Große Mafia-Show in der Ewigen Stadt

Netflix-Serie "Suburra": Nichts ist mehr heilig

von Rupert Sommer

Mit der Mafia-Serie "Suburra" zeigt Netflix eine italienische Produktion mit hohem Suchtfaktor. Es geht um Sex, Macht und Familie – und drei junge Männer, denen nichts mehr heilig ist.

Nein, die Hochglanzprodukte sind schon lange keine rein US-amerikanische Angelegenheit mehr. Immer mehr erstklassige Serienware kommt aus Europa – doch kaum einer bekommt etwas davon mit. Denn wer sich für großartige europäische Serien interessiert, benötigt dieser Tage ein üppiges Zeitbudget, den Durchblick im Dschungel der unzähligen neuen Produktionen – und dann eben auch viel Sitzfleisch. Dabei ist natürlich längst nicht alles, was da glänzt, wirklich gut. Mit "Suburra" ist auf Netflix jetzt aber eine zehnteilige neue Mafia-Serie gestartet, die wirklich das Zeug dazu hat, es mit sämtlichen Weltklasseserien aus Übersee aufzunehmen. Das Suchtpotenzial ist enorm – die Serie fesselt von Anfang an mit ihrem Tempo und großartigen Schauwerten: "Suburra" steckt voller Sex, Gewalt und römischem Weltstadtflair.

Die Kritiker überschlagen sich bereits. Tatsächlich sollte "Suburra" als eine der besten Serienproduktion vom alten Kontinent in die jüngere Fernsehgeschichte eingehen. Die ineinander verschlungenen Aufstiegsgeschichten dreier junger Möchtegern-Großkrimineller, die sich in der ewigen Stadt Rom mit korrupten Politikern, unzüchtigen Priestern, aber auch mit vielen Gang-Mitstreitern anlegen, knüpft nahtlos an die hohen Qualitätsstandards an, die Sky einst mit der bislang in zwei Staffeln vorliegenden Clan-Saga "Gomorrha" gesetzt hat. An diese Erfolgsproduktion klingt "Suburra" nicht nur lautlich an. Sie sieht nur nochmals viel besser aus.

Alte Vorbilder zählen nicht mehr

Anders als in der Geschichte über die Machtkämpfe in der neapolitanischen Camorra, die von der Hafenstadt im Süden aus weltweit ihre Krakenfinger ausstreckt, wie der gut recherchierende Erfolgsschriftsteller Roberto Saviano nachweisen konnte, spielt "Suburra" in der römischen Hauptstadt selbst. Einer Metropole, von der es in der Serie zynisch, aber vermutlich wohl zutreffend heißt, dass man sie nicht wirklich regieren, höchstens mehr oder weniger rechtschaffen verwalten kann.

Im Zentrum der Handlung, die von ebenso wenig glamouröse Gangstern beherrscht wird, wie das in der von Trainingsanzug-Mördern dominierten finster-brutalen "Gomorrha"-Welt der Fall ist, stehen auch hier drei Emporkömmlinge, die es wagen, sich mit den alteingesessenen Clans und damit auch mit ihren eigenen Mafia-Vätern anzulegen: mehrfach gebrochene, innerlich höchstens von ihrem Jetzt-sind-wir-dran-Furor vorangetriebene Typen, für die keine Gesetze mehr gelten. Sie pfeifen selbst auf die früher oft nostalgisch verklärten Mafia-Ehrenkodices.

Schon äußerlich mit seiner bizarr aufblondierten Billy-Idol-Gedächtnisfrisur wirkt der Mobster-Junge Aureliano (Alessandro Borghi) wie ein Gossenheld, für den die alten Vorbilder nicht mehr zählen. Er schließt sich mehr zwangsweise als freiwillig mit dem Junggangster Spadino (Giacomo Ferrara), einem Sinti, und mit dem äußerlich adrett aussehenden, aber moralisch nicht weniger skrupellosen Lele (Eduardo Valdamini), bezeichnenderweise einem Polizistensohn, zusammen. Gemeinsam wollen sie das große Ding drehen: Sie mischen mit im blutigen Geschacher rund um den titelgebenden neuen Stadtteil, der an der heruntergekommenen Küste bei Ostia entstehen soll.

In Suburra planen die Mafiabosse einen Hafen, um ungestört ihr Koks verladen zu können. Außerdem geht es um windige Geschäfte mit potenziell sündhaft teuren Immobilien. Immerhin spielt die Handlung in der Hoch-Zeit des Machtpolitikers Silvio Berlusconi, der sein Vermögen auch als Baulöwe gemacht hat. Wichtige Filetgrundstücke befinden sich im Besitz des Vatikans, dessen in der Serie gezeigten Vertreter wenig Scheu zeigen, schmutzige Spiele mitzumachen.

Druck bauen die Verbrecher dadurch auf, dass sie Drogen-Sex-Partys veranstalten, bei denen sie die Lotterpriester heimlich filmen und so erpressen. Auf die "offizielle", wenn auch oft nur nominelle Macht in Rom ist kaum Verlass. Politiker, Staatsanwälte oder Verwaltungsdirektoren sind im Grunde alle so korrupt und manipulierbar wie der Klerus. Das Verrückte ist: Vieles an dieser Story erscheint durchaus nicht unrealistisch – nur ist es eben oft überspitzt dargestellt ... So sexy wie hier wurde noch selten belogen und betrogen.

Europa muss sich nicht mehr verstecken

Mit "Suburra" hat der weltweit expandierende US-Streamingdienst erstmals eine Serie in Italien produzieren lassen – in Zusammenarbeit mit der öffentlich-rechtlichen Anstalt RAI, die das Ganze später zeigen darf. Da wird also ein ähnliches Modell verfolgt, wie bei der Kooperation von Sky und der ARD bei "Babylon Berlin". Nach der hochkarätigen Sky-Serie "Riviera" oder auch "Marseille" – mit Superstar Gérard Depardieu in der Hauptrolle – ist die neue Netflix-Gangsterserie ein weiterer Beweis dafür, dass sich packende Genre-Stücke "made in Europe" nicht mehr vor den US-Vorbildern verstecken brauchen.

Mit dem Regionalisierungskurs macht Netflix übrigens konsequent weiter: Mit "Dark" folgt ab 1. Dezember erstmals auch eine deutsche Produktion, eine Mysteryserie, die das US-Unternehmen von der deutschen Fiction-Schmiede Wiedemann & Berg Television produzieren ließ. Die Hauptrolle spielt der Kölner Schauspieler Louis Hofmann. An seiner Seite werden in der Mysteryproduktion über verschwundene Kindern in einer fiktiven deutschen Kleinstadt heimische Stars wie Jordis Triebel, Oliver Masucci ("Er ist wieder da"), Mark Waschke oder Karoline Eichhorn zu sehen sein.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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