ZDF und BR mit Western-Klassiker

"Winnetou" und "Old Shatterhand": Warum will die ARD die Karl May-Klassiker nicht ausstrahlen?

03.04.2023, 16.57 Uhr
von Marina Birner

Zur Oster-Zeit präsentiert das ZDF und der BR zahlreiche Western-Klassiker aus den 60er-Jahren. Da dürfen natürlich auch  "Winnetou" und "Old Shatterhand" nicht fehlen. Hier erfahren Sie, wann die Karl May-Klassiker im TV laufen und warum das Erste schon länger auf die Ausstrahlung sowie die Verlängerung der Lizenzverträge für die Filme verzichtet. 

Das Zweite und das BR-Fernsehen reisen zu Ostern in ein fiktives Amerika des 19. Jahrhunderts: in den Wilden Westen. Die Sender zeigen den einen oder anderen Karl-May-Streifen aus den Jahren 1962 bis 1968. "Im Einzelfall wird bei allen Filmen stets geprüft, ob der jeweilige Film in unser Programm passt", erklärten die Verantwortlichen des BR vorab – offenbar ein Muss in Zeiten hochkochender kulturpolitischer Debatten.

Kann "Winnetou" Gefühle verletzen?

Zur Erinnerung: Im August 2022, im Zuge des deutschen Kinostarts des Kinderfilms "Der junge Häuptling Winnetou" von Regisseur Mike Marzuk, entbrannte eine hitzige Debatte um Kulturaneignung, die bis heute kaum abgekühlt ist. Dabei war eigentlich gar nicht so viel passiert. Der Ravensburger Verlag kündigte seinerzeit an, neben einigen Spielen zum Film auch das gleichnamige Kinderbuch aus dem Sortiment zu streichen. Man wolle vermeiden, mit den "Winnetou"-Titeln weiterhin die Gefühle anderer zu verletzen, erklärten die Verantwortlichen in einem Instagrampost. Diese Entscheidung sei auf das breite Feedback der Nutzer zurückzuführen.

Das Zürich Film Festival zeigte indes den Film ganz bewusst, auch um "der Cancel Culture die Stirn zu bieten", wie der ZFF-Direktor Christian Jungen damals betonte. Auch dem Boulevard kam in der Diskussion um die aus der Feder des berühmten Abenteuerromanautors Karl Friedrich May (1842 bis 1912) stammenden Werke eine wesentliche Rolle zu: Anders als vereinzelt berichtet wurde, entschied sich die ARD schon lange vor dem Diskurs, auf die Ausstrahlung der adaptierten, gleichnamigen "Winnetou"-Filme aus den 60er-Jahren zu verzichten. Und es hieß seitens der ARD: Die Nichtverlängerung der Lizenzverträge habe keine inhaltlichen Gründe, sondern wirtschaftliche. Die Rechte an den Klassikern liegen bereits seit Anfang 2021 nicht mehr bei der Tochtergesellschaft Degeto, sondern beim ZDF. Es handelte sich also eher um eine Scheindebatte.

'Kulturelle Aneignung' als Kampfvokabel

Und auch wenn es manche heute anders sehen wollen: Die Western gehören zu den literarischen Klassikern, und auch die Filme sind Kulturgut. Die Geschichten ranken sich rund um den fiktiven Häuptling der Mescalero-Apachen, der mit seinem Gewehr "Silberbüchse" auf seinem Pferd Iltschi durch die Prärie reitet und stets edel für das Gute kämpft. May stellte dem Indianer Winnetou einen weißen Mann an die Seite, einen verlässlichen Freund und Blutsbruder: Old Shatterhand. Aus dessen Perspektive erzählen auch die Bücher, die – ganz im Sinne ihres Schöpfervaters – im Großen und Ganzen eine Allegorie auf den "roten Mann" darstellen sollten. Auch wenn Begrifflichkeiten und Ansatz nicht mehr zeitgemäß sind, haben die hochmoralischen Filmwerke doch ihre Berechtigung.

Der zuständige BR-Filmredakteur und Western-Experte Harald Steinwender meint dazu: "Ein gewisser Kulturtransfer ist nichts Neues", das habe es schon immer gegeben – mal einseitig, mal in beide Richtungen: "Das ist nichts Besonderes, und der im Kontext der Karl-May-Filme zunehmend geäußerte Vorwurf der 'kulturellen Aneignung' erscheint mir in diesem Kontext doch sehr als Kampfvokabel." Filmklassiker seien immer auch ihrer Zeit verhaftet und daher unbedingt als solche zu betrachten.

Karl May bleibt "lohnende Lektüre"

Zu den Rassismus-Vorwürfen verfassten die Karl-May-Gesellschaft und die Karl-May-Stiftung einen offenen Brief, in dem es heißt, dass der Autor, der häufig auf einige Film-Klischees reduziert wird, eine "differenzierte Betrachtung" verdiene. "Seine überaus einflussreiche Repräsentation außereuropäischer Kulturen ist selbst längst Teil der europäischen Kulturgeschichte und lehrreiches Exempel einer produktiven und autoreflexiven Begegnung mit Alterität", schreiben die Karl-May-Forschenden weiter. Man könne die Wunden der Menschen, die sich dadurch verletzt fühlen, nicht dadurch heilen, den "Verursacher – oder stellvertretend für ihn eine historische Künstlerpersönlichkeit – kurzerhand auszuradieren". Seine Werke seien nach wie vor eine "lohnende Lektüre", da May in seinen Texten "Vorurteile voraussetzt, verbalisiert, bekämpft und überwindet".

Im BR-Dritten ist der Film "Old Shatterhand" (1964) sowohl am Samstag, 8. April, um 23.00 Uhr, als auch am Sonntag, 9. April um 14.05 Uhr zu sehen. Auch in diesem Western sind Lex Barker und Pierre Brice unter der Regie von Hugo Fregonese in den Hauptrollen zu sehen. In der Nacht zum Sonntag, 9. April, dürfen sich Karl-May-Fans über den Klassiker "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" (1968, 00.55 Uhr) freuen ebenso wie am Montag, 10. April, um 14.35 Uhr. Das ZDF zeigt die drei "Winnetou"-Filme: Teil eins (1963) am Freitag, 7. April, um 11.50 Uhr, Teil zwei (1964) am Sonntag, 9. April, um 10.15 Uhr, und Teil drei (1965) am Montag, 10. April, um 11.00 Uhr.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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