04.08.2015 Gesund & Fit

Faszien: Das Aschenputtel-Organ

Das Kreuz mit dem Kreuz: Ist der Rückenschmerz großflächig, können Faszien der Auslöser für die Beschwerden sein.
Das Kreuz mit dem Kreuz: Ist der Rückenschmerz großflächig, können Faszien der Auslöser für die Beschwerden sein. Fotoquelle: Oleksiy Maksymenko/All Canada Photos/Corbis

Früher kaum beachtet, heute im Fokus der Forschung: Faszien als Auslöser vieler Rückenbeschwerden.

Lange Zeit führten sie ein Schattendasein in der Forschung, nur Naturheilpraktiker hatten sich mit ihnen beschäftigt. Die Rede ist von Faszien, dem muskulären Bindegewebe, das alle Muskeln, Organe und Bänder unseres Körpers umgibt.

Doch seit einigen Jahren ist dieses weißliche Fasernetz auch in den Blickpunkt der Wissenschaft gerückt. "Was nicht messbar war, konnte auch nur schwer erforscht werden", erklärt Dr. Robert Schleip, Leiter des "Fascial Research Project" der Universität Ulm und anerkannter Faszienexperte. Doch neue Ultraschallgeräte ermöglichen nun, dass die zumeist weniger als einen Millimeter dicken Faszien sichtbar werden.

Beitrag zur Koordination und Kraftübertragung

So weiß man heute, dass das unter Experten gern als Aschenputtel-Organ bezeichnete Fasziennetz unseren gesamten Körper durchzieht und unser größtes Sinnesorgan darstellt. Mit ihm nehmen wir unsere Bewegungen wahr, und es leistet einen wichtigen Beitrag zur Koordination sowie zur Kraftübertragung der Muskeln. Sind die Faszien über- oder unterfordert, kann sich das in Schmerzen bemerkbar machen – auch in Rückenschmerzen.

Fast jeden Monat liefern Forscher neue Erkenntnisse über Faszien, und die Vermutung, dass sie Auslöser vieler Rückenbeschwerden sind, erhärtet sich. "Rückenprobleme sind eher selten auf die Bandscheiben zurückzuführen, nur in etwa 20 Prozent der Fälle.

Meist ist die Ursache der Schmerzen nicht bekannt", sagt Schleip. "Nun liegt die Vermutung nahe, dass die Lendenfaszie ein Auslöser ist – allerdings nur dann, wenn der Schmerz nicht punktuell, sondern etwas großflächiger zu spüren ist", erklärt Schleip.

Bewegung als Medizin

Dann könnten Bewegungsmangel, Fehlernährung, Entzündungen oder Stress die Rückenfaszien verklebt oder verfilzt haben. Denn im "gesunden" Zustand bilden die Fasern eine Art Scherengitter, jede einzelne hat eine Wellenform. Im "kranken" Zustand ist aus dem Gitter ein Filzknäuel geworden und die Einzelfasern sind weniger gewellt. Wird der Rücken dann gebeugt, kann die Rückenfaszie nicht mehr geschmeidig über die Muskeln gleiten. Der Rücken ist steif und die Verletzungsgefahr steigt.

Abhilfe schafft die Medizin des 21. Jahrhunderts: Bewegung. Schon alltägliche Bewegungen festigen das Bindegewebe – so stärkt zum Beispiel Gehen die Oberschenkelfaszie an der Außenseite. Ist das Netzwerk jedoch verfilzt, kann nur gezieltes Training helfen, bei dem gehüpft, gedehnt und einzelne Körperteile über eine Schaumstoffrolle gerollt werden.

Ausgebildete Trainer gibt es bereits. Untersuchungen haben gezeigt, dass nach etwa drei bis 24 Monaten aus verfilzten Faszien wieder ein funktionierendes und geschmeidiges Netzwerk gemacht werden kann.

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