17.07.2023 Arzt-Kolumne

Krebstherapie ist nicht gleich Krebstherapie

Von Prof. Dr. med. Martin Schuler
Prof. Dr. med. Martin Schuler, Direktor Innere Klinik (Tumorforschung) und Stellvertretender Direktor des Westdeutschen Tumorzentrums der Universitätsmedizin Essen.
Prof. Dr. med. Martin Schuler, Direktor Innere Klinik (Tumorforschung) und Stellvertretender Direktor des Westdeutschen Tumorzentrums der Universitätsmedizin Essen. Fotoquelle: Universitätsmedizin Essen

„Wie geht es nun weiter, erhalte ich eine Chemotherapie?“ Diese Frage stellte mir zuletzt ein 65-Jähriger nach der Diagnose Lungenkrebs. Ich erklärte ihm, dass wir am Westdeutschen Tumorzentrum präzisionsonkologisch arbeiten. Das heißt: Wir betrachten jeden Patienten und dessen Tumor als einzigartig, schauen ihn uns ganz genau an, und erstellen dann einen individuellen Behandlungsplan. Wir nennen das Staging und Biomarkerdiagnostik. Das ermöglicht eine personalisierte Diagnostik und zielgerichtete Therapie, was den Behandlungserfolg entscheidend steigern kann.

Bei der Biomarkerdiagnostik geht es darum, anhand umfassender Untersuchungen einer oder mehrerer Gewebeproben möglichst viel über die Eigenschaften des Tumors herauszufinden, um eine daran angepasste Therapie zu ermöglichen. Hier interessiert uns zum einen die Zusammensetzung des Gewebes, die Ausprägung von Oberflächeneiweißen, aber auch, welche Genveränderungen möglicherweise Ursache für den Krebs sind. Diese Genuntersuchungen sind bei vielen Krebserkrankungen, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium, unbedingt erforderlich, da sie Aufschluss über die Wirkungschance und Unwirksamkeit sehr effektiver Medikamente geben.

Bei unserem Patienten wurde zum Beispiel ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert. Lungenkarzinome sind die Krebsart mit den weltweit meisten Todesfällen. Die Krankheit verläuft zunächst ohne Symptome. Deshalb wird ein Großteil der Erkrankungen erst im fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium erkannt. So auch bei unserem Patienten. Die gute Nachricht: Durch den Einsatz zielgerichteter Arzneien und Immuntherapien konnten in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte in der Behandlung von metastasierten Lungenkarzinomen erreicht werden.

Im Tumor des Patienten lag eine bestimmte Genmutation vor, für die es ein spezielles Medikament gibt, das das Wachstum der Tumorzellen hemmt. Diese erwies sich bereits bei anderen Patienten als wirksamer und besser verträglich als die herkömmliche Chemotherapie. Der Wirkstoff sorgt häufiger dafür, dass der Tumor schrumpft als das sonst eingesetzte Standardmedikament. Nach nur einem Jahr haben wir nun auch bei unserem Patienten die Erkrankung unter Kontrolle. Jetzt beobachten wir den weiteren Verlauf.

Das könnte Sie auch interessieren