Moderne Ruinen

SERIE • 1 Staffel • Dokumentationen • Deutschland • 2012

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Originaltitel
Moderne Ruinen
Produktionsland
Deutschland
Originalsprache
Deutsch
Untertitel
Nein

Episoden-Guide

1. Staffel 1 (5 Episoden)
Die Reihe beleuchtet anhand visuell extrem beeindruckender Ruinen die großen Themen des 20. und 21. Jahrhunderts, die unsere heutige Gesellschaft prägen: der Kampf der Gesellschaftssysteme (Piramida), Globalisierung (Fordlândia), Kolonialismus (Kolmannskuppe), Umgang mit Ressourcen und Energie (Zeche Lohberg) und Mobilität (Detroit). Die Reihe MODERNE RUINEN erzählt von der Dynamik der Moderne, die vom immer währenden Fortschritt geprägt ist und auf ihrem Weg vieles hinter sich lässt. Der Fachbegriff ist hierfür „Creative Destruction“ oder zu deutsch „Schöpferische Zerstörung“ und wird in den Wirtschaftswissenschaften verwendet. Er bezeichnet die Kehrseite des Fortschritts und der Globalisierung. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf. Durch erfolgreiche Produktionsfaktoren und Innovationen werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört. Die Zerstörung ist also notwendig und nicht etwa ein Systemfehler, damit Neuordnung stattfinden kann. Der prominente US-Wirtschaftsweise Alan Greenspan hat darauf hingewiesen, dass eine stetige Steigerung der Lebensqualität in den USA durch Globalisierung und Fortschritt mit einer „Creative Destruction“ von Arbeitswelten in der westlichen Welt zusammenhängt. So werden auch zu Boom-Zeiten in den USA jede Woche eine Million Menschen arbeitslos und müssen sich einen neuen Job suchen. MODERNE RUINEN ist eine Archäologie von Zukunftsorten des 20. Jahrhunderts. Im Gestern wurzelnd betrachten die einzelnen Folgen Zeugnisse des Fortschritts und vermitteln im Blick nach vorne ein Verständnis über unsere heutige Lebenskultur.
01
Kolmanskuppe: Diamanten-Geisterstadt in Namibia
Detroit wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zum Zentrum der amerikanischen Automobilproduktion. Die „Großen Drei“ – Chrysler, Ford, General Motors – schufen die Autostadt schlechthin, das Wirtschaftswachstum zog Millionen von Menschen an, die sich in Detroit das kleinbürgerliche Ideal des amerikanischen Traumes erfüllten. Detroit war modern, urban und schnell. Hier gab das erste Fließband, die erste Straße mit Betonbelag, die erste Stadtautobahn (den „Davison Freeway“). Warenhäuser und Kinopaläste säumten die Straßen. Später wurde die Boomtown mit dem ersten Shopping Center zum Vorreiter der Stadtrand-Wanderung – ein Städtebaumodell, das sich später in den USA und der westlichen Welt durchsetzte. Als Folge der Ölkrise von 1973 sowie aufgrund zunehmender ausländischer Konkurrenz in der Automobilindustrie schlossen die „Großen Drei“ ihre alten Werke zugunsten neuerer Anlagen, die oft in Billiglohnländern errichtet wurden und läuteten damit den Niedergang der Metropole ein. Heute liegt ein Drittel der gesamten Stadtfläche brach, zahllose Gebäude wurden abgerissen. Insgesamt stehen über 4.000 Bauten leer: verlassen, verschlossen, verbrettert, vermauert. In manchen Straßen gleicht Detroit einer Geisterstadt. Straßenschilder rosten. Auf Bürgersteigen wächst Gras. Wilde Hunde streunen. Wer Detroit besucht, muss sich auf dystopische Szenerien gefasst machen. Viele Wohnhäuser sind stellenweise komplett mit Efeu bewachsen, Bäume und Sträucher wachsen aus den Dächern und Fenstern. Die Wirtschafts- und Immobilienkrise ab 2008 verschärft die Lage. Mama Pay Check, eine gebürtige Polin, betreibt eine Bar, in der der Schriftsteller Steve Hughes gerne ein Bier trinkt, aber auch Geschichten findet und aufschreibt. Es sind Geschichten der arbeitslosen kleinen Leute, die versuchen über die Runden zu kommen. 