prisma 31/2016

Lebenskunst

Von Detlef Hartlap

Es hat optimistischere Zeiten gegeben. Das Seuchenjahr 2016 birgt den Niedergang von Menschlichkeit, das Ende der
Wahrheit und den Verlust des Lachens.
Der angeblich turmhoch überlegene Westen reagiert defensiv auf seine we lt anschaulichen Feinde – mit Floskeln, ausufernder Polizeipräsenz, milliardenteurer Grenzabwehr. Kann freier Lebensstil nur unter einer Schutzglocke überwintern? Vor größeren Veranstaltungen heißt es stereotyp: "Das lassen wir uns nicht vermiesen!"
Tatsache aber ist, dass der westliche Hedonismus nicht mehr weiß, worauf er beruht und wo seine Grenzen liegen. Dauerfernsehen, Einkaufswut und Smartphoneritis sind zwanghafte Zustände und damit das Gegenteil von Freiheit. Wir leben lauter marktgerecht vorgegebene Erlebnishaftigkeiten, selbst im Urlaub.
Lebenskunst wäre in dieser Situation eine Möglichkeit. Lebenskunst – schwer zu definieren und nicht ohne Mühe zu erlernen. Aber wertvoller als blinde Lebenslust. Und wichtiger als das vielbeschworene Glück, weil Lebenskunst auch dem Unglück standzuhalten vermag.
Zu lachen wäre ein erster Schritt. "Das Lachen", sagt Lessing, "erhält vernünftiger als der Verdruss."

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