12.05.2024 Schauspielerin im Interview

Claudia Michelsen: "Es geht um zunehmend verloren gehende Empathie"

Von Anne Richter
Claudia Michaelsen ist als "Polizeiruf 110"-Kommissarin zu sehen.
Claudia Michaelsen ist als "Polizeiruf 110"-Kommissarin zu sehen. Fotoquelle: Anne Orthen; ARD/MDR

"Polizeiruf"-Kommissarin Claudia Michelsen spricht im Interview über ihre Figur, Moral in Krimis und ihre kommenden Projekte. 

Am 12. Mai läuft der nächste Polizeiruf mit Ihnen als Kriminalhauptkommissarin Doreen Brasch im Ersten. Im Mittelpunkt steht in der Folge „Unsterblich“ die Influencerin Aalisha Mansour, die vom Dach eines Einkaufszentrums gestürzt ist. Während alle anderen Besucher des Einkaufszentrums nur zugucken, will eine junge Frau dem am Boden liegenden Opfer noch helfen. Wie wichtig war diese Szene für den Film?

Claudia Michelsen: Die Szene etabliert das Unglück, um welches sich dann natürlich das Drama spinnt. Sicherlich soll diese Szene auch etwas über die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Menschen erzählen. Man schaut eher zu und greift nicht mehr ein. Es geht um zunehmend verloren gehende Empathie, vielleicht auch verursacht durch mediales Suchtverhalten. Das mediale Auge schaut zu, wie durch einen Filter, leitet aber keine persönliche Handlung mehr ein. Aber ich möchte das so auch nicht glauben und wehre mich dagegen.

Brasch verdächtigt Aalishas Bruder, Mahdi Mansour, etwas mit ihrem Tod zu tun zu haben. Der konfrontiert sie damit, Vorurteile zu haben, woraufhin Brasch gegenüber ihren Kollegen vom „Nazi im Kopf“ spricht, den man noch nicht einmal mehr merkt. Muss man sich manchmal auf diese Weise bewusst machen, wie schnell man sich von Vorurteilen leiten lässt?

Claudia Michelsen: Man muss erst einmal gar nichts. Jeder wie er kann und möchte. Aber trotzdem ist es natürlich gesund und wichtig, sich selbst immer wieder zu überprüfen. Wir leben in einer Zeit, in welcher die Masse offensichtlich immer noch einfach und gut zu manipulieren ist. Wie schnell übernehmen wir Meinungen, die dann sogar zu Haltungen werden. Gefährlich, und wehe einer hat eine andere Meinung dazu. Es gibt nur noch falsch oder richtig, der Diskurs fällt zunehmend weg. Und auch Brasch verfällt hier dem Muster der allgemeinen Vorurteile.

Braucht ein Krimi eine Moral?

Claudia Michelsen: Ich finde ja, aber sie darf auf keinen Fall vordergründig sein. Film kann das. Im Idealfall merkt man es gar nicht und wird zur eigenen gesunden Haltung verführt.

Sie spielen Doreen Brasch jetzt schon seit rund zehn Jahren. Wie hat sich die Figur im Laufe der Zeit verändert und welche Eigenschaften an ihr schätzen Sie?

Claudia Michelsen: Das ist tatsächlich eine spannende Frage. Brasch hat sich in eine Richtung entwickelt, die wir so gar nicht geplant hatten. Durch unterschiedliche Partner und deren Verhalten in den Geschichten. Sie ist weicher geworden und emphatischer auch, wie ich finde. Aber ohne dabei ihre Kraft zu verlieren. Nach wie vor mag ich ihre Direktheit und ihre Eigenwilligkeit. Der kurze gerade Weg. Der direkte Kinnhaken, wenn nötig.

Gibt es auch etwas, das Sie an der Figur nicht mögen und das Ihnen zu spielen schwerfällt?

Claudia Michelsen: Nein, alles, was Brasch ausmacht, mag ich, sonst würden wir sie ja so nicht erzählen. Dazu gehören natürlich auch alle Schwächen und Emotionen, über die sie stolpert.

Sie sind sehr vielseitig aufgestellt, von der improvisierten Mini-Serie bis zum Kinofilm waren Sie schon in sehr unterschiedlichen Formaten zu sehen. Nach welchen Kriterien wählen sie Ihre Rollen aus?

Claudia Michelsen: Das passiert sehr intuitiv. Wenn ich das Gefühl habe, ich kann den Figuren etwas geben, dann entscheide ich mich dafür. Oft hat es aber auch mit Konstellationen zu tun, mit Leuten, mit denen ich mich freue, zusammen arbeiten zu können.

Welches Genre ist Ihnen am liebsten?

Claudia Michelsen: Ich würde sagen fast jedes.

Gibt es aktuelle Film- oder Fernsehprojekte, an denen Sie arbeiten?

Claudia Michelsen: Es sind einige Projekte in Entwicklung und eigentlich hätten wir jetzt die Fortsetzung von Ku´damm gedreht, die aber nun leider verschoben wurde. Daher konzentriere ich mich im Moment auf alles andere was so ansteht.

Mit dem Musiker Stefan Weinzierl stehen Sie mit einer Konzertlesung zu Michael Endes „Momo“ auf der Bühne. Was fasziniert Sie an diesem Buch?

Stefan kam auf mich zu mit der Idee zu Momo. Das Erste, was mir einfiel, war, ah das Kinderbuch? Beim längeren damit beschäftigen merkt man aber doch sehr schnell, wie aktuell diese Geschichte ist. Zeit ist das große Thema und Zeit ist irgendwann das Thema eines jeden Menschen. Sind wir Herr unserer Zeit oder lassen wir uns auch hier manipulieren und kaufen? Ein Abend für Alle, vor Allem auch, weil Stefan ein großartiger Musiker ist.

 

 

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