Susan Seidelman

Lesermeinung
Geboren
11.12.1952 in Abington, Philadelphia, Pennsylvania, USA
Alter
71 Jahre
Sternzeichen
Biografie
Das Lebensgefühl einer jungen Frau ohne Ziel und ohne Zuhause, die in New York herumirrt, um Beziehungen zu knüpfen, war 1981 Susan Seidelmans Regiedebüt: "New York City Girl", eine mit wenig Geld umgesetzte Independent Produktion, ein unabhängig produzierter Film. Ursprünglich studierte Susan Seidelman Kunst und Modedesign, war kurzfristig Sekretärin bei der Philadelphia UHF Fernsehstation und ging 1974 nach New York auf die Filmakademie. Für mehrere Studentenfilme erhielt sie Preise, so für "You Act Like One, Too and Yours Truly, Andrea G. Stern".

Die ersten 10000 Dollar für ihren Debütfilm bekam sie 1980 von der Großmutter, zwei Jahre später konnte sie den Film für weitere 80000 Dollar fertigstellen. Die Arbeit wurde in Cannes begeistert aufgenommen. Ziellos irrt Wren durch ein kaputtes New York; sie hat den Traum, Rock-Star zu werden. Auf dem Weg dahin wird sie ausgebeutet, nutzt selbst andere aus. Susan Seidelman fängt in ihrem ersten Spielfilm stimmige Bilder ein und weckt Anteilnahme. Es ist ein interessanter Vorgeschmack auf ihr Hauptwerk "Susan ... verzweifelt gesucht", das sie 1984 mit Madonna und Rosanna Arquette realisiert.

"Making Mr. Right - Ein Mann a la Carte" (1986) mit John Malkovich, Ann Magnuson und Ben Masters erzählt eine Sciencefiction-Geschichte: Ein Wissenschaftler hat nach seinem eigenen Bilde einen künstlichen Menschen geschaffen, der erstaunlich perfekt geraten ist. Die menschlichen Eigenschaften und seine Vorliebe für schöne Frauen, das ist an dem Androiden Ulysses ungewöhnlich.

Weitere Filme von Susan Seidelman: "Die Teufelin" (1989) mit Meryl Streep und Roseanne Barr, "Confessons of a Suburban Girl" (1992), "Quotenkönig im Affenstall" (1995), der Kurzfilm "Der flämische Meister" (1995) mit Mira Sorvino, eine Episode der erotischen TV-Reihe "Die schönste Sache der Welt", "Eiszeit - Ein Ehekrieg mit Folgen" (1999), "Power and Beauty: The Judith Exner Story", "Gaudi Afternoon" (beide 2001), "The Ranch" (2004), "Stella" (Serie), "Boynton Beach Club" (2005).

Prisma: Ihre beiden Filme zeigen bestimmte Typen in New York. Was interessiert Sie an den Geschichten?
Susan Seidelman: Ich habe in New York in der Lower Eastside gewohnt, acht Jahre lang; jetzt lebe ich in Soho. Das ist weit weg, und ich wollte einen Film machen über eine Nachbarschaft, die ich kenne, über Menschen, von denen ich etwas weiß. Besonders in "Susan, verzweifelt gesucht" scheint mir das wichtig, wo zwei ganz unterschiedliche Lebensstile aufeinanderstoßen. Mir ging es um den Kontrast zwischen Lower Eastside und den Vorstädten.

Prisma: Ihr Film ist eine Art Komödie, wie man sie im heutigen amerikanischen Kino selten findet. Gibt es da für sie einen bestimmten Stil, gibt es Vorbilder?
Susan Seidelman: Ich mag eigentlich im Grunde gar keine Komödien. Ich mag Ironie, Satire, aber nicht diesen üblichen Nonsens. Regisseure wie Billy Wilder oder Preston Sturges haben Komödien gedreht, aber die haben einen Biß. Doch die meisten amerikanischen Komödien finde ich sehr dumm und einfallslos.

Prisma: Ein Beispiel?
Susan Seidelman: Absoluter Tiefpunkt: "Police Academy"!

