Provokantes HR-Fernsehspiel

"Sechzehneichen": Eine verrückte, abgeschirmte Welt von reichen Menschen

08.03.2023, 08.03 Uhr
von Jens Szameit

Mit "Sechzehneichen" gibt es ein HR-Fernsehspiel, das nicht unbedingt gemocht werden will. Reiche Menschen ziehen in eine abgeschirmte Wohngegend. Doch bald entpuppt sich das vermeintliche Paradies aus Designer-Möbeln und Bio-Holz als bizarre Hölle. 

ARD
Sechzehneichen
Thriller • 08.03.2023 • 20:15 Uhr

Ist das angenehm ruhig hier. Und alles so gepflegt. Gleich hinterm Pförtnerhäuschen beginnt tatsächlich das Paradies – oder halt die Hölle auf Erden. Das ist in "Sechzehneichen" (2012), einer fiktiven Gated Community irgendwo in Deutschland, eine Frage der Perspektive. – Himmel, diese Hessen! Das ist schon ein äußerst böser Sozialkommentar, den der kleine HR nun noch einmal im Ersten präsentieren darf. Wasser auf die Mühlen all jener, die sich im Akademikerkiez unter all den Besserverdienenden mit Bionadebedürfnis schon jetzt ein kleines bisschen wie im Horrorfilm vorkommen.

Luxus-Wohnkomplexe sind überall zu finden

Ausgedacht haben sich Achim von Borries (Buch) und Hendrik Handloegten (Buch und Regie) das Phänomen indes nicht: Gated Communities – eingezäunte Wohnareale für die Oberschicht – gibt es inzwischen an recht vielen Orten der Erde. In Asien, Nord- und Südamerika schotten sich die Reichen in Luxus-Ghettos vor Armut und Kriminalität ab. Auch in Deutschland gibt es von Aachen über Potsdam bis München vereinzelte Wohnkomplexe dieser Art. Wer am Pförtner vorbeiwill, muss entweder hier leben oder von einem der Bewohner namentlich angemeldet werden.

So ist das auch in "Sechzehneichen" – einer Edel-Kommune mit weitläufiger Natur und eigenen Einkaufsmöglichkeiten. Nils Eichhorn (Mark Waschke) hat sich mit seiner allergiekranken Frau Laura (Heike Makatsch) und der gemeinsamen Tochter für eine Luxusimmobilie entschieden. Die dreckige, laute Großstadt war einmal. Jetzt wohnt die Kleinfamilie in trauter Abgeschiedenheit inmitten sündteurer Design-Möbel aus Bio-Holz.

Es beginnt ein absurder Horrorsog

Laura wird mit der neuen Umgebung trotzdem nicht warm. Vor allem nicht mit den Nachbarn. Die strengen Männer blinzeln konspirativ aus ihren Rollkragenpullis, ihre bildschönen Frauen sind scheinbar irgendwie durch den Wind. Nils versteht sich hingegen prächtig mit den neuen Bekannten. Einer empfiehlt ihm mit Nachdruck, die ARTE-Doku um halb eins nachts einzuschalten (gute Pointe!), doch statt Kulturfernsehen werden ganz andere Bilder ins Programm eingespeist. Fünf maskierte Männer vögeln Marlene (Lavinia Wilson), die Frau vom Nachbarn. Spätestens jetzt müsste Nils Frau und Kind einpacken und das Weite suchen. Aber der Alpha-Mann entscheidet mit der unteren Körperhälfte – er will da mitmachen.

Langsam und unwirklich entfaltet sich ein schier absurder Horrorsog, der kaum zu glauben ist, aber bei aller Überzeichnung viel Wahres preisgibt. Die ästhetischen Bilder und die formale Strenge haben viel vom dystopischen Zukunftskino der 60-er und 70-er. Das Thema ist aber brandaktuell. Achim von Borries und Hendrik Handloegten haben das faschistoide Potenzial von Reichen-Gettos radikal zu Ende gedacht und in eine provokante Sozialparabel gepackt. Kein Film, der gemocht werden will, sondern – wenn man so will – eine sehr vornehme und äußerst diskrete Art der Publikumsbeschimpfung.

Sechzehneichen – Mi. 08.03. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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