07.08.2023 Arzt-Kolumne

Nesselsucht – wenn ein Hautausschlag das Leben zur Hölle macht

Von Dr. Julia Fischer
Dr. Julia Fischer moderiert montags die SWRGesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen.
Dr. Julia Fischer moderiert montags die SWRGesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen. Fotoquelle: SWR

Nesselsucht kann die Lebensqualität von Betroffenen stark beeinflussen. Was Sie dagegen tun können und warum es so wichtig ist, zum Arzt zu gehen, erklärt Doc Fischer.

Es müssen schreckliche Schmerzen sein, dachte ich, als ich von dieser Patientengeschichte zum ersten Mal hörte: „Mal ist es nur ein Ausschlag, mal sind es Quaddeln, mal sind es so richtige Beulen, die mit Wasser unterlegt sind. Die tun dann auch weh. Und von einem Tag auf den anderen gehen die weg und kommen woanders wieder. Das kann am Knie sein, das kann an den Händen sein oder im Gesicht oder an der Lippe. Dann ist plötzlich das ganze Dekolleté voll. Dann ist mal der ganze Bauch voll“, berichtete eine 62-Jährige in meiner Gesundheitssendung. Die leidenschaftliche Schwimmerin konnte sogar ihr Hobby eine Weile nicht ausüben, weil sie mit dem Ausschlag nicht ins Schwimmbad und in die Öffentlichkeit wollte.

Der Ausschlag juckte stark, nach dem Kratzen entstanden Schwellungen. Schließlich bekam sie sogar Fieber, fühlte sich richtig krank und ging endlich in eine Hautklinik. Dort stellten die Ärzte fest: Sie leidet an der sogenannten spontanen Urtikaria, auch Nesselsucht genannt. Dabei werden in der Haut liegende Entzündungszellen aktiviert, die den entzündungsfördernden Botenstoff Histamin ausschütten. Dadurch erweitern sich die Gefäße, Quaddeln entstehen. Heilt die Krankheit nicht innerhalb von sechs Wochen aus, wird die Nesselsucht chronisch.

Das Problem für viele Betroffene: Das Auftreten der Nesselsucht ist schwer vorhersehbar – immer müssen sie mit einem neuen Schub rechnen. Viele Patienten entwickeln Depressionen oder Angstzustände. Daher ist es wichtig, akute Beschwerden sofort zu behandeln. Die Patientin wurde sofort stationär aufgenommen, um die Ursachen herauszufinden. Möglich sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten, chronische Infekte, Streptokokken-Infektionen oder Schilddrüsen-Erkrankungen. Auch verschiedene Medikamente können die Nesselsucht als Nebenwirkung hervorrufen. Bei dieser Betroffenen stellte sich durch umfangreiche Tests heraus: Die Nesselsucht wird wohl durch Stress ausgelöst.

Mittlerweile sind die Quaddeln der 62-Jährigen weitgehend verschwunden, denn eine Therapie mit einem Antihistaminikum und Kortison-Tabletten hat gut angeschlagen. In Extremfällen können Mediziner zusätzlich auf das Antikörper-Medikament Ovalizumab, ein Immunsuppressivum, zurückgreifen, doch das war zum Glück nicht nötig. Einen nächsten Schub versucht sie durch Stressreduktion zu vermeiden. Mit autogenem Training und langen Waldspaziergängen ist sie auf einem sehr guten Weg.

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