prisma 41/2015

Merkels Stunde

Von Detlef Hartlap

Wie war das noch damals, 1971, als Deutschland plötzlich und unvermutet wieder einen Friedensnobelpreisträger sein Eigen nennen durfte?

Nicht jeder wollte das dürfen. Vielen schien es unfassbar, dass ausgerechnet jener Willy Brandt, den sie und ihresgleichen
und eine seinerzeit oft sehr parteiische Presse beschimpft und verunglimpft hatten, mit der höchsten Ehrung bedacht wurde, die auf Erden möglich ist.

Die Entscheidung von Oslo war aber nicht nur gegen die Brandt-Bekämpfer im eigenen Land gerichtet, das hätte ihren Wert gemindert. Gewürdigt wurde der nach vorn gerichtete Impetus einer Versöhnungspolitik, einer Politik der Vernunft und des Herzens.

25 Jahre, nachdem Willy Brandts Vision in die Wiedervereinigung mündete, lassen sich Parallelen erkennen. Parallelen, keine
Wiederholung. Geschichte wiederholt sich nicht. Auch Angela Merkel schlägt im eigenen Land Skepsis und mancherorts Hass entgegen. In den Augen der Welt steht sie anders da.

Die große Stunde ihrer Kanzlerschaft schlug, als sie im Angesicht der Flüchtlinge ihr Herz sprechen ließ: "Wir schaffen das!" An diesem Freitag um elf erfahren wir, ob das Nobelpreiskomitee solchen Mut zu würdigen weiß.

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