prisma 19/2016

Abschied von gestern

Von Detlef Hartlap

Der Tod macht alle gleich, sagt das Sprichwort. Aber die Unterschiede in öffentlicher Trauer könnten nicht größer sein. Der Tod von Popstars wie David Bowie und Prince wurde mit archaischer Wucht beweint. In die Netzwerke des Internets ergoss sich eine Inkontinenz der Wehklagen, die nicht jeder erträgt.
Der Arzt und Autor Manfred Lütz wetterte in einem Interview über "neuheidnischen Totenkult", der ihn an das "hemmungslose Pathos vorchristlicher Zeiten" erinnere.
In britischen Medien wie der Times standen Ordnungsrufe  handfesterer Art: "Ihr seid nicht mehr zehn, ihr seid erwachsen,  Leute, also reißt euch zusammen!"
Nun war das Internet nie eine Ecke für Stoiker, die das Schicksal in Würde ertragen. Es war auch nie die Festwiese der "Tod-wo-ist-dein-Stachel!"-Fraktion (zu der Lütz gehört). Ohnehin geht es um anderes. Mit dem Tod von Bowie nahm die Generation der 60-Jährigen, mit dem Tod von Prince die Generation der 45-Jährigen Abschied von ihrem 20. Jahrhundert. Mit den Typen sterben die Träume, die humanen und auch die libidinösen.
In beiden Fällen ging es um einen Abschied von gestern. Die Gegenwart hält wenig Gleichwertiges bereit. Das macht die Sache so trostlos.

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