Thriller bei Netflix: Hier wird's gefährlich für Ihre Fingernägel

Christian Bale (l.) ermittelt in "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe".
Christian Bale (l.) ermittelt in "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe".  Fotoquelle: Cr. Scott Garfield/Netflix © 2022

Ein entspannter Abend vor dem Bildschirm ist nichts für Sie? Stattdessen möchten Sie lieber zittern, bibbern und es vor Spannung kaum aushalten? Oder Sie möchten sich intensiv mit dem Abgründen der menschlichen Psyche befassen? Dann sind diese Thriller-Filme bei Netflix vielleicht genau das Richtige für Sie.

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Von Marcus Italiani

Thriller sind oft eine Art Mischling aus Krimi, Horrorfilm und Psychodrama. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie versuchen, mehr Tiefe aufzuweisen und mit der Spannung spielen, anstatt den Bogen wie beim Krimi linear bis zum Höhepunkt zu schlagen. Netflix bietet jede Menge Blockbuster im Genre Thriller an. Wir möchten hier nicht auf die Klassiker eingehen, sondern einige neuere Produktionen vorstellen, die beim Streaming-Anbieter aktuell beliebt sind.

Atmosphärisch dicht und aufwendig produziert ist "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" aus dem Jahr 2022 – mit Sicherheit eins der Glanzlichter ganz neuer Thriller. Christian Bale und Harry Melling spielen vor der beeindruckenden Kulisse der West-Point-Militärakademie ein kongeniales Ermittler-Duo in einer ebenso grausamen wie faszinierenden Mordserie. Der junge Edgar-Allen Poe (Melling) als Kadett und Augustus Landor (Bale) als eigenbrötlerischer Detektiv, der nicht nur den militärischen Drill verabscheut, sondern seltsamerweise auch eine Abneigung gegen die Akademie als solches zu hegen scheint. Zudem weisen die Taten okkulte Aspekte auf, die den Zuschauer natürlich sofort auf eine Fährte führen, auf der sie den späten Poe als drogensüchtiges Genie des Schauerstücks antizipieren. Vielleicht jetzt schon einer der besten Thriller des Jahres.

"Sicario" aus dem Jahr 2015 ist einer dieser düsteren Thriller über die Brutalität der Drogenkartelle, der vor allem deshalb so niederschmetternd wirkt, weil er permanent zu fragen scheint, ob es in diesem Konflikt überhaupt eine richtige Seite gibt. Dabei muss sich der Zuschauer die Zusammenhänge erarbeiten, da – genreunüblich – nicht Action im Minutentakt das Mitdenken ersetzt. Zurück bleibt man ernüchtert und nachdenklich, da das gut/böse Schema auch aufgrund den glänzend aufgelegten Darstellern Emily Blunt und Benicio del Toro nicht zu greifen vermag. Das 2018er-Sequel hält die Qualität nicht ganz, was auch daran liegen mag, dass Blunt nicht mehr mit von der Partie ist.

Gänsehaut pur erzeugt der "House"-Horror "Aftermath". Die Geschichte basiert auf einem vielmals genutzten Setting: Ein junges Paar möchte einen Neuanfang in einem schmucken Haus wagen, das für seinen vergleichbar schmalen Geldbeutel eigentlich eine Nummer zu groß ist. Doch da die Immobilie ein dunkles Geheimnis birgt, ist die Maklerin froh, den Kasten los zu sein. Nun beginnt der Albtraum. Allerdings wird hier so dosiert mit Schock-Momenten umgegangen, dass die Spannung bis zum Ende nicht darunter leidet. Zudem sind die schauspielerischen Leistungen überdurchschnittlich. Schmankerl: Das Ganze soll auf wahren Begebenheiten beruhen.

"Hypnotic" lässt den Zuschauer erstarren…und zweifeln. Was kann Hypnose tatsächlich? Ist es so leicht, die Kontrolle abzugeben? Sind wir problemlos fernzusteuern, wenn man die richtigen Knöpfe drückt? Bevor man die wissenschaftliche Hintergrundrecherche zu diesem beklemmenden und in sanften Abdecktönen gehaltenen Psychothriller mit Kate Siegel und Jason O’Mara betrieben hat, ist man auch schon mittendrin in der Hölle aus Ängsten und Visionen. Der Film ist als Kunstwerk vielleicht nicht weltbewegend, wirft aber weltbewegende Fragen auf, die einer längeren Erklärung bedürfen.

Lust auf unterhaltsames Trash-TV? Dann vielleicht mal bei "Verlorene Liebe" reinschauen. Der Thriller aus dem Jahr 2022 lässt eine erfolgreiche Krimi-Autorin den Mord an ihrer Zwillingsschwester gemeinsam mit deren Nachbar aufklären, der zufällig bei der Mordkommission ist. Natürlich fangen beide ein Techtelmechtel an. Natürlich macht die Schriftstellerin der Polizei in Sachen professionelle Verbrechensaufklärung so einiges vor. Und natürlich sind die Dialoge zum Fremdschämen. Hier stimmt alles, wenn es darum geht, den Kopf völlig auszuknipsen und den attraktiven Hauptdarstellern Alyssa Milano und Sam Page zwischen Pseudo-Krimi-Handlungsstücken beim Flirten zuzuschauen.

"The Unforgivable" aus dem Jahr 2021 glänzt hingegen mit Star-Besetzung. Sandra Bullock spielt Ex-Häftling Ruth Slater, die als Polizisten-Mörderin 20 Jahre abgesessen hat und nun versucht, wieder auf die Füße zu kommen und ihre kleine Schwester zu finden, von der sie seinerzeit getrennt wurde. Allerdings stellen ihr die Verwandten und Freunde ihres einstigen Opfers nach und terrorisieren sie, wo sie nur können. Ein Psychodrama, das ein gesamtes System und die Idee von Resozialisierung infrage stellt. Neben Bullock sorgen Hochkaräter wie John Bernthal, Richard Thomas, Viola Davis oder Vincent D’Onofrio dafür, dass kleine Längen nicht zu Langeweile führen und der Film als Ganzes wirken kann.

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