Oyoyo (1980)

Oyoyo

Dokumentationen • Deutschland • 1980 • 68 MIN

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Oyoyo (1980)
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"Ihre Geschichten blieben oftmals unerzählt," resümierte der Katalog zur Ausstellung "Echos der Bruderländer" im Berliner Haus der Kulturen der Welt über Menschen nichtdeutscher Herkunft in Ostdeutschland vor dem Fall der Mauer. OYOYO bietet einen seltenen Einblick in diese Welt. Der Slogan "Hoch die internationale Solidarität" klingt vielen in der DDR aufgewachsenen Menschen noch in den Ohren. Er durfte auf kaum einer der vielen staatlich verordneten Demonstrationen fehlen, zu deren Teilnahme weite Teile der Bevölkerung in Schulen und staatlichen Betriebe genötigt wurden. Während Völkerverständigung und die Freundschaft der "Brudervölker" pausenlos offiziell gepriesen wurden, gab es nur selten ungezwungene Freizeit-Begegnungen zwischen DDR-Bürgern und den wenigen Zuwanderern. Die Migration selbst wie auch der Aufenthalt der neu angekommenen Menschen wurden vom DDR-Staat strikt gesteuert und reglementiert. Sowohl Vertragsarbeiter*innen als auch internationale Studierende lebten jenseits ihrer vertraglichen Bestimmung – Arbeit und Studium – ganz überwiegend von der einheimischen Bevölkerung separiert. Der Dokumentarfilm OYOYO von 1980 zeigt Alltagsszenen in einem Wohnheim, das fast ausschließlich von ausländischen Studierenden bewohnt wird. Rassismus ist im Film nur dann Thema, wenn es um westliche Kolonialmächte geht. Dass er auch in der DDR blühte, war ein Tabu, an dass die indische Regie-Studentin Chetna Vora mit ihrem Film wohlweislich nicht rührte. Vora wurde ab 1976 an der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR in Potsdam-Babelsberg zur Regisseurin ausgebildet. OYOYO war ihr Hauptprüfungsfilm. Das Wohnheim, in dem sie drehte, ist in ein Neubau-Viertel eingebettet; das Areal rundherum noch unbefestigt. Eine größere Gruppe der im Film gezeigten Studierenden stammt aus Ländern, die im Umfeld der portugiesischen Nelkenrevolution von 1974 ihre Unabhängigkeit erlangten. Wie etwa das westafrikanische Guinea-Bissau. Das auch heute noch bitterarme Land wurde nach einem langen Krieg gegen die Kolonialmacht Portugal 1974 unabhängig. Die Studentin Carmen Maria erzählt, dass ihr Großvater väterlicherseits einst von Indien nach Guinea-Bissau zog. Für ihre Ausbildung habe sie fünf Jahre in Portugal und drei Jahre in ihrer Heimat verbracht, berichtet sie. Die Analphabetenrate in Guinea-Bissau war damals noch höher als heute - woraus sich schließen lässt, dass Carmen Maria in ihrer Heimat privilegiert war. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten lernt die junge Frau im sächsischen Freiberg Deutsch und berichtet, dass sie danach in Halle oder Leipzig Medizin studieren werde. Anschließend soll es nach Guinea-Bissau zurückgehen. Tunga aus der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar studiert Wirtschaftswissenschaft. Sie erzählt von den Unterschieden des Zeitgefühls zwischen ihrer Heimat und der DDR und den Schwierigkeiten, die ihr das zu Beginn ihrer Zeit in der DDR bereitet hat. Emilio ist aus Chile geflohen. Wohin er gehen wird, wenn er sein Studium in der DDR beendet hat, weiß er noch nicht. Weitere Protagonist*innen des Films stammen aus Kuba, Äthiopien, Bolivien, Brasilien und weiteren Ländern, die entweder bereits zum Ost-Block gehörten oder um deren Einbindung sich der sowjetische Block in der Konfrontation mit dem Westen bemühte. Chetna Vora gelingt es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der ihre Protagonist*innen ungezwungen erzählen. Das Kamerateam ist bei alltäglichen Freizeit-Situationen anwesend und zeigt eine gelöste Atmosphäre zwischen den jungen Leuten aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Sie helfen sich gegenseitig beim Lernen; es wird viel musiziert, gesungen und gefeiert. Der kubanische Student Silvio Rodríguez und Nara Leão aus Brasilien steuern Musik bei, außerdem erklingen Lieder in kapverdischem Kreol. Darunter auch ein Lied der Band Os Tubarões, das davor warnt „zu viel für andere zu arbeiten.“ Der Titel des Films, OYOYO, ist dem Refrain dieses Liedes entlehnt. Dies ist gleichzeitig ein weiterer Verweis auf ehemals portugiesische Kolonien in diesem Film: Os Tubarões gründeten sich 1969 in der kapverdischen Hauptstadt Praia, damals noch portugiesische Überseeprovinz. Auch der Inselstaat Kap Verde wurde nach der Nelkenrevolution von 1974 unabhängig. 1975 übersiedelten Os Tubarões nach Portugal. *** Die Regisseurin Chetna Vora lebte und arbeitete mit dem Kamerastudenten Lars Barthel, der bei OYOYO die Kamera führte. Die beiden heirateten - und verließen 1983 die DDR Richtung Indien, wo Chetna Vora 1987 im Alter von 29 Jahren starb. Die Digitalisierung von OYOYO wurde 2022 im Rahmen des Förderprogramm Filmerbe gefördert. *** Zum Kontext des Films: „Neben den sowjetischen Besatzungstruppen bildeten Vertragsarbeiter die größte Gruppe von in der DDR lebenden Ausländern. Es gab aber auch ausländische Studierende und politische Emigranten. Politische Gründe für ihre Anwesenheit und ökonomischer Nutzen wurden in der DDR nie offen debattiert. In der Folge wurden alle Ausländer als Kostgänger der Aufnahmegesellschaft wahrgenommen,“ resümiert der Historiker Patrice Poutrus in einem Artikel für die Bundeszentrale für Politische Bildung: „Mit Folgen bis in die Gegenwart.“

Wo läuft "Oyoyo"?

"Oyoyo" läuft aktuell bei folgenden Streaming-Anbietern:
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Originaltitel
Oyoyo
Produktionsland
Deutschland
Originalsprache
Deutsch
Regie
Chetna Vora
Untertitel
Deutsch
Sprache
Deutsch