80% der Bevölkerung Detroits sind Schwarze. In den 40er und 50er Jahren kamen sie nach Detroit, weil hier die Rassendiskriminierung weniger ausgeprägt war als im Rest der USA. Familie Armour ist da keine Ausnahme. Der Großvater hat 40 Jahre lang bei General Motors gearbeitet. Die Großmutter hat die Familie zusammengehalten. Menschen wie sie haben die goldene Ära Detroits erlebt und mitgeprägt und sie tragen die Musik von Motown in sich. Ihre Kinder haben die großen Entlassungswellen erlebt, sie waren davon stärker betroffen, als die Weißen. Auch die Crackwelle der 80er Jahre hat die meisten schwarzen Familien aus der Bahn geworfen. Die Enkel sind die menschlichen Ruinen, die genauso zurückgelassen wurden wie die Gebäude. Davon Armour ist 23 und hat als Jugendlicher im Bandenkampf einen Menschen erschossen. Der afro-amerikanische Künstler Olayami Dabls beschäftigt sich in seinen monumentalen Skulpturen mit seinen afrikanischen Wurzeln. Er hofft, daß jeder seinen Platz im Detroit der Zukunft finden kann. Der mittlerweile zu beachtlicher Berühmtheit gelangte Konzeptkünstler Scott Hocking errichtet in den verlassenen Fabriken spektakuläre Skulpturen. Die Entstehung einer seiner Arbeiten begleitet der Film: ein großes Ei aus schweren Marmorplatten entsteht im verlassenen Hauptbahnhof. Scott Hocking sieht in den Ruinen nicht vordergründig den Verfall, sondern die Schönheit. Es macht keinen Unterschied, ob ein Kunstwerk 4000 Jahre alt ist oder fünf – Hauptsache die Ruine zieht die Menschen in ihren Bann. Von der Faszination der Ruinen für die Detroiter und der Aufbruchsstimmung der Bewohner in einer dem Verfall preisgegebenen Stadt erzählt dieser Film.
02
Piramida – Ein sowjetischer Brückenkopf auf Spitzbergen
Eigentlich gehört Spitzbergen zu Norwegen, doch ein internationales Abkommen aus den 1920er Jahren erlaubte der jungen Sowjetunion den Bergbau auf dem Archipel. Es entstand die Arktis-Siedlung Piramida - benannt nach dem pyramidenförmigen Berg, an dem sie liegt. Piramida überstand den Zweiten Weltkrieg fast unzerstört und blühte dann als Kohlekombinat auf. Fast alles, was man heute hier sieht, erbauten die Sowjets nach dem Krieg. Piramida war ein Vorposten der Sowjetunion im „kapitalistischen Ausland“, an dem unter luxuriösen Lebensbedingungen in einem extrem unwirtlichen Umfeld 80 Jahre lang gelebt und gearbeitet wurde. Heute ist Piramida Geschichte. Eine menschenleere Geisterstadt, die vielerorts wirkt, als sei sie erst gestern verlassen worden. Fast alles musste mit dem Schiff in die Arktis geschafft werden. Und zwar im Sommer, wenn das Eis den Fjord freigab. Jedes Jahr im Oktober begann dann wieder die lange Isolation. Piramida war dann weitgehend auf sich gestellt. Die Kohle und das zentrale Kraftwerk hielten die Stadt im Eis am Leben. Sein Strom sorgte für Licht in den Wohnblocks der Kumpel, sein erhitztes Kühlwasser brachte bullige Wärme. Sogar Vieh- und Gemüsewirtschaft wurde so möglich. Rund tausend Menschen arbeiteten hier zuletzt unter Tage – Arbeiter, angesiedelt aus der Ukraine und Russland. Trotz Kälte und Polarnacht und nebligen Sommern waren die Leute hier gut, fast luxuriös versorgt. Es gab ein Schwimmbad mit einem eigenen Kinderbecken und ein Veranstaltungshaus mit Konzerträumen, einer Ballsporthalle und einem Kino, das allabendlich um sieben einen Film zeigte. Bis 1998. Bis Russland den Kohlebergbau auf Spitzbergen aufgab. Das Hotel „Tulip“ öffnete noch ein paar Sommer lang für neugierige Reisende. Doch im Jahr 2000 war auch damit Schluss. Heute ist Piramida eine der nördlichsten Geisterstädte der Welt. Auf den ersten Blick wirkt die Stadt wie schockgefroren, eine konservierte sowjetische Musterstadt, in die die Bewohner jeden Moment zurückkommen könnten. Aber langsam, mit dem Tempo der Arktis, beginnt sich die Natur der Stadt zu bemächtigen. Als erste kamen die Möwen, die in den Gebäuden, Dachböden und Kuppeln ideale Bedingungen zum Nisten fanden. In letzter Zeit wurden immer öfter Eisbären gesichtet, die es sich in den verlassenen Gebäuden gemütlich machen. Auch Polarfüchse und die seltenen Spitzbergen-Rens streunen durch die verlassenen Straßen der Geisterstadt und stoßen dort seit zwei, drei Jahren immer öfter auf Abenteurer und Touristen, die von Reiseunternehmern nach Piramida gebracht werden, in die befremdliche Ruinen-Zivilisation inmitten arktischer Wildnis. Im Sommer tauchen auch immer wieder kleine Arbeitsteams aus Barentsburg oder der Inselhauptstadt Longyearbyen auf, die die Ruinen ausschlachten und verkäufliche Materialen oder Einrichtungsgegenstände mitnehmen. Zur Zeit der Dreharbeiten war auch im Gespräch, dass Arktisforscher oder andere Wissenschaftler hier ihre Basis aufschlagen. In der See östlich von Spitzbergen liegt immerhin eines der größten noch unerschlossenen Gasfelder der Welt. Zeitweise stieg ein Team von skandinavischen Archäologen samt Fotografin im Hotel „Tulip“ ab. Für ein Buch dokumentierten sie, was von der Siedlung übrig blieb. „Die allermeisten Dinge stehen noch genau dort, wo sie hingehören“, heißt es in dem Fotoband. „Dadurch fühlt es sich an, als sei alles nur verzögert oder kurz angehalten: Eine sowjetische Stadt, in der scheinbar die Zeit still steht.“
03
Lohberg – Neues Leben auf der Zeche
Es ist ein Ort der Superlative. Hundert Jahre lang wurde auf der Zeche Lohberg Kohle gefördert. Über 1200 m tief gingen hier die Schächte, Ende der 50er Jahre fuhren über 5000 Männer ein. 2005 wurde die Zeche Lohberg endgültig stillgelegt, die letzten 1400 Kumpel auf andere Bergwerke verteilt oder in den Ruhestand geschickt. Und jetzt? Ein riesiges Areal wartet auf seine neue Bestimmung, ein 70 m hoher Förderturm ragt über eine eigene Stadt aus alten Hallen und Maschinenparks, die nun keine Verwendung mehr haben: Ein gespenstischer Ort mit beängstigenden Dimensionen. Die Natur kehrt zurück und überwuchert die Fläche, große Teile des Areals werden abgerissen und sind für Neubauten vorgesehen. Andere finden neue Verwendung. Zum Beispiel ein Kiosk an der Außenmauer, über den hier jeder eine Geschichte kennt. Vor oder nach der Schicht wurde hier schnell noch was gekauft, manches Mal wurde heimlich ein Korb über die Zechenmauer abgeseilt, um doch an das bei der Maloche verbotene Bier zu kommen. Heute betreibt Britta LQL den kleinen Kiosk als Kunstgalerie. Wer vorbeikommt, den erwarten Wechselausstellungen verschiedener Künstler. Der alte Zigarettenautomat wird regelmäßig aufgefüllt, wer ein paar Euro hineinwirft erhält eine kleine Skulptur, ein Miniaturgemälde oder ein anderes Unikat, das extra für diesen Automaten hergestellt wurde. Andere Künstler haben in Teilen des ehemaligen Verwaltungsgebäudes Atelierräume gefunden, Kreativquartier heißt das jetzt hier. Auch der Bergmannschor Concordia hat die Stilllegung der Zeche überlebt und weiterhin kommen an die 50 Männer zusammen und proben jede Woche. Bei ihren Auftritten tragen sie stolz ihre Bergmannsuniform. Jeder Sänger hat unter Tage geschuftet, das Bergwerk ist Heimat und Lebensmittelpunkt wie bei den Meisten in diesem Stadtteil. Jetzt beginnt die Neuorientierung. Aber der denkmalgeschützte Förderturm ist im Unterhalt zu teuer, als dass die ehemaligen Besitzer ihn behalten wollen oder die öffentliche Hand die Wartung übernehmen könnte. Es steht schlecht um das Wahrzeichen Lohbergs. Ein Förderverein versucht ihn zu retten, doch die Finanzierung ist ungewiss. Kommen werden viele Neubauten und auch der Versuch, die Menschen in diesem Stadtteil mitzunehmen bei der Umgestaltung. Nicht Inseln mit Prestigeprojekte, sondern kleine Gewerbeansiedlungen und Wohnraum soll hier entstehen. Lohberg will seine Einwohner nicht vertreiben, sondern vor allem neue dazu gewinnen. In Büros und kleinen Betrieben sollen Arbeitsplätze entstehen. Aber das Bergwerk hinterlässt nicht nur überirdisch seine Spuren. Unter den alten Ruinen liegt ein Gewirr aus Tunneln und Schächten: Jetzt laufen sie nach und nach mit Wasser voll und werden mit Pumpen reguliert, damit die neuen Gebäude durch das Absinken und Anheben des Erdreichs nicht beschädigt werden, wie es so vielen der alten Bauten widerfuhr. Lohberg hat zwei Weltkriege, wechselnde Besitzer und immer neue Zuwanderer erlebt, die hier ihr Glück suchten. Jetzt ist es für immer stillgelegt und auf der Suche nach einer vollkommen neuen Verwendung. Kleine Initiativen und Projekte begleiten die Umwandlung, doch Geldmangel wird viele nicht lange überleben lassen. Der Kunstkiosk von Britta LQL hat es fürs erste geschafft. Mit etwas Unterstützung von der Stadt wird sie ihn auch im nächsten Jahr betreiben können.
04
Fordlândia – Henry Fords Utopia im Amazonas
Alles hatte so großartig begonnen, als Henry Ford Ende der 1920er Jahre den brasilianischen Urwald auswählte, um den steigenden Kautschukbedarf für die Reifenproduktion zu decken und um seine Version des amerikanischen Traums hierher zu exportieren. Fordlândia sollte eine Mustersiedlung nach amerikanischem Vorbild werden – mit schindelgedeckten Holzhäusern, feuerroten Hydranten und striktem Alkoholverbot. Die Ureinwohner aus dem Dschungel sollten sich unabhängig von Hitze und Wetter an feste Arbeitszeiten gewöhnen und zu ihrer eigenen Gesundheit ungeliebte Speisen wie etwa Naturreis, Haferbrei und Dosenfrüchte essen. Doch das ungewöhnliche Projekt kam schnell ins Stocken. Trotz eines Krankenhauses und guter medizinischer Versorgung war die Sterblichkeit unter den Arbeitern hoch, Malaria grassierte, schon 1930 lagen 300 Menschen begraben auf dem Friedhof. Zudem wuchs der Unmut unter den Arbeitern, die sich nicht in die streng durchorganisierten Arbeitsabläufe einfügen wollten und die Löhne in Bordellen und Bars ausgaben. Immer wieder mussten bewaffnete Söldnertruppen eingreifen, um die Lage zu beruhigen. Bei der Entwicklung der Plantagen gab es ähnliche Schwierigkeiten wie bei dem Aufbau der Ford’schen Gesellschaft. Rodung des Regenwaldes in der Regenzeit, Zerstörung des eigentlich fruchtbaren Bodens durch Brandrodung, sowie Fehler im Anbau der Kautschukbäume und dadurch hervorgerufener Schädlingsbefall warfen die erhoffte Entwicklung immer wieder zurück. Doch so schnell gab sich der damals reichste Mann der Welt nicht geschlagen: er tauschte das korrupte und unfähige Management, feuerte fast alle Arbeiter, ließ Bars und Bordelle abreißen. Parallel dazu wurden tausende neue Arbeiter rekrutiert, zeitweise lebten in Fordlândia mehr als 8.000 Menschen. Straßen wurden geteert, Schulen, Friseure, Bäckereien und Fleischereien eröffnet. Es gab sogar eine Golfanlage und regelmäßige Gartenwettbewerbe. Und weil der Autokönig aus Detroit klassische Musik liebte, wurde auf Betriebsfesten auch im Dschungel Walzer statt Samba gespielt. Doch die eigentliche Schlacht – gegen die Natur – verloren die amerikanischen Ingenieure. Weil sie die Kautschukbäume, die urwüchsig weit voneinander entfernt stehen, dicht an dicht pflanzten, schufen sie einen idealen Brutkasten für Schädlinge wie Pilze, Käfer und Raupen. Millionen von Bäumen gingen ein. Latex wurde in Fordlândia deshalb nie gewonnen, obwohl 1941 über 3,6 Millionen Kautschukbäume auf den Plantagen standen. Als sich der inzwischen 82-jährige Henry Ford 1945 aus dem Unternehmen zurückzog, verkaufte sein Sohn Henry Ford II als eine seiner ersten Amtshandlungen alle Besitzungen am Amazonas. Auf den heutigen Wert umgerechnet hatte sein Vater eine Milliarde Dollar investiert. Heute ist der gigantische Wasserturm – das damals größte von Menschenhand geschaffene Gebäude im Amazonas – das weithin sichtbarste Symbol der gescheiterten Utopie. Die Überreste der amerikanischen Kleinstadt sind noch zu sehen, aber verschmelzen immer mehr mit der Natur. Unweit von Fordlândia leben einige der Nachfahren der ehemaligen Arbeiter in der Gewissheit, dass der Mensch die Natur nicht beherrschen kann und erzählen von einem reichen Mann, der Natur und Mensch nach seinem Vorbild gestalten wollte und kläglich damit gescheitert ist.
05
Detroit – Hoffnung für die Motor-City
Im Jahr 1908 fand ein schwarzer Hilfsarbeiter der deutschen Reichsbahn namens Zacharias Lewala bei Gleisreparaturarbeiten einen glitzernden Stein. Er brachte ihn seinem Vorgesetzten August Stauch. Dieser Zufallsfund war der Startschuss für einen beispiellosen Diamantenrausch in einer der unwirklichsten Gegenden Afrikas. Er lockte hunderte Glücksritter, Unternehmer und Arbeiter an. Mit Kolmanskuppe entstand aus dem Nichts eine moderne, deutsche Kleinstadt mit Postamt, Krankenhaus, Polizeistation, Schwimmbad, Casino, Theater und Kegelbahn. Die Deutschen prägten die Kultur vor Ort. Der Kegelclub „Gut Holz“, Turnfeste und Volkstanzveranstaltungen dominierten das Freizeitleben, die Frauen trugen schicke Seidenstrumpfhosen und die Männer steife Stehkragen. Und der kleine deutsche Reichsbahnbeamte August Stauch wurde zum Diamantenkönig des Kaiserreiches. Mit Stauch wurde Kolmanskuppe praktisch über Nacht zu einer Stadt der Superlative: Von hier kamen 20% der weltweiten Diamantenproduktion jener Zeit. Sie galt, berechnet nach Pro-Kopf Vermögen, als reichste Stadt Afrikas und verfügte über eines der modernsten Krankenhäuser der Region mit dem ersten Röntgengerät in ganz Afrika. Auf die schnelle Blüte folgte ein schleichender Niedergang. Mit dem Schwinden der Diamantenvorkommen verblasste auch der Glanz der bizarren deutschen Kleinstadt mitten in der Wüste. 1954 notierte das Krankenhaus die Entlassung der letzten Patienten, zwei Jahre später verließen die letzten Familien Kolmanskuppe und der eben noch so reiche Ort wurde zur Geisterstadt. In der Zwischenzeit hat sich die Wüste einen Teil der Bauten zurückgeholt. Dabei sind viele der bunten Häuser noch eingerichtet: die Kegelbahn, wo einst deutsche Offiziere den Reichtum genossen, strahlt in ihrer Verlassenheit gespenstischen Charme aus, während das ehemalige Schwimmbad bereits komplett mit Sand gefüllt ist. Doch in den letzten Jahren erwacht Kolmanskuppe langsam zu neuem Leben. Jahrzehnte als Diamanten-Sperrgebiet nicht öffentlich zugänglich, wurde die Gegend 2008 zum Naturschutzgebiet erklärt worden und ist jetzt für Besucher offen. Die von Menschenhand praktisch unberührte Sukkulenten-Wüste Karoo gilt mit mehr als 1.700 Blatt- und 130 Stamm-Sukkulenten als artenreichste Wüste der Welt. Ein Beispiel für den Einfallsreichtum der Natur sind die ‚lebenden Steine‘ (Lithops). IHre Blätter speichern Wasser, ragen kaum aus dem Boden hervor und sind als Steinchen getarnt – perfekt geschützt gegen Sandstürme und Fraß durch Tiere. Neben den Sukkultenen und den außergewöhnlichen Steinen sind in dieser Wüste auch etwa 80 Wirbeltier-Arten zu Hause. Typische Wildarten sind Antilopen, Springböcke, Strauße, Schakale und braune Hyänen. Unweit von Kolmanskuppe sind auch wilde Pferde zu finden, die allerdings erst 1915 dort angesiedelt wurden. Die Tierwelt der Sukkulenten-Karoo ist durch die lange Abgeschiedenheit noch nicht komplett erforscht. So wurden in den letzten Jahren 20 Tierarten entdeckt, die es nur dort gibt. Der Nationalpark mit seiner bizarren Attraktion Kolmanskuppe lockt heute Touristen, Zoologen und Abenteurer an, Fotografen aus aller Welt beginnen den gespenstischen Ort mit der unberührten Natur zu entdecken. So entsteht im Niedergang der modernen Ruine gleichzeitig eine neue Perspektive für die Menschen, die teilweise noch aus nächster Nähe Aufstieg und Fall der Diamantenstadt erlebt haben.