prisma 35/2015

Landplage

Von Detlef Hartlap

Sie laufen splitternackt durch La Barceloneta, entwenden heilige Glöckchen aus buddhistischen Tempeln in Thailand, nur um damit zu lärmen. In den Tempeln von Angkor, Kambodscha, fotografieren sie sich in Posen, die sie zu Hause nicht wagen würden. Im Flieger geben sie sich ungeniert, als endeten alle Umgangsformen mit dem Abheben. Und wo immer sie landen, eröffnen sie Aussichten auf Speckgebirge, die man nie sehen wollte.

Touristen! Eine eigentümliche Spezies macht sich über ausgewählte und speziell auf sie zugeschnittene Orte her. Mit ihren Gewohnheiten verändern sie Land und Leute, wähnen sich aber unbeirrbar am Busen der Natur. Sie sind janusköpige Wesen. Mit acht Billionen Euro Umsatz befeuern sie 2015 die Weltwirtschaft und bleiben doch eine Landplage. So viele Regionen leben von ihnen und verkaufen gleichzeitig ihre Seele. Wer sich auf Touristen einlässt, verliert, ob als Mensch oder Ort, seine Eigenheit. Widerstand zwecklos?

Nein. 2015 ist das Jahr, in dem Städte und Länder (Barcelona, Dänemark, Frankreich, Bhutan) den Zugang zu sich selbst eins chränkten, reglementierten, verteuerten. Venedig wird folgen. Die Ziele sind zu wertvoll, um sie uferlosem Tourismus zu überlassen.

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