heute leben würde, würde er es lieben, dass so viele Menschen zu einer Opernaufführung kommen.

Neben solchen Großprojekten sind Sie auf in der Nachwuchsförderung aktiv – und in der Förderung unbekannterer Musik. Finden Sie dafür nach wie vor Zeit?

Ich habe mich in meiner Karriere immer sehr für Komponisten interessiert, deren Werke nicht so oft aufgeführt werden. Und auch heute ist das noch etwas, das mich sehr fasziniert. Ich weiß zwar nicht, wie oft ich selbst noch als Sänger auf der Bühne stehen werden, aber das ist etwas, das ich in jedem Fall weiter verfolgen werde.

Florian Blaschke führte das Interview.

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