02.04.2024 Bremer "Tatort"-Kommissarin im Interview

Jasna Fritzi Bauer: "ein schönes Gefühl, wenn man etwas bewegen kann"

Von Julian Lorenz
Jasna Fritzi Bauer spielt
Kommissarin Liv Moormann.
Jasna Fritzi Bauer spielt Kommissarin Liv Moormann. Fotoquelle: Radio Bremen/Claudia Konerding

Der Bremer Tatort hat mit Liv Moormann und Linda Selb seit drei Jahren ein weibliches Ermittler-Duo. prisma hat Jasna Fritzi Bauer, die Moormann spielt, zum neuen Fall befragt. 

Seit drei Jahren spielen Sie im Bremer „Tatort“ die Kommissarin Liv Moormann. Wie ist das für Sie, eine Rolle über einen so langen Zeitraum zu spielen?

Ich finde es spannend, eine Rolle so lange zu verkörpern, weil sich der Charakter immer weiterentwickeln kann. In Filmen ist man die Entfaltung der Figuren normalerweise auf 90 Minuten beschränkt, die der Film dauert.. Dadurch, dass wir weitermachenman beim „Tatort“ dabei ist, kann man den Rollen neue Facetten. geben. Das macht einfach Spaß.

Können Sie sich vorstellen, diese Rolle für über 30 Jahre zu verkörpern, wie es zum Beispiel Ihre Münchner Kollegen getan haben?

Ich würde nicht sagen, dass es nicht passieren kann, denn die Kollegen aus München oder auch Frau Folkerts als Lena Odenthal waren so lange auf ihren Posten. Für mich ist es allerdings schwierig, sich das vorzustellen.

Waren Sie schon einmal unzufrieden wegen einer Entscheidung bezüglich Ihrer Rolle?

Ja, nicht nur einmal. Aber genau deshalb werden wir glücklicherweise in die Drehbucharbeit mit einbezogen und können mit der Redaktion und den Drehbuchautoren ein bisschen diskutieren. Manchmal tauschen wir zum Beispiel auch Texte, also zwischen mir und meiner Kollegin Luise Wolfram, weil wir das Gefühl haben, dass es so besser passt. Denn die Drehbuchautoren schreiben ja nicht durchgehend unsere Rollen. Sie produzieren immer nur eine Folge und kennen unsere Rollen deshalb nicht so gut wie wir selbst.

Im neuen „Tatort: Angst im Dunkeln“ ermitteln Sie und ihre Kollegin in einem Mordfall. Drei Mütter haben sich bewusst ohne Hilfsmittel im Wald ausgesetzt, verlieren im Dunkeln die Orientierung und am nächsten Morgen ist eine der Frauen tot. Wie gefällt Ihnen persönlich die Handlung dieser Folge?

Mir gefällt die grundsätzliche Prämisse: Drei Frauen gehen gemeinsam in den Wald, nur zwei kommen lebend wieder heraus. Und auch die verstrickte Nebengeschichte mit dem Cold Case, der eine Verbindung zu diesem Mord aufweist, finde ich sehr gelungen.

Die Mütter hatten sich zum sogenannten „Dropping“ entschieden, um herauszufinden, ob dieser Trend zu gefährlich für ihre Kinder ist. Gibt es dieses Phänomen wirklich?

Ja, das gibt es wirklich. Dieser Trend kommt wohl aus den Niederlanden. Allerdings finde ich es ein bisschen übertrieben, dass diese Helikoptermütter das erst einmal selbst ausprobieren wollen. Die Kinder, um die es hier geht, sind nicht zwölf, sondern zum Teil fast erwachsen.

Würden Sie „Dropping“ in Ihrer Freizeit ausprobieren?

Das kommt ganz auf die Gruppe an. Allein hätte ich da keine Lust drauf und ich müsste auch nicht unbedingt im Wald übernachten. Aber es ist für mich auch keine schlimme Vorstellung, besonders dann, wenn man in einer Gruppe ist. Alles hat ein Ende, auch ein Wald. Wenn man genug Proviant dabeihat, dann geht das schon.

Das stimmt. Gerade in Deutschland sind die Wälder oft sehr endlich.

Ja, das stimmt. In Australien wäre das nochmal eine andere Sache.

Mittlerweile gibt es weit über 1000 „Tatort“-Folgen. Leidet darunter die Abwechslung der Geschichten?

Ich gucke viele „Tatorte“ und natürlich merkt man manchmal, dass sich Geschichten wiederholen. Aber dadurch, dass diese Geschichten in anderen Städten spielen und von völlig unterschiedlichen Menschen begleitet werden, sind sie thematisch dann doch anders. Klar passiert es mal, dass es einmal im selben Jahr zwei Stalking-Fälle oder ähnliches gibt, aber selbst so etwas fällt mir nur selten auf. Und dann werden die Geschichten trotzdem unterschiedlich erzählt.

Ich finde, dass die Autoren immer wieder neue, relevante Themen finden, mit denen sich die Filme auseinandersetzen. So hat ein Wiener „Tatort“ etwa vor Kurzem einen differenzierten Blick auf die Massentierhaltung geworfen. So bleiben die „Tatort“-Filme auch nach 1200 Episoden noch abwechslungsreich.

Ja, das finde ich auch.

Wie sind Sie überhaupt zum „Tatort“ gekommen?

Ich wurde ganz klassisch zum Casting eingeladen. Das kam zwar sehr unerwartet, aber ich bin trotzdem hingegangen. Das Casting hatte ich dann mit einer anderen Kollegin, die sich gegen die Rolle entschieden hat. Zu dem Zeitpunkt war ich auch gerade 30. Da war es für mich eine willkommene Abwechslung, eine Kommissarin zu spielen, anstatt einer der vielen jungen Rollen, für die ich vorher oft gecastet wurde.

Glauben Sie denn, Sie wären im echten Leben eine gute Polizistin?

Auf keinen Fall.

Woran liegt's?

Das kann ich so allgemein gar nicht sagen. Ich würde aber keine Polizistin sein wollen, vor allem bei der Mordkommission. Das muss eine große seelische Belastung sein, wenn man all diese Leichen sieht und nachvollziehen muss, wie diese Menschen ermordet wurden. Da blickt man in schlimme Abgründe. Und dann gibt es noch andere, belastende Arbeit bei der Polizei. Beispielsweise, wenn es um Misshandlung oder Kinderpornografie geht. Da braucht man ein dickes Fell.

Wie viele andere Kolleginnen und Kollegen im Schauspiel haben auch Sie eine Karriere im Theater hinter sich. Warum sind Sie von der Bühne zur Kamera gewechselt?

Das kam einfach mit den Chancen, die sich mir geboten haben. Ich habe mich nicht bewusst dazu entschieden, vor die Kamera zu wechseln, sondern habe schon angefangen zu drehen, als ich noch Schauspiel studiert habe. Eigentlich spiele ich gerade nur deshalb kein Theater, weil ich damals gekündigt wurde und dann keine Lust mehr hatte, direkt wieder in ein festes Engagement zu gehen. Ich würde gerne wieder aktiver Theaterspielen und habe auch vor, das zu machen. Der Wechsel hin zur Kamera war also eher ein schleichender Prozess.

Was vermissen Sie denn am Theater?

Das ist eine andere Art und Weise zu arbeiten. Ich spiele Theater, seit ich zwölf bin und finde, dass man das nur schwer vergleichen kann. Für mich ist Theater unendlich, weil man jeden Tag den Bogen der Rolle durchspielt und jeder Abend anders ist. Film ist endlich, weil ich, wenn’s hochkommt, vier Versuche habe, um eine Einstellung gut zu drehen. Danach habe ich keinen Einfluss mehr darauf. Ich muss darauf vertrauen, was andere Menschen aus diesem Produkt machen und kann es nicht mehr verändern.

Wie ist das, wenn das Publikum so direkt auf die eigenen Handlungen reagieren kann?

Der Kontakt mit dem Livepublikum ist eine schöne Erfahrung. Selbst dann, wenn es den Leuten nicht gefällt, kriegt man etwas zurück. Ich glaube, dass es immer mindestens einen Menschen im Raum gibt, den man zum Nachdenken bewegen kann. Auch wenn er nur zehn Sekunden darüber nachdenkt, was man da auf der Bühne gesagt hat, hat man schon etwas erreicht.

Möchten Sie die Menschen auch mit Ihren „Tatorten“ zum Nachdenken anzuregen?

Na ja, die Filme sollen natürlich schon unterhalten. Ich finde allerdings auch, dass öffentlich-rechtliche Sender einen Bildungsauftrag haben. Und ich freue mich natürlich, wenn wir diesen Bildungsauftrag manchmal unterstützen können, indem wir zum Beispiel soziale Ungerechtigkeiten aufzeigen oder über Themen sprechen, die unser Land gerade bewegen. Das ist natürlich nicht immer der Fall – manchmal geht es auch einfach um Unterhaltung und das ist völlig in Ordnung. Aber es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl, wenn man etwas bewegen kann.

Wo können Fans Sie in nächster Zeit noch sehen?

Ich habe in einer Folge der Amazon-Serie „Viktor Bringt’s“ mitgespielt. In der Serie sind unter anderem Moritz Bleibtreu und Enzo Brumm zu sehen.

Der Tatort: Angst im Dunkeln ist an Ostermontag, 1. April, um 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD Mediathek zu sehen.

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