Prisma: Haben Sie vorher bei Spielfilmen assistiert?
Susan Seidelman: Nein, überhaupt nicht. Mein Hintergrund war ein anderer. Vor zehn Jahren wollte ich Mode-Designer werden, und dann kam ich erst mit dem Film in Berührung. Ich drehte Kurzfilme.

Prisma: Welche Themen bevorzugten Sie?
Susan Seidelman: Die Filme hatten ganz unterschiedliche Themen, aber in allen waren Frauen die Hauptfiguren. Es ging aber im Grunde immer um das gleiche Thema, das ich auch in meinen Spielfilmen behandele: Die Suche nach der Identität.

Prisma: Wie ist in den USA die Situation als Regisseurin im Gegensatz zu den männlichen Kollegen?
Susan Seidelman: Das ist vielleicht ein Widerspruch, aber ich muß es doch so sagen: Ich fühle mich eigentlich als Regisseur, und für mich ist das kein Unterschied, ob ich nun als Frau oder Mann einen Film inszeniere. Sicher, meine Filme beschäftigen sich mit Frauen, aber es gibt da so eine Form von Höflichkeit oder auch Unhöflichkeit, von der ich nichts halte. Da sagt der eine, als Frau macht sie eigentlich ganz gute Filme, oder aber die höflichen Kritiken der Gentlemen.

Prisma: Es ging eigentlich mehr darum, ob Sie als Frau besondere Schwierigkeiten haben?
Susan Seidelman: Ich persönlich hatte nie Probleme, weil ich eine Frau bin. Aber es stimmt schon, wenn man betrachtet, wie wenig Frauen in Amerika arbeiten, das ist schon lächerlich. Da gibt es fünf Frauen gegenüber Hunderten von Männern, die Filme machen.

Prisma: War es schwierig , die richtigen Charaktere für ihre Rollen zu finden?
Susan Seidelman: Ich mag keine Kino-Stars und möchte auch nicht mit Stars arbeiten. Für mich war es wichtig, mit guten Charakteren zu arbeiten. Wenn ich einen Film mit Barbra Streisand oder Goldie Hawn mache, dann ist es nie der Charakter, den ich haben will, sondern das ist eben Streisand oder Hawn. Für mich ist es interessanter, Gesichter vor der Kamera zu haben, die man nicht fünfzigmal sieht. Es war gar nicht schwierig, gute Typen zu finden. Ich habe auch in meinen Kurzfilmen und in "New York City Girl" mit unbekannten oder weniger bekannten Leuten gearbeitet. Und Roberta ist - wenn auch kein Kinostar - doch eine sehr gute Schauspielerin.

Prisma: Es ist ja auch sicher reizvoll, Schauspieler gegen ihren Charaktertyp zu besetzen?
Susan Seidelman: Ja, natürlich. Für mich ist das beste Beispiel "King of Comedy", wie Martin Scorsese Jerry Lewis besetzt. Und ich finde das eine brillante Kombination, ihn mit Robert De Niro zusammenzuspannen.

Prisma: Wie sehen Sie die Situation in Amerika, wie fühlen Sie sich als Amerikanerin?
Susan Seidelman: Nun, es ist im Moment eine sehr konservative Zeit. Ohne jetzt ein persönliches Politbekenntnis zu liefer, gefährlich ist das schon, wenn man den Militarismus, das Waffenklirren, die Machtdemonstrationen bedenkt.

Prisma: Ihr Film war in den Staaten recht erfolgreich, wie erklären Sie sich das?
Susan Seidelman: Nun, es gibt derzeit so viele dümmliche Teenager-Filme, so viele dummdreiste sogenannte Komödien, die im Grunde eine Beleidigung für den Verstand sind. Außerdem ist gewöhnlich in amerikanischen Filmen die Identifikationsfigur ein Mann, und ich könnte mir vorstellen, daß die Zuschauer es schön finden, daß hier ganz unterschiedliche, attraktive Frauen im Mittelpunkt des Geschehens stehen.

