Einen Titel wie "Back for Good" für einen Film zu wählen, ist beinahe fahrlässig. Dem Gros der Kinobesucher wird sofort Take That einfallen, denn die britische Boyband hatte mit diesen drei Worten einen ihrer großen Hits. Doch selbst wenn einem die Melodie der Schmachtballade zunächst noch im Kopf umherschwebt, wird nach 95 Minuten ein Film für sich stehen – mit einer Regisseurin, die man sich merken sollte, und einer Hauptdarstellerin, für die das Gleiche gilt.
Hier stimmt alles. Und das ist zu Anfang alles andere als absehbar in diesem sensationell unkonventionellen Kinodebüt von Mia Spengler. Die 32-jährige Regisseurin hat mit Kim Riedle die perfekte Hauptdarstellerin gefunden, eine, die trotz künstlicher Fingernägel beherzt mit anpackt, um den Film zu schultern. Leicht hat es ihre Angie nicht. Denn nach dem inszenierten Drogenentzug muss das blondierte TV-Sternchen zurück zur gestrengen Mutter (Juliane Köhler), weil sich niemand findet, der ihr kurzfristig eine Couch anbietet, bis sie ins Dschungelcamp darf.
Zu diesem Zeitpunkt wähnt die im Stile einer Katzenberger ausgestattete Wasserstoffblondine ihre Karriere noch am Gedeihen. Im Grunde trifft es sich ganz gut, mal wieder zu Hause bei der kleinen Schwester (Leonie Wesselow) zu sein, für die es wichtig gewesen wäre, dass Angie ihre Freundschaftsanfrage auf Facebook nicht abgelehnt hätte. Doch das war der Manager, derselbe, der gerade seine Frau geschwängert hat, statt sie für Angie zu verlassen.
Zu Hause auf dem Dorf ist die Welt ohnehin nicht glamourös, das merkt man spätestens, wenn man Angie in der Badewanne stehend zum Fenster hinausrauchen sieht. Um ihre Schwester Kiki kümmert sie sich rührend ungeschickt. Sie möchte dem Teenager beistehen, sich gegen die Gluckenmama zu wehren, auch wenn Kiki leichte Epilepsieschübe hat und daher etwas aufpassen muss. Doch der Schutzhelm hilft ihr weniger, als dass er sie als Außenseiterin brandmarkt.
Immer wieder wechselt Angie Schauplatz und Rolle: Da die Familie, dort ein Laufsteg und ein verzweifeltes Telefonat, um sich anzubiedern. D-Promi Angie ist ein Oberflächengemälde, doch Kim Riedle erweckt diese Frau zum Leben, indem jedes Gefühl in ihrem Gesicht zu lesen ist. Ein Gesicht, das nie zur Fratze einer Dramaqueen wird, sondern beeindruckend minimalistisch mimt. Ein Fest für alle, die Kino lieben.
Spenglers Thema sind die Medien, die sowohl bei der älteren als auch bei der jüngeren Schwester über Wohl und Wehe, über Erfolg und Scheitern bestimmen. Wie verloren sich ein Mensch in diesen Fesseln fühlt, zeigt dieser Film, ohne je den Boden der Realität unter den Füßen zu verlieren. Dafür bastelt Spengler viele kleine Momente, die man selbst entdecken darf und damit das Gefühl bekommt, Angie und ihre Mutter besser kennenzulernen. Vielleicht sogar besser als gewollt.
Der Eröffnungsfilm der Perspektive Deutsches Kino bei der Berlinale 2017 schaut unter die Oberfläche, ohne plakativ zu sein. Kim Riedle hat an dieser Stelle bereits ihr Meisterwerk geschaffen, das ihr Sprungbrett sein wird.
Quelle: teleschau – der Mediendienst