Schleyer, der Sohn eines konservativ-nationalgesinnten Richters aus Offenburg, zählte zu den jungen, radikalen NS-Studentenfunktionären im Heidelberg der 30er-Jahre. Im Prager "Centralverband der Industrie für Böhmen und Mähren" war er zu Beginn der 40er-Jahre maßgeblich an der "Germanisierung" der tschechischen Wirtschaft beteiligt. Nach mehrjähriger Internierungshaft begann sein beruflicher Wiederaufstieg 1951 bei Daimler Benz. Schleyer galt als "Scharfmacher" in den legendären Tarifkämpfen der 60er-Jahre; der "Spiegel" kennzeichnete ihn 1969 als den "Korporierten mit dem zerhackten Gesicht". Mit dieser Biografie erschien der ehemalige SS-Untersturmführer den Mitgliedern der "Roten Armee Fraktion" (RAF) als "Magnet"für eine Entführung, wie es später der RAF-Aktivist Stefan Wisniewski formulierte. Andererseits fand es der "Stern"-Reporter Kai Hermann 1974 in einer Homestory schwer, Hanns-Martin Schleyer "nicht spontan sympathisch zu finden": Er leugne nicht, beschönige nicht, entschuldige nicht: "Er hat ein ungebrochenes Verhältnis zu seiner Vergangenheit". In Lutz Hachmeisters Film beschreiben Familienangehörige und Wegbegleiter Schleyers wie Kurt Biedenkopf, Edzard Reuter und Eberhard von Brauchitsch seine Persönlichkeit. Das ausführliche Porträt bietet aber, über die biografische Aufklärung hinaus, ein spannendes Zeitbild der Nachkriegs-Republik. Der Film zeichnet eine einzigartige deutsche Karriere nach und konfrontiert die Zuschauer auf ungewöhnliche Weise mit dem Panorama der deutschen Zeitgeschichte.