Prisma: Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos?
Susan Seidelman: Filme werden immer teurer, und so besteht die Gefahr, daß die Produzenten sich immer mehr nach einem breiten Publikum richten und meinen, man müßte immer dünnere und einfachere Filme machen, also anspruchslosere. Das stimmt zwar nicht immer, aber je teurer das Ganze ist, um so weniger neigt man dazu, etwas zu riskieren. Darin sehe ich eine große Gefahr. Mein Film ist eigentlich der Beweis, daß man auch mit weniger Geld arbeiten kann und, ich hoffe, der Erfolg wird viele andere ermutigen. Der Film hat fünf Millionen Dollar gekostet, für mich sehr viel Geld, verglichen mit anderen Produktionen gar nichts. Zehn bis zölf Millionen Dollar kostet heute ein durchschnittlicher Hollywoodfilm (1985, inzwischen haben sich die Kosten weiter vervielfacht, Anm. d. Red.).

Prisma: Haben Sie am Drehbuch mitgearbeitet?
Susan Seidelman: Ich habe es nicht mitgeschrieben, aber wir haben später sehr viel verändert. Vor allem war es wichtig, die Dialoge das Verhalten der Figuren dem Charakter der Spieler anzunähern. So haben wir beide Frauenrollen sehr stark verändert, weil Madonna und Roberta sehr eigene Charaktere sind.

Prisma: Man hört, sie haben sehr schnell gedreht und hatten nicht viel Zeit?
Susan Seidelman: Ich liebe es, sehr schnell zu drehen. Wir haben vom Drehbeginn bis zur Premiere nicht länger als vier, fünf Monate gebraucht. So bin ich gezwungen, mich ganz genau und exakt auf das zu konzentrieren, was ich machen will und das ist für mich und meine Arbeitsweise immer am besten.

Prisma: Glauben Sie, daß der Erfolg von "Susan" ihnen die Chance gibt, eigene Themen zu realisieren?
Susan Seidelman: Das hoffe ich doch sehr. Ich habe eine Idee, die ich gerade mit einem Autor erarbeite. Unglücklicherweise kann ich selbst keine Drehbücher schreiben, und ich weiß immer erst, wenn das Drehbuch fertig ist, ob ich daraus einen interessanten Film machen kann.

Prisma: Haben Sie viel Angebote?
Susan Seidelman: Ich habe viele Angebote, aber das meiste ist so, daß es mich nicht reizt. Es ist eigentlich nicht die Frage, wieviel Angebote ich bekommen, sondern wie viel gute Angebote das sind.

Prisma: Kann man ihrer Meinung nach mit Filmen etwas an unserer Gesellschaft und am Verhalten der Menschen ändern?
Susan Seidelman: In kleinen Dingen sicher, aber großen Einfluß haben Filme wohl kaum auf das Weltbild des Zuschauers.

Prisma: Madonna ist Sängerin, und in dieser Rolle ist sie ausgezeichnet. Glauben Sie, sie könnte auch andere Rollen spielen, die sich von ihrer Persönlichkeit entfernen?
Susan Seidelman: Ich weiß es nicht, aber ich könnte es mir schon vorstellen. Sie kann sicher nicht so unterschiedliche Rollen spielen wie beispielsweise Meryl Streep, die immer wieder anders aussieht und andere Charaktere verkörpert. Ich glaube aber schon, daß sie es schafft, etwa eine Judy Holliday zu sein, jemand, der seine Persönlichkeit einbringt.

Prisma: Gibt es heute Stars im amerikanischen, im internationalen Kino?
Susan Seidelman: Es gibt auch heute Stars, doch sie haben nicht die Persönlichkeit und Aura wie das in den 30er umd 40er Jahren war, als Marlene Dietrich, Greta Garbo oder Humphrey Bogart die Stars waren. Heute ist Sylvester Stallone ein Star, aber ich bin nicht besonders an den Filmen interessiert, die er macht.

Mit Susan Seidelman sprach Heiko R. Blum (München, Juli 1985).

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