Tragikomödie im BR

"Freilaufende Männer": Referenzwerk für die "Mittelalten"

von Frank Rauscher

Natürlich, liebe Damen: Männer, bekanntlich die sensibelsten aller Tierchen, wollen artgerecht gehalten werden und brauchen ihr kleines bisschen Freiheit. Aber lasst eure Exemplare bloß nie ganz von der Leine! Sonst passiert ihnen womöglich dasselbe, wie den drei "freilaufenden Männern" Thomas (Wotan Wilke Möhring), Jens (Mark Waschke) und Malte (Fritz Karl) in Matthias Tiefenbachers überragend beobachteter Psychostudie von 2011.

BR
Freilaufende Männer
Drama • 04.08.2018 • 22:00 Uhr

Die drei Prachtkerle, langjährige Freunde, alle um die 40, ziehen aus, um ein bisschen Urlaub zu machen, es krachen zu lassen, auf die Kacke zu hauen, die Sau rauszulassen, oder wie Mann so eine Fortbildungsreise ins Epizentrum einer Männerfreundschaft sonst noch so nennt. Man könnte sich als Zuschauer fast mitfreuen, hätte man nur nicht diese leisen, bösen Vorahnungen ...

Die mit drei der besten Schauspieler ihrer Generation besetzten Rollen sind herrlich exakt geschliffen, und nur um genau jene Nuance überspitzt, die sie von der Profanität abhebt. Alles vertreten, was man so kennt: Jens, der eher nüchtern veranlagte Spießer und treu sorgende Familienvater, der aber auch seine geheimen Sehnsüchte hat – er lebt sie aus im Bett mit der zauberhaften Karin (Jördis Triebel). Oder Thomas, der Verletzliche und schon vom Leben angezählte Alleinstehende – trockener Alkoholiker, von der großen Liebe verlassen, unter Phobien leidend, schwerer Hypochonder, guter Kerl. Und schließlich Malte, der Lebemann und Aufschneider, der kurz vor dem totalen Ruin steht, aber die Puppen tanzen lässt, als wäre nichts – nur keine Schwäche zeigen, ein Poser vor dem Herren.

Heiter bis wolkig

Vielleicht muss man gar nicht mehr sagen, denn, liebe Damen, schicken Sie drei solche Kerle doch mal in ein einsames Ferienhaus im schönsten schwedischen Nirgendwo! Was wird dabei wohl herauskommen? Klar, da gibt es erst mal Lagerfeuer, Bier und Männergespräche bis zum Abwinken. Dann kommt die weibliche Komponente ins Spiel – in diesem Fall Supermarktverkäuferin Malin (ein Traum in Blond: Lisa Werlinder, schwedische Schauspielerin und Popsängerin). Sie reißt mit ihrem unwiderstehlichen, quirligen Sex-Appeal vor allem Thomas und Malte mit. Es wird gebuhlt, geflirtet, gegrillt, gekifft, gesoffen, gealbert, gelabert und gekotzt. Und ein bisschen Eifersucht ist auch schon im Spiel – so weit, so gut. Die Stimmung ist heiter bis wolkig, doch das kann verdammt schnell kippen.

Natürlich wird der Männertrip ins garantiert Lindström-freie Schweden alsbald viel tiefer gehen als je geahnt. Er wird die Jungs, denn das sind Männer doch so oft auch in diesem Alter noch, jeden für sich und alle zusammen, an emotionale und psychische Grenzen führen – es trifft sie völlig unvorbereitet, und doch hätte man damit rechnen müssen: Drei Männer in der Mitte ihres Lebens, und immer noch sind da viel mehr Fragen als Antworten. Wie wird es weitergehen? Gibt es ein Ziel? Wo sind die Perspektiven? Was ist schiefgelaufen? Überhaupt, was bedeutet Freundschaft, und was ist Liebe? Die große Sinnsuche. Kleiner geht's gerade nicht für die Männer, die ihre Sorgen eigentlich einfach mal zu Hause lassen wollten.

Zeit, die Hosen runterzulassen

Mitten in dieses ohnehin explosive Gemisch platzen ein merkwürdiger Nachbar (Filip Peeters), ein Über-Fünfzigjähriger, der so tut, als kenne er das Leben besser als die drei zusammen (und mit der schönen Malin schläft) sowie, große Überraschung, Karin, Jens' Verhältnis. Sie ist zweifellos die Patenteste in dem ganzen Haufen, aber jetzt wird eben auch noch gevögelt im Ferienhaus, und sogar einen von Frauenhand fürstlich gedeckten Frühstückstisch gibt es. Jeder, der so einen Männertrip schon erlebt hat, weiß, dass spätestens hier das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Zeit, die Hosen runterzulassen, die Karten auf den Tisch zu legen, meine Herren!

Regisseur Tiefenbacher und Autor Gernot Gricksch erzählen, angelehnt an den gleichnamigen Roman von Gernot Gricksch, hier absolut seriös jede Menge Wahrheit und am Ende auch ziemlich großes Drama, doch sie bleiben ihrer grundsätzlich heiteren Tonalität auch im Bitteren treu, schrecken gar vor Slapstick nicht zurück. Immerhin geht es ja um die Generation der großen Zyniker, deren Ton und Lebensgefühl der Film so gut trifft. Erst kommt einer fast ums Leben, und dann steht da – klar, Schweden – ein Elch blöd herum ...

"Freilaufende Männer" ist ein tragikomisches Referenzwerk für die "Mittelalten" und zeigt, was passiert wäre, wenn die Protagonisten des Hollywood-Kultstreifens "Hangover" nicht nach Vegas gefahren wären, sondern, sagen wir, nach Tennessee. Schluss mit lustig halt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren