Anfang November 1918 setzte sich in Bayern zunächst unblutig eine Revolution durch. Nach dem Sturz der Wittelsbacher Monarchie in Bayern und der Abdankung des deutschen Kaisers aus dem Haus Hohenzollern entsteht, zunächst unter der Führung von Kurt Eisner, ein Freistaat und kurz darauf eine Räte-Republik. Es ist ein atemberaubendes historisches Experiment, das wenige Monate später blutig niedergeschlagen wird. Führender Kopf dieser Revolution ist zunächst der Journalist Kurt Eisner, ein Mitglied der von der sozialdemokratischen Mutterpartei abgespaltenen USPD. Viele Jahre hatte Eisner, ein Vertrauter des SPD-Gründervaters Karl Liebknecht, als führendes Redaktionsmitglied der SPD-Parteizeitung VORWÄRTS gearbeitet. Noch vor dem offiziellen Ende des 1. Weltkrieges hatte Kurt Eisner am 8. November 1918 in München das Ende der Wittelsbacher-Monarchie und den Freistaat Bayern als Republik ausgerufen. Was folgte, war ein kurzlebiges Labor neuer Regierungs- und Gesellschaftsformen - sowohl mit basisdemokratischen als auch sozialistischen Elementen. Nach Eisners Ermordung am 21. Februar 1919 entstand ein Machtvakuum, die mit einer Regierungskrise einher ging. Daraufhin wurde am 7. April 1919 die Münchner Räterepublik ausgerufen, die auch als Bayerische Räterepublik bekannt ist. Sie war ein Aufstand gegen die instabile, SPD-geführte Minderheitsregierung und währte nur vier Wochen. Ziel der Aufständischen, zu denen pazifistische und anarchistische Intellektuelle wie Ernst Toller, Erich Mühsam und Gustav Landauer gehörten, war die Errichtung einer sozialistischen Räterepublik; bereits eine Woche später übernahmen Kommunisten die Führung. 60 Jahre später - am Ende der 1970-Jahre - befragte Filmemacher Klaus Stanjek gemeinsam mit weiteren studentischen Mitstreiter*innen Augenzeugen der Münchener Räterepublik nach ihren Erfahrungen. Ein Schreiner, ein Kaufmann, ein Berufssoldat, ein Student und ein Buchbinder gaben Auskunft. Ebenso der anarchistische Schriftsteller Augustin Souchy, der mit Gustav Landauer, Kurt Eisner und Erich Mühsam befreundet war. Diese einzigartigen Zeugnisse über die Geburt der Demokratie in Bayern sind dank einer vor kurzem erfolgten Restaurierung wieder zugänglich. *** ROTE RÄTE ist ein Dokument in doppelter Hinsicht. Er hält die Erinnerungen einiger Zeitzeugen der Vorgänge in Münchener zwischen November 1918 und Mai 1919 fest: ein kurzes utopisches Intermezzo, inspiriert von der russischen Revolution von 1917. Möglich wurde der Zusammenbruch der alten monarchischen Ordnung und auch die Räte-Republik durch die deutsche Niederlage im 1. Weltkrieges. Es ist ein Stück deutscher und bayerischer Geschichte, das sowohl zum Zeitpunkt der Filmaufnahmen in den 1970er Jahren als auch in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts fast völlig vergessen ist. Der Film dokumentiert gleichzeitig das Interesse derer, die die Aussagen der Münchner Zeitzeugen mit höchst unvollkommen Mitteln auf Film gebannt haben: westdeutsche Studenten der nach-68er Zeit. Angeregt von den Revolutionen auf Kuba, in China und Nicaragua, deren Dynamiken sie allerdings nur ebenso schemenhaft kennen wie die Räte-Republikaner die Vorgänge im Russland des Jahres 1917ff, spüren sie dieser vergessenen Revolution vor der eigenen Haustür nach